Das Spiel der Gauklerin
- Piper
- Erschienen: Januar 2010
- 1
- Piper, 2010, Titel: 'Das Spiel der Gauklerin', Originalausgabe
Von Vorurteilen und Mordfällen
Kurzgefasst:
Leipzig, 1573. Auf dem Neujahrsmarkt erregt ein »Wundermann« Neugier und Abscheu der Bürger: Jacobus, zwergwüchsig und Schausteller eines Raritätenkabinetts, einer sogenannten »Wunderkammer«. Eine Bande von Gassenkindern treibt ihren Spott mit dem gutmütigen Zwerg, bis er die Geduld verliert und die Kinder bedroht. Als tags darauf zwei kleine Jungen verschwinden, beschuldigt man Jacobus und sperrt ihn in den Kerker. Allein Pauline hält zu Jacobus und stürzt sich in gefährliches Abenteuer, um die Unschuld ihre Freundes zu beweisen...
Eigentlich hatte die Spielfrau Pauline Schwan darauf gehofft, in Leipzig einen Platz zum Überwintern zu finden. Deshalb reiste sie zur Neujahrsmesse in die Stadt. Was sich zunächst so gut anließ, erwies sich dann aber als gefährliche Mission. Denn nicht nur, dass ihr, der Fahrenden, eine Anstellung verwehrt bleibt, Pauline muss sich auch gegen Verdächtigungen wehren, als zwei junge Frauen ermordet und zwei Kinder entführt werden. Denn die Spielfrau hatte mit allen Opfern Kontakt - wie auch mit dem fahrenden Händler Jacobus, einem Zwerg, der als Entführer der Kinder verhaftet wird. Pauline glaubt nicht an Jacobus´ Schuld und unternimmt alles, um die Kinder zu finden.
Mit Überraschungen gespickt
Zunächst muss sich Das Spiel der Gauklerin gegen den Verdacht durchsetzen, einem netten, aber sattsam bekannten roten Faden zu folgen. Zwar sprechen die Grundelemente zunächst für diese Theorie: Die Spielfrau Pauline Schwan, die nicht nur hervorragend musizieren kann, sondern auch clever ist, der fahrende Händler Jacobus, der es offenbar faustdick hinter den Ohren hat, eine Stadt, in der das Leben brodelt und ein paar Verbrechen, die aufgeklärt werden müssen. Schnell wird man aber feststellen, dass Sabrina Capitani etliche verschlungene Wendungen eingebaut hat und es schafft, die Leser immer wieder mit unerwarteten Winkelzügen zu überraschen. Pauline Schwan entpuppt sich als weniger übernatürlich denn als handfeste Spielfrau und vermag mit ihren kleinen Eigenheiten zu punkten. Die Straßenkinder, die die Spielfrau für sich einzunehmen vermag, wachsen über sich hinaus und bleiben doch, was sie sind: freche und vor allem schlaue kleine Burschen, die schon früh lernen mussten, sich durchzuschlagen. Und auch die anderen Protagonisten haben so einiges auf Lager.
Witzige sprachliche Einschübe
Besonders gelungen ist Sabrina Capitani der Umgang mit dem von den Straßenkindern gesprochenen Rotwelsch. Was für die meisten wohl unverständliches Kauderwelsch wäre, lässt sie zwar aus dem Mund der Kinder strömen, löst es aber sogleich wieder auf, ohne dass die "Übersetzung" sich irgendwie störend bemerkbar machen würde. Durch dieses feine ineinander weben von Rotwelsch und Übersetzung lässt die Autorin ein stimmiges Bild entstehen und grenzt die Kinder sprachlich von der bürgerlicheren Gesellschaft ab, was die Stellung der Straßenkinder umso glaubwürdiger macht. Abgesehen davon ist die Unterhaltung mit rotwelschen Ausdrücken durchaus witzig.
Raffinierter Plot
Zunächst scheint es, als würde die Autorin verschiedene, von einander losgelöste Geschichten erzählen, die zu einem Gesamtbild zusammengestellt sind, aber jede für sich einen eigenen Hintergrund aufweist. Nach und nach zeigt sich aber, dass mehr hinter der Sache stecken muss und auch, dass es da und dort einen Zusammenhang geben könnte. Pauline Schwan, die der Wahrheit zunächst unbewusst sehr nahe kommt, gerät unvermittelt selber in Gefahr. Und damit wächst die Spannung im Buch noch einmal an - nachdem der Spannungsbogen schon von den ersten Zeilen an nicht spürbar nachgelassen hat.
Sehr schön geht Sabrina Capitani mit ernsten Themen im Hintergrund um. So zeigt sie das Bild einer Gesellschaft, die nur zu gerne bereit ist, Vorurteilen nachzuhängen und mit dem Finger auf andersartige zu zeigen. Etwas, das es nicht nur an der Neujahrsmesse in Leipzig im Jahr 1573/74 gegeben hat, sondern das auch heute noch aktuell ist. Sie hebt aber auch das Tuch über Lebensumstände, die im 16. Jahrhundert wohl typisch waren, aber bis heute nichts von ihrer tragischen Aktualität verloren haben.
Ein Lob gebührt auch der schönen Aufmachung des Taschenbuches. Erklärungen zum historischen Hintergrund und auch zur Gaunersprache Rotwelsch, ein Glossar und eine historische Karte runden den Gesamteindruck ab. Schade ist nur, dass der Verlag ausgerechnet eine sehr offenherzige Frau mit gelbem Kleid auf das Cover setzte, zumal die Autorin ihre Protagonistin Pauline gezielt alles vermeiden ließ, das sie als leichtes Mädchen ausweisen würde.
Das Spiel der Gauklerin ist ein witziges, spannendes Buch, das durchaus zum Nachdenken anregen kann und zudem gute Unterhaltung bietet. Es kommt ohne "Überhelden" aus, besticht aber mit liebenswerten Charakteren, von denen man gerne weitere Geschichten lesen würde.
Sabrina Capitani, Piper
Deine Meinung zu »Das Spiel der Gauklerin«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!