Neuland
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- Erschienen: Januar 2010
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- , 2007, Titel: 'Heyday', Originalausgabe
Ein opulenter und detailverliebter Roman
Kurzgefasst:
1848: Zu Hunderttausenden strömen Einwanderer im Hafen von New York von Bord der aus Europa kommenden Dampf- und Segelschiffe. Amerika lockt mit seinen unbegrenzten Möglichkeiten - schnellem Geld, ungekannten Amüsements und politischen Visionen. Unter den Glückssuchern ist auch der junge britische Adelige Benjamin Knowles. In der wachsenden Großstadt New York findet Ben schnell Freunde: Timothy Skaggs, einen zynischen Reporter und Daguerreotypisten, der die Bordelle und Spielhallen der Stadt wie seine Westentasche kennt, Duff Lucking, einen liebenswerten, aber traumatisierten Veteranen aus dem amerikanisch-mexikanischen Krieg, und dessen Schwester Polly, eine eigensinnige Schauspielerin und Gelegenheitsprostituierte. Als Polly von einer Theaterreise nicht mehr nach New York zurückkehrt, sondern ihren Weg nach Westen fortsetzt, besteigen auch Ben, Duff und Tim den nächsten Raddampfer den Hudson hinunter. Getrieben von der Aussicht auf einen Neuanfang jenseits der Grenze und dem Goldrausch in Kalifornien, durchqueren sie den ganzen Kontinent, nicht ahnend, dass ihnen jemand aus Bens Vergangenheit auf den Fersen ist, der mit ihm noch eine Rechnung zu begleichen hat...
1848 - ein Jahr der Revolutionen in Europa und des Goldrausches in Amerika, ein Jahr des Wandels und der Veränderungen. Mitten in diesem Geschehen befindet sich Benjamin Knowles, ein junger britischer Adliger, der in Paris in die Wirren der Revolution des Februars 1848 gerät. Sein bester Freund wird bei den Kämpfen getötet und Benjamin muss aus Paris fliehen, weil ihm der Tod eines Polizisten zur Last gelegt wird. Zurück in London werden ihm das Leben in der adligen Familie und sein vorgezeichnetes Berufsweg zu eng und er plant, nach Amerika auszuwandern.
Pläne und ihr Scheitern
In New York angekommen ist er von der Freiheit und der Lebensweise der Menschen fasziniert. Er gerät in den Sog des Großstadtgewimmels und genießt das Leben in vollen Zügen. Bald lernt er den Reporter und Daguerrotypisten Timothy Skaggs und die Geschwister Duff und Polly Lucking kennen und verliebt sich haltlos in Polly, die ihren Traum von der Schauspielerei leben möchte, doch in der Realität als Prostituierte arbeitet, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Ben und Polly werden ein Paar, doch ihre Ziele aufzugeben ist Polly nicht bereit. Und endlich bekommt sie die Chance, in einem großen Stück aufzutreten und auf Tournee zu gehen. Doch diese Pläne scheitern und Polly nutzt die Gelegenheit, zusammen mit einem jungen Mädchen, die sich ebenfalls verkaufen muss, die Stadt zu verlassen und nach Westen gehen.
Dort hat bereits der Goldrausch seinen Anfang genommen und der Reichtum muss nur aufgesammelt werden. Da Ben die Trennung von Polly nicht verwinden kann, macht er sich mit Tim und Duff ebenfalls nach Westen auf, um Polly zu finden. Es beginnt eine rasante Reise durch Amerika bis über die Grenzen des Indianerlandes hinaus nach Kalifornien. Auf ihren Fersen ist ihnen immer ein korsischer Gardist, der mit Ben noch eine Rechnung offen hat.
Der goldene Westen - ein Neuanfang?
Bekannte Persönlichkeiten, wie Charles Darwin, Edgar Allen Poe und Benjamin Franklin bevölkern diesen opulenten Roman ebenso wie skurrile und liebenswerte Personen, die Bens Wege kreuzen. Allen widmet der Autor viel Aufmerksamkeit, doch ans Herz wachsen hauptsächlich die vier Freunde. Ihre Charaktere werden mit viel Hingabe und einem liebevollen Augenzwinkern entwickelt. Da ist Ben, der in den engen Strukturen des britischen Adels unglücklich ist und seine freiheitlichen Gedanken in den familieneigenen Betrieben nicht umzusetzen vermag und darum in sein gelobtes Land auswandert. Ihm zur Seite steht Polly, eine junge, sehr realistische Frau, die ihren Weg zielstrebig geht. Dabei scheut sie sich nicht, auch schwierige Dinge zu tun, um dann eines Tages auf der Bühne ihres Lebens zu stehen. Auf der anderen Seite Duff, ein traumatisierter Veteran des amerikanisch-mexikanischen Krieges, der das Leid der Mexikaner nicht mit ansehen konnte und darum die Seiten wechselte. Zurück in der zivilen Welt, fällt es ihm schwer, seine dunklen Seiten zu beherrschen. Und schließlich Skaggs, ein Zyniker, der sich in allen Bars, Bordellen und Spielhallen wie zuhause fühlt und erst auf der Reise gen Westen seine wahre Bestimmung findet. Alles verbunden durch einen humorvollen Ton und detailverliebte Schilderungen.
Fabulierlust und Spannungsbogen
Und genau in diesen weitläufigen Beschreibungen liegt ein kleines Manko des Romans. An manchen Stellen wäre, um die Spannung aufrecht zu erhalten, weniger mehr gewesen. So gelingt es nicht durchgängig, die Spannung, die mit den Geschehnissen in Paris und der Flucht durch London einen ganz rasanten Anfang nimmt, auf hohem Niveau zu halten. Wenn Ben seitenweise durch New York streift und eine Bar nach der anderen erkundet oder er mit Skaggs um die Häuser und von Party zu Party zieht, so flacht die Spannung deutlich ab. Von diesem kleinen Schwachpunkt abgesehen, ist der Roman vielschichtig und voller Ideen. Der Streit um die Sklavenhaltung nimmt bereits seinen Anfang und auch die Frage des Umgangs mit den amerikanischen Ureinwohnern wirft ihren Schatten voraus. Die vier Freunde reisen quer durch den Kontinent und lernen dabei interessante Persönlichkeiten und faszinierende Landschaften kennen. Sie alle finden ihren Weg und die Bestimmung ihres Lebens. Sie dabei zu begeleiten ist reizvoll und spannend zugleich.
Abgerundet wird der Roman durch die Karte der nordamerikanischen Freistaaten von 1849 im Buchdeckel.
Insgesamt ein sehr abwechslungsreicher Roman aus einer spannenden Zeit, in der das moderne Amerika das Licht der Welt erblickt und bereits Licht und Schatten der neuen Welt zu Tage treten. Die fast 900 Seiten mit schnörkelloser Sprache bieten beste Unterhaltung und kurzweiligen Lesegenuss.
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