Ein Mord von bessrer Qualität (Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross 3)
- Lübbe
- Erschienen: Januar 2010
- 2
- Lübbe, 2010, Titel: 'A Better Quality of Murder', Originalausgabe
Verbrechen en gros
Kurzgefasst:
Oktober 1867. Wie ein Leichentuch legt sich der Nebel über die Stadt. In solchen Nächten, heißt es, geht es um, das Flussphantom. Und tatsächlich: Am nächsten Morgen findet man im Green Park eine Tote: Allegra Benedict, die bildschöne Frau eines renommierten Kunsthändlers. Was sie an diesem Tag in London gemacht und warum sie sich nur wenige Stunden vor ihrem Tod von ihrer Begleiterin heimlich getrennt hat, bleibt erst einmal ein Rätsel. Inspector Benjamin Ross vom Scotland Yard wird auf den Fall angesetzt. Die Zeit drängt, denn möglicherweise ist Allegra nicht die letzte Tote...
Ein Mord von bessrer Qualität ist der dritte Roman der englischen Bestsellerautorin Ann Granger aus der Serie um Lizzie Martin und Benjamin Ross.
London, November 1867: Im Green Park wird die Leiche der Italienerin Allegra Benedict aufgefunden. Die bildschöne Frau des Galeristen Benedict aus Egham in der Grafschaft Surrey wurde mit einer geknoteten Schnur erdrosselt. Da Geldbörse und Pompadour fehlen, könnte es ein simpler Raubüberfall gewesen sein. Doch vielleicht ist sie auch dem mysteriösen Flussphantom zum Opfer gefallen, das bereits mehrere Prostituierte mit bloßen Händen gewürgt hat und sie in dem dichten Londoner Nebel verwechselt haben könnte. Inspector Benjamin Ross von Scotland Yard ermittelt, dass Allegra mit ihrer Gesellschafterin Isabella Marchwood nach London gefahren war. Isabella gibt an, Allegra im Nebel verloren zu haben. Doch die Frau lügt, stellt Ross bald fest. Allegra hatte eine heimlich Verabredung im Green Park und Isabella wusste davon.
Während Ross ermittelt, beginnt seine Frau Lizzie mit dem Dienstmädchen Bessie eigene Nachforschungen anzustellen, um mehr über Allegras Privatleben zu erfahren, denn zufällig besucht Bessie jeden Sonntag die gleiche Betstunde wie Isabella, eine ideale Möglichkeit, um sie auszuhorchen. Doch der charismatische Reverend Joshua Fawcett schirmt Isabella ab, und wenig später ist sie tot, auf die gleiche Weise ermordet wie Allegra.
Eine Prostituierte verschwindet, der ehemalige Butler der Benedicts ist unauffindbar, ein Pferdezüchter aus Newmarket wird erpresst und die Polizei von Manchester sucht nach einem Betrüger. Lizzie und Benjamin Ross müssen sich durch ein Knäuel von Verbrechen und falschen Fährten wühlen und können dabei niemandem trauen.
Lizzie und Benjamin
Die Hauptfiguren und Ich-Erzähler, Lizzie Martin und Benjamin Ross, sind ein Ehepaar, das mit dem fünfzehnjährigen Dienstmädchen Bessie in einem kleinen Reihenhaus unweit der Waterloo Station lebt. Ross, der als Kohlenjunge in seiner Heimat Derbyshire begann, ist seit fünfzehn Jahren bei der zivilen Abteilung von Scotland Yard und bis zum Inspector aufgestiegen. Lizzie war vor der Heirat bei ihrer Tante Parry am Dorset Square als Gesellschafterin angestellt. Als Tochter eines Arztes und Polizeiarztes aus einer kleinen Gemeinde kennt sie das Verbrechen, die Vorgehensweisen von Betrügern, und weiß, dass eine saubere Fassade nur eine saubere Fassade ist und nichts über das, was dahinter liegt, verrät. Wechselweise erzählen Lizzie und Benjamin die Geschichte aus ihrer Sicht, durch die wechselnde Perspektive erhält der Leser aus zwei verschiedenen Winkeln Einblick in die Hintergründe des Geschehens, erfährt zwei ganz unterschiedliche Ermittlungsweisen, deren Ergebnisse sich letztlich zur vollständigen Aufklärung des Geheimnisses zusammenfügen. Lizzie und Ben sind sympathische Menschen, die die Konventionalität der bürgerlichen Mittelschicht mit unvoreingenommener Menschlichkeit und praktischer Vernunft verbinden und als Zugezogene eine kritische Distanz zum Moloch London haben.
Eine Geschichte über den Londoner Nebel
So könnte der Untertitel lauten, denn ein weiterer Hauptdarsteller ist der Nebel, der sich wie ein dichtes graues Leichentuch über die Stadt legt, mit seinem Gestank nach verbrannter Kohle, Schwefel und dem wässrigen Miasma der Themse das Atmen schwer macht, die Sicht raubt und den Verkehr zum Erliegen bringt. Kutscher müssen mit vorgehaltener Laterne ihre Pferde am Zügel führen, Menschen sich den Weg ertasten. Man sieht sprichwörtlich die Hand vor Augen nicht, eine ideale Bedingung, um sich wie das Flussphantom zu verbergen und unentdeckt seinen düsteren Geschäften nachzugehen. Das wohl berühmteste meteorologische Phänomen darf in keinem mystery crime fehlen. Arthur Conan Doyle erwähnt es in seinen Sherlock-Holmes-Geschichten, Robert Louis Stevenson in Dr. Jeykll und Mr. Hyde, Charles Dickens in Bleakhaus.
Eine Reise durch die Londoner Gesellschaft
Die Suche nach dem Mörder führt Benjamin Ross in die Salons des gehobenen Bürgertums, zur wohlhabenden Majorswitwe in der Villa in Clapham, zum Galeriebesitzer nahe dem Dorf Egham, auf den Gutshof eines Offiziers und Pferdezüchters im ländlichen Newmarket, zum italienischen Juwelier in der edlen Burlington Arcade und in die halbseidene Welt der Prostituierten und Zuhälter in Southwark südlich der Themse. Im kontrastreichen Wechsel zwischen den Klassen werden die spezifischen Gepflogenheiten, sozialen Spielregeln und geistigen Einstellungen bloßgelegt, Klassenbewusstsein, Standesdünkel und Ehrenkodex, Tugenden und Laster. Trunksucht und Prostitution sind ein viktorianisches Übel, Heuchelei und Rezidivismus ein anderes und diese psychische Großwetterlage bietet die ideale Grundlage für Geschichten über neurotische oder psychotische Persönlichkeiten, gespaltene Charaktere wie Oscar Wildes Dorian Gray und Stevensons Dr. Jekyll oder Ann Grangers Täter.
Traditionsbewusst
Ann Granger zieht den Leser von der ersten Seite an in die Geschichte hinein, nicht weil sie eine neue Geschichte erzählen würde oder ihre Erzählweise gegen traditionelle Regeln verstoßen würde - das gewiss nicht -, sondern weil ihre Figuren trotz einiger Klischees Tiefe haben und als Menschen interessieren.
Die Geschichte ist spannend und in gutem Tempo erzählt, diverse Personen werden als Verdächtige aufgebaut, verschiedene Handlungsstränge miteinander verwoben. Granger bindet den Leser stets mit ein, gibt ihm immer genug Informationen, um selbst Überlegungen zur Täterschaft anzustellen, lenkt ihn auf bestimmte Fragen, auf die sie gleich darauf eingeht, als würde sie in einen Dialog mit dem Leser treten. Der Mord an Allegra bleibt lange im Dunkeln, am Ende wird jede Frage beantwortet, aber ein Happy End sieht anders aus.
Fazit
Ein spannender, detailfreudiger Rätselkrimi vor viktorianischer Kulisse mit einem Hauch gotischem Schauer. Ann Granger gehört zu den "großen alten Damen" des britischen Kriminalromans, ihr Ein Mord von bessrer Qualität ist sehr frisch und lebendig und kein bisschen angestaubt.
Ann Granger, Lübbe
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