Der Traum von Eldorado
- Lübbe
- Erschienen: Januar 2010
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- Lübbe, 2010, Titel: 'Der Traum von Eldorado', Originalausgabe
Mühselige Suche nach Gold
Kurzgefasst:
Ulm 1529: Der junge Fuhrwerker Nicolaus Federmann wird Zeuge am Mord eines alten Jugendfreundes, der ihm sterbend noch ein Amulett aus purem Gold anvertraut. Als Federmann wenig später im Haus des Freundes auch noch auf die wunderschöne, aber seltsam fremd anmutende Mayana trifft, steht er vor einem Rätsel, das ihn nicht mehr loslässt. Hat sein Freund, der mit den ersten Abenteurern in die neu entdeckte Welt jenseits des Großen Golfs gereist war, dort etwa das sageumwobene Goldland gefunden? Was haben die Zeichen zu bedeuten, die auf dem Amulett eingeritzt sind? Könnte es vielleicht eine Art Karte sein?
Da kommt ihm der Auftrag seines Dienstherrn, der Familie Weiser, gerade recht: Er soll als Feldhauptmann in die Neue Welt reisen, um dort Bodenschätze zu erschließen. Federmann zögert nicht und macht sich zusammen mit Mayana auf die lange Reise - ständig begleitet von dem Traum von Gold...
Der Fuhrwerker Nicolaus Federmann geht im Ulm des Jahres 1529 durch die Stadt, als plötzlich sein Freund aus Kindertagen Joachim aus einem Fenster fliegt und sterbend vor ihm liegen bleibt. Er gibt ihm ein Amulett aus Gold mit, ehe er sein Leben aushaucht. In Joachims Wohnung trifft Nicolaus auf die schöne Mayana, die dunkelhäutig ist und deren Sprache er nicht versteht. Gemeinsam fliehen sie aus dem Haus. In einem unbeobachteten Moment wird Mayana von einer Gruppe von Schaustellern entführt, und Nicolaus bekommt den Auftrag, einen Troß nach Augsburg zu begleiten.
In Augsburg angekommen, erhält der den Auftrag, für die Bankkaufleute Welser, denen die Region Klein-Venedig (heute Venezuela) in Südamerika gehört, eben dort hin zu fahren und nach Gold zu suchen. Mit an Bord sind Almaviva, den er sich bereits in Ulm zum Feind gemacht hat und der das Mädchen Mayana sucht, eine handvoll Geistlicher und auch, an Bord geschmuggelt, Mayana und zwei der Schaustellerfreunde. Nach Wochen der strapaziösen Überfahrt gelangen sie nach Südamerika, wo sie sich auf den Weg nach Neu-Augsburg machen. Nicolaus und Mayana, die sich fast ineinander verliebt haben, machen sich auf den Weg, zumal Nicolaus inzwischen herausgefunden hat, dass die Zeichnungen auf Mayanas Rücken eine Art Landkarte sind. Doch die Aussicht nach Gold verändert Menschen, und die Suche danach wird zu einer Qual für alle Beteiligten.
Die Gier nach Reichtum und Macht
Gold! Die Aussicht nach dem glänzenden Edelmetall hat schon so manchen Sinn verwirrt und die Gier nach Reichtum und Macht erweckt. Peter Dempf weiß dies in seinem Roman Der Traum von Eldorado zu beschreiben und entwirft ein stimmiges Bild des Aufbruchs im frühen 16. Jahrhundert. Die Entdeckung Amerikas liegt noch nicht weit zurück, und doch hat der Fund von Gold bereits in der Alten Welt Begierden hervorgerufen. Die schöne Indiofrau Mayana mit ihrer seltsamen Tätowierung ist ein Zeugnis der neuen Welt in der alten Welt. Zwar spricht sie ein paar Brocken deutsch und kann sich leidlich verständlich machen, dennoch ist sie ein Fremdkörper in dieser Welt.
Dempf erzählt seine Geschichte immer aus verschiedenen Blickwinkeln. Zum einen ist dies der Blickwinkel Nicolaus Federmanns, der zu Beginn sympathisch ist und den man als Leser auf seine Reise von Ulm über Augsburg und Sevilla in die neue Welt begleitet. Zum anderen ist dies Mayana, deren besonderer Blickwinkel als Indiofrau in unserer sogenannten Zivilisation den einen und anderen Spiegel vorhält, was aber Federmann nicht versteht und nicht mitbekommt. Zwar werden immer wieder andere Blickwinkel eingestreut wie die Almavivas, doch bleiben Federmann und Mayana die Hauptpersonen, die so auch gut charakterisiert werden.
Auf der Suche nach dem wahren Gold des Dschungels
Der Roman ist in drei schlüssige Teile eingeteilt, die jeweils ungefähr ein Drittel der gut 620 Seiten ausmachen. Der erste Teil spielt noch in der "alten Welt", wo sich die Grundgeschichte entwickelt und die Personen vorgestellt werden und die jeweiligen Konstellationen aufgebaut werden, um die sich die Geschichte dreht. Der zweite Teil ist die strapaziöse Überfahrt, und der letzte Teil ist der Weg durch den Dschungel Richtung Neu-Augsburg und schließlich weiter in Richtung der vermeintlichen Goldstadt. Dempf versteht es, aus allen drei Teilen erzählerisch einiges herauszuholen. So wird bei der Überfahrt nichts beschönigt, die Gebräuche an Bord, die rauen Sitten, werden gut dargestellt und lassen die Leser froh sein, dort nicht mit an Bord gewesen zu sein.
Gerade aber der Weg durch den Dschungel zeigt, wie sehr die Aussicht nach Gold den Menschen doch verändert. Hier zeigt sich das wahre Gesicht Federmanns, der nicht versteht, was Mayana versucht, ihm über das Gold zu erzählen. Er sieht sich als Herr über die Indios und lässt sie das auch jederzeit spüren. Natürlich glaubt er sich als Vertreter der Krone und der Besitzer des Landes im Recht, versteht jedoch nie, worum es im Dschungel eigentlich geht. Mühselig geht es voran, und hier bleibt auch des Autors Einfallsreichtum ein wenig mit auf der Strecke. Immer wieder zieht der Troß von Pueblo zu Pueblo, brennt die Häuser nieder, nimmt sich deren Nahrung, aber dies wird auch reichlich oft beschrieben, was zwar die Grausamkeit verdeutlich, den Leser jedoch auch mit der Zeit zu ermüden droht.
Ungenutzte Möglichkeiten
Es gibt auch einige Nebenpersonen, die aufwändig eingeführt wurden, später aber nur noch wenig erwähnt wurden, die bestimmt besser in die Handlung hätten eingebunden werden können. Manche Personen sterben unterwegs, und man wird das Gefühl nicht los, dass sie der weiteren Handlung eher im Weg waren, so dass man sich fragt, warum es sie überhaupt gegeben hat. Auch der Schausteller-Zwerg Narses bleibt deutlich hinter seinen Möglichkeiten, hätte man hier doch mit seiner Kleinwüchsigkeit und der der Eingeborenen spielen können. Hier lässt der Autor einige Möglichkeiten ungenutzt und nutzt andere nicht vorhandene, die leider dem Leser bald auffallen.
So geht es gerade im letzten Drittel leider oft nicht richtig voran, weder im Dschungel selbst, noch in der Erzählung, und erst gegen Ende, wenn sie auf das Lager des gesuchten Priesters Ulate treffen und Federmann immer noch nicht begreift, worum es eigentlich geht, nimmt die Geschichte wieder etwas an Fahrt auf. Dass Federmann immer unsympathischer wird und nur von der Gier nach Gold getrieben wird, nicht aber die Kultur der Einwohner erkennt oder gar anerkennt sondern sich und somit dem Gold alles untertan macht, ist die Konsequenz daraus, dass, je näher er seinem vermeintlichen Ziel kommt, er sich immer weiter von seiner eigenen Persönlichkeit entfernt.
Eindrückliche, aber auch langatmige Teile
Die Gefahr für den Leser, sich von seiner Hauptfigur distanzieren zu wollen, ist groß, und das kann auch als Makel für den Roman betrachtet werden. Dempf erzählt zwar eindrücklich, manchmal aber auch etwas langatmig und "zu viel" und droht, nicht vorwärts zu kommen. An manchen Stellen bewegt er sich derart auf der Stelle, dass man sich wundert, dass er nicht vollends den Spannungsfaden verliert. Hier wären einige Kürzungen bestimmt hilfreich gewesen.
So bleibt ein Roman, der vom Stil her flüssig ist und gerade zu Beginn durchaus spannend ist und zu fesseln weiß, nach hinten raus aber auch für den Leser einiges Durchhaltevermögen verlangt. Er verlangt dem Leser einiges ab, und jeder Leser mag selbst entscheiden, wie er diese Reise für sich übersteht. Warum auf dem Cover eine junge europäische Frau abgebildet ist und keine Indiofrau, vermag wohl einzig der Verlag zu beantworten, denn eine derart abgebildete Frau gibt es in dem Roman nicht. Die sonstige äußere Gestaltung des Romans hingegen ist ansprechend, wenngleich hilfreiche Karten oder ein Nachwort des Autors über die tatsächliche Zeit und die Suche nach Eldorado fehlen. Das ist schade, hätte es doch eventuell den leicht betrübten Eindruck über den Roman relativieren können.
Peter Dempf, Lübbe
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