Der Schiffsjunge
- Fischer
- Erschienen: Januar 2011
- 4
- Fischer, 2008, Titel: 'Mutiny on the Bounty', Originalausgabe
Die Meuterei auf der Bounty aus gänzlich neuer Perspektive
Kurzgefasst:
Meuterei auf der Bounty? Ein Kapitän quält seine Mannschaft, bis sie meutert. Aus der Perspektive von John Jacob Turnstile, gerade mal 14, erfährt der Leser, was sich wirklich zugetragen hat. Kapitän Bligh ist kein Tyrann, sondern wird so etwas wie ein Vatererssatz für den elternlosen Jungen. Dann kommt es zur Meuterei: auf wessen Seite wird sich Turnstile schlagen?
John Jacob Turnstile ist gerade mal 14 Jahre alt und schon ein gewiefter kleiner Gauner und Taschendieb. Er "arbeitet" für den verschlagenen, sadistischen und abgebrühten Mr. Lewis, der ihm und vielen seiner Leidensgenossen, die auch kein Zuhause haben, Unterkunft bietet und dafür die Hand aufhält. Eines Tages jedoch wird John erwischt, als er einen französischen Gentleman bestiehlt und muss für ein Jahr ins Gefängnis. Der Bestohlene jedoch hat Mitleid mit ihm und erwirkt beim Richter, dass er anstatt ins Gefängnis auf der Bounty als Schiffsjunge anheuern kann. Und so beginnt für den jungen John eine abenteuerliche Reise in die Südsee...
Schwere Kost leicht erzählt
Im Auftrag der Krone machte sich im Jahr 1787, am 23. Dezember, eines der wohl bekanntesten Schiffe auf den Weg in die Südsee: Die Bounty. Mit dem Schiffsjungen John Jacob Turnstile begibt sich der Leser mit auf die Reise und erlebt diese aus einem gänzlich neuen Blickwinkel.
Mit leichter Sprache, einem 14jährigen gebührend, erzählt Turnstile selbst dem Leser seine Geschichte, seine Erlebnisse und wie er die Meuterei auf der Bounty gesehen hat. Bis zum Beginn der Meuterei begleitet man Turnstile bei seiner Arbeit als Schiffsjunge, lernt mit ihm die Mannschaft und auch Turnstile selbst kennen, dem der Schalk im Nacken sitzt. Sehr einfühlsam und absolut seinem Protagonisten angepasst, erzählt Boyne die Geschehnisse auf dem Schiff, als wäre alles gerade vor kurzem passiert. Der Leser bekommt eine Ahnung, wie beschwerlich und auch eintönig die Tage auf See waren, wie froh die Männer über jede Kleinigkeit waren, die sie aus dem täglichen Einerlei herausrissen, wie schlimm es war, auf beengtem Raum mit anderen auszukommen und nie und nirgends einmal für sich ganz alleine sein zu können.
Aber nicht nur die Eintönigkeit wird empfindsam berichtet, denn man erlebt ebenso heftige Stürme mit wie auch das Auspeitschen eines Matrosen, der sich eines Vergehens schuldig gemacht hat. Obwohl Letzteres natürlich brutal abläuft, hat der Autor die Gratwanderung zwischen grausamer Offenheit und was er einem jugendlichen Leser zumuten kann, mit Bravour gemeistert.
Die Bounty ist bereits über ein Jahr von zu Hause weg, als es zu der folgenschweren Meuterei kommt. Genug Zeit, um die Besatzung kennen zu lernen und sich mit den Eigenheiten der einzelnen Männer vertraut zu machen. Der Autor lässt Turnstile, von den Männern Turnip, genannt, berichten, als wäre dieser wirklich dabei gewesen, hätte mit ihnen geschuftet, gegessen und das Deck geschrubbt. Durch die jugendliche Erzählweise, die Boyne hervorragend versteht, wirken Turnips Erlebnisse sehr authentisch und glaubhaft.
Bekannte Männer - neue Charaktere
Käpitän William Bligh, der bereits als Steuermann unter James Cook gedient hatte, und Mr. Fletcher Christian, 2. Offizier, aber auch der 1. Offizier John Fryer, sind die wohl bekanntesten Namen die man mit der Bounty in Verbindung bringt. Diese Männer bekommen ein gänzlich neues Gesicht und beim Lesen jeder Seite schwinden die durch die bekannte Verfilmung geprägten Charaktere und man beginnt, sich ein gänzlich anderes Bild nicht nur von den beiden Männern, sondern von den Geschehnissen selbst zu machen.
Man steht quasi neben Turnip und fungiert als stiller Beobachter. Für Turnip ist der Kapitän nicht der brutale und unmenschliche Despot, wie er in den Filmen gerne dargestellt wurde, sondern wird von ihm zwar als strenge, aber beinah väterliche Autoritätsperson empfunden.
Eindrucksvoll werden auch die Tage geschildert, für die Kapitän Bligh heute noch berühmt ist, das Navigieren des Beibootes, in dem er und seine loyalen Männer ausgesetzt wurden, nach Kupang. Die 48 Tage, die natürlich auch Turnip miterlebt, sind der eigentliche Höhepunkt der Geschichte und dem Autor ist es gelungen, diese packend und spannend zu schildern, obwohl man den Ausgang dieses Martyriums natürlich kennt. Das Buch endet aber nicht einfach mit der Gerichtsverhandlung Blighs und der Verurteilung der Meuterer, sondern befasst sich noch weiter mit John Turnstiles Leben.
Das I-Tüpfelchen zu der schon guten Erzählung sind die beiden Karten, die am Anfang des Buches zu finden sind. Einmal zeigt diese die Route der Bounty und auf der zweiten Karte kann man die Fahrt des ausgesetzten Beibootes nachverfolgen.
Eine Geschichte, die nicht nur Jugendliche in ihren Bann ziehen wird, denn ohne Weiteres ist dieses Buch auch für Erwachsene zu empfehlen, die die Meuterei auf dem berühmten Schiff auch aus einem anderen Blickwinkel erleben möchten.
John Boyne, Fischer
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