Wintergeister

  • Droemer-Knaur
  • Erschienen: Januar 2010
  • 2
  • Droemer-Knaur, 2009, Titel: 'The Winter Ghosts', Originalausgabe
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Rita Dell'Agnese
731001

Histo-Couch Rezension vonNov 2010

Eine mystische Geschichte über Verlust, Trauer und Vergessen werden

Kurzgefasst:

1933 reist der junge Frederick Watson ins französische Toulouse. Dort sucht er einen Antiquar auf, der die alte Sprache des Südens beherrscht: Okzitanisch. Denn in Fredericks Besitz befindet sich ein alter, geradezu antiker Brief, der in Okzitanisch verfasst ist. Seit fünf Jahren trägt Frederick diesen Brief mit sich herum, seit er in einem kleinen Dorf die geheimnisvolle Fabrissa kennengelernt hatte. Vom ersten Augenblick an schien zwischen ihnen etwas Besonderes zu sein doch dann war sie plötzlich verschwunden. Niemand konnte sich an Fabrissa erinnern, und bei der Suche nach ihr war Frederick nur auf diesen uralten Brief gestoßen, der eindeutig für ihn bestimmt war...

 

Es ist ein seltsames Dorf, in das es den jungen Frederick Watson, genannt Freddie, 1933 verschlägt. Denn über dem Dorf Nulle liegt ein Schleier voller Traurigkeit und Bedrückung. Dazu kommt das Fest in alten Kostümen, das gefeiert wird - und das trotz allem nicht so ausgelassen ist, wie ein Fest sein sollte. Freddie lernt an diesem Fest die ätherische Schönheit Fabrissa kennen. Sie ist es auch, die ihm die Augen für Dinge öffnet, die nicht einfach zu sehen sind. Und sie hilft dem jungen, verzweifelten Engländer, einen Schritt auf sich selber zuzugehen. Denn Freddie leidet seit vielen Jahren unter dem tragischen Verschwinden seines Bruders George, der im Ersten Weltkrieg gefallen ist.

Gefühle ansprechen

Freddie kann erst über seine Gefühle reden, als Fabrissa in ihm eine Schleuse öffnet. Sehr subtil stellt Autorin Kate Mosse die Situation dar, in der der damals 15-Jährige erfahren musste, dass sein von ihm verehrter Bruder George nicht mehr aus dem Krieg zurück kommen wird. Mit viel Empathie baut die Autorin das zwischenmenschliche Gefüge in Freddies Familie auf und zeigt auch die Unfähigkeit der ganzen Familie auf, den Verlust zu verarbeiten. Dabei verschärft Mosse die Situation noch durch den Umstand, dass Georges Leiche nicht mehr gefunden werden kann. Denn der junge Engländer scheint durch eine Bombe getötet worden zu sein, die mehrere Soldaten in Stücke gerissen hat. Gerade dieser Umstand ist es aber, der in dem pubertierenden Jungen die Hoffnung keimen lässt, es handle sich alles nur um einen tragischen Unfall und George werde - vielleicht verwundet, aber noch lebend - gefunden. Getrieben von seiner eigenen Fassungslosigkeit lebt Freddie fortan ein unruhiges Leben.

Zu viel Mystik

Die Geschichte über Verlust und Trauer ist der Autorin Kate Mosse ausgezeichnet gelungen. Deshalb ist es bedauerlich, dass sie diese hervorragende Grundlage durch eine eher laue Mystik teilweise zerstört. Die Vorgänge im Dorf Nulle werden mühelos als eine Art Fiktion erkannt, die von Geisterwesen bevölkert ist. Allerdings ist dieser Teil eher plump und ambitionslos geschrieben, so dass man geneigt ist, das Buch mit einem "Na ja" beiseite zu legen. Besonders die ätherische Fabrissa ist weder geheimnisvoll noch von einem besonderen Geist durchdrungen. Sie ist das, als was sie beschrieben ist: Ein farbloses, kaum mehr stoffliches Wesen, dessen Anwesenheit bald mehr erahnt werden muss, denn erkannt werden kann. Doch statt Interesse zu wecken, bleibt Fabrissa die ganze Zeit hinweg uninteressant und oberflächlich.

Bunter Mix

Gewöhnungsbedürftig ist der Erzählstil. Hier wäre zu wünschen gewesen, die Autorin hätte sich auf eine klare Perspektive festlegen können. Das teilweise als Erlebnis erzählte, dann wieder aus Distanz geschilderte Geschehen wirkt durch den unnötigen Perspektivenwechsel schwammig und unklar. Hier wurde durch ein falsch eingesetztes Stilelement zu viel verloren, um von der feinfühligen Ebene des Buches aufgefangen werden zu können. Dies trübt den Gesamteindruck leider doch ganz klar und lässt den Roman im Mittelmaß versinken.

Gelungen sind jedoch Titel und Aufmachung des Buches, hier entsteht der Eindruck, dass man sich von Seiten des Verlags um einen stimmigen und attraktiven Auftritt bemüht hat. Sehr angenehm ist auch die Anmerkung zum Schluss, die einen leider allzu kurzen Einblick in die Welt der Katharer gewährt und greifbar macht, was im Roman selber untergegangen ist.

Alles in Allem ist dieses Buch leider ein Beispiel dafür, wie ein hervorragend gelöster und nach allen Regeln der Kunst erarbeiteter Plot durch falsch eingesetzte Stilelemente und eine fragwürdige Figurenzeichnung zunichte gemacht wird. Empfehlenswert ist das Buch für all jene, die bereit sind, sich auf die eigentliche Aussage über Gefühle wie Trauer, Angst und Hoffnung einzulassen und die weniger geglückten Elemente auszublenden. Sie werden Kratzer in der Tiefe ein feines Psychogramm des jungen Freddie entdecken.

 

Wintergeister

Kate Mosse, Droemer-Knaur

Wintergeister

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