Die Mörder von Karthago

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2010
  • 2
  • Heyne, 2010, Titel: 'Die Mörder von Karthago', Originalausgabe
Die Mörder von Karthago
Die Mörder von Karthago
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Sabine Bongenberg
651001

Histo-Couch Rezension vonOkt 2010

Sympathischer Held - magere Geschichte

Kurzgefasst:

Drei Morde beschäftigen Bomilkar, als »Herr der Wächter« zuständig für Ruhe und Ordnung in Karthago: ein Inder - Pilger und buddhistischer Missionar - wurde erstochen, ein Marktarbeiter überfahren, der Besitzer mehrerer Mietshäuser vom Dach gestürzt. In die verwickelten Ermittlungen mischt sich die Politik. Anno 228 v. Chr., zehn Jahre vor Beginn des Zweiten Punischen Kriegs, sind die Beziehungen zwischen Karthago und Rom ruhig, aber es ist ein unbehaglicher Friede. Der Senat betrachtet Karthagos Unternehmungen auf der iberischen Halbinsel mit Misstrauen; deshalb schickt der karthagische Rat eine Gesandtschaft nach Rom. Und Bomilkar muss die Gesandten begleiten: Er hat in Iberien gekämpft, kennt sich mit den dortigen Zuständen aus und soll außerdem die Ratsherren beschützen. Oder will man seine Ermittlungen behindern? Gibt es Zusammenhänge zwischen den drei Morden und anderen Vorgängen? Widerwillig reist er nach Rom. Dort trifft er auf seinen alten Freund und Gegenspieler Laetilius und erhält überraschende Informationen, die sich aber erst nach der Rückkehr in Karthago auswerten lassen. Und dort sind inzwischen weitere Morde geschehen.

 

Der Herr der Wächter Bomilkar hat es im Karthago rund 230 Jahre vor Christus nicht leicht: Diverse ungeklärte Todesfälle fordern seine Aufmerksamkeit, ein verurteilter Straftäter kann fliehen und droht ihm fürchterliche Rache an, und jetzt muss er auch noch eine "Dienstreise" ins ferne - und vormals feindliche - Rom antreten. Immerhin, das ungute Gefühl, das ihn bei Reiseantritt befallen hatte, war nicht unbegründet. Bomilkar findet sich plötzlich in einer Sklavenkarawane wieder, und als ob das immer noch nicht genug wäre, wird er in seiner Heimat Karthago noch zum Verräter und für vogelfrei erklärt. Derart vom Schicksal, von finsteren Mächten, von Unholden oder von allen dreien gestraft, muss der Titelheld ein politisches Ränkespiel entwirren, um seinen guten Namen und seine Position wieder herzustellen.

Man könnte Gisbert Haefs sicherlich nicht vorwerfen, dass er keine Ahnung von der Materie hat. So kann der Autor durch detaillierte Darstellungen des täglichen Lebens in Karthago aufwarten und gibt dem Leser einen ausführlichen Einblick in die Strukturen Karthagos. Nur - wen interessiert das tatsächlich? Gisbert Haefs gelingt es in diesem Roman nicht, ein lebendiges Bild der Antike zu schaffen. Bei diversen Ortsbezeichnungen beschränkt sich der Autor darauf, lediglich die fremdsprachliche Bezeichnung einzuführen und vergisst dabei offensichtlich, dass sich vermutlich ein Großteil der Leserschaft nicht auf das Karthago vor Christus spezialisiert haben dürfte. Das häufige Wiederholen dieser Begriffe dient dann auch nicht dazu, die Lage zu vereinfachen. Besonders nervig ist jedoch Haefs Angewohnheit, jeden - aber auch jeden - kurz auftretenden Lakaien, Speerträger 1, Speerträger 2, Speerträger 3 etc. mit Vornamen vorzustellen. Immerhin - das irritiert nur auf den ersten 20 - 30 Seiten, danach weiß der Leser, dass es sich im Großen und Ganzen nicht lohnt, sich einen der Vorgestellten einzuprägen.

Versuchen Sie das nicht bei Ihrem Standesamt:

 

Einige Namen standen zunächst allein, einsam, nutzloses Strandgut. Azigul Kaukirino Gargoris Teschu Artemidoros Giskon Autolykos Mutumbal Dyamir Paltibar Barako Patroklos Duush Zililsan Vavurro Nymar Aspasia Niobe Myron Hepsibal Arish Sakarbal. Nach kurzem Überlegen setzte er noch Himilko hinzu, Arishs Schreiber und die anderen Toten: Mennad, Baalyaton, Maharbal.

 

Columbo vor Christus

Dennoch sind auch verschiedene Abschnitte in diesem Buch lesenswert. So schafft Haefs witzige Dialoge, wenn er die Polizeiarbeit der damaligen Zeit quasi mit dem Jargon und der Arbeitsweise der Moderne belegt. Ob die Wortwahl bzw. die Sprechweise historisch genau ist, muss dabei mehr als fraglich bleiben, doch bringt Haefs mit diesem Stilmittel endlich Witz und Schwung in die oftmals zu getragenen Dialoge.

Leider sind derartige Szenen verglichen mit dem mehr als mittelmäßigen Rest der Geschichte deutlich in der Minderheit. Hauptsächlich gelingt es Haefs nicht, seinen Helden fesselnd aufzubauen, scheint dem doch auch mehr oder weniger alles egal zu sein. Selbst als er als Sklave verschleppt wird und eine ungewisse Zukunft droht, geht seine Reaktion nicht über ein - wie der Kölner zu sagen pflegt - "Et kütt, wie et kütt" (Es kommt, wie es kommt) hinaus und auch spätere Verwicklungen sind nicht dazu angetan, diese Haltung zu ändern. Insgesamt muss der Eindruck entstehen, dass Haefs nicht selber wusste, was er denn jetzt eigentlich erzählen wollte, denn anders lässt sich so ein unklarer Handlungsfaden nicht erklären.

Schwierige Bewertung

Immerhin - dem Autor gelingt es, den historischen Krimi zu einem mehr oder weniger versöhnlichen Ende zu führen und präsentiert zum Schluss den Initiator der bösen Taten. Grundsätzlich hätte der aufmerksame oder krimigewohnte Leser eine solche Lösung bereits vermuten können, andererseits dürfte die letztendliche Auflösung nach der Verstrickung in komplizierte Eigennamen, verwirrende Motive und zungenbrecherische Ortschaften allenfalls zu einem achselzuckenden "Aha" führen.

Die Bewertung des Romans bleibt dennoch eine schwierige. Wenn auch sicherlich die bestehenden Kritikpunkte bestehen und auch dominieren, so hat Haefs dennoch mit seinem Bomilkar eine sympathische und liebenswerte Figur geschaffen, die es auch nicht verdient, nur heruntergeputzt zu werden. Seinem Helden zuliebe können daher doch einige Sympathiegrade vergeben werden.

 

Die Mörder von Karthago

Gisbert Haefs, Heyne

Die Mörder von Karthago

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