Die Tochter der Konkubine
- Goldmann
- Erschienen: Januar 2010
- 1
- Goldmann, 2008, Titel: 'The Red Lotus', Originalausgabe
Die Erotik der Lotusfüsse
Kurzgefasst:
Südchina im Jahr 1906: Der kleinen Li-Xia scheint das gleiche Schicksal wie ihrer Mutter vorherbestimmt zu sein, als ihr greiser Vater veranlasst, ihre Füße zu binden. Wie ihre Mutter Pai- Ling soll auch Li-Xia zur Konkubine werden - schön, aber durch ihre Lotusfüße ans Haus gefesselt. Doch Li-Xia wehrt sich und entkommt ihrem Schicksal. Es gelingt ihr, sich ihren größten Traum zu erfüllen, und sie lernt Lesen und Schreiben. Doch erst ihre Tochter Siu-Sing wird erfahren, was wahre Freiheit und wahres Glück bedeuten.
Selbstbestimmung? Davon kann Li-Xia nur träumen. Das Mädchen, in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts geboren, ist für seinen greisen Vater ein stetiger Quell für Ärger und Ablehnung. Denn Li-Xia hätte das Schicksal einiger Halbschwestern teilen und gleich nach der Geburt sterben sollen. Ein vorbei huschender Fuchs brachte den abergläubischen Vater von seinem Vorhaben ab. Das Mädchen entwickelt einen starken Willen und kann dadurch verhindern, dass sie das gleiche Schicksal ereilt wie ihre Mutter, als schöne Konkubine mit Lotusfüssen dem Willen eines Mannes ausgeliefert zu sein. Immer wieder öffnen sich für Li-Xia Türen, doch leidet sie gleichzeitig unter der Missgunst und dem Hass einer verschworenen Schwesternschaft. Erst Li-Xias Tochter Siu-Sing gelingt es, wovon ihre Mutter immer geträumt hat: Ein Leben in Freiheit zu führen.
Starke Bilder, intensive Momente
Die Tochter der Konkubine ist ein starker Roman über die Selbstbestimmung der Frau in China. Geschrieben von einem Mann, erzählt der Roman die Geschichte eines Mädchens, das sich über die ihr zugedachte Rolle erhebt und sich damit gegen die gesellschaftlichen Normen stemmt. Pai Kit Fai hat es verstanden, sich tief in die Seele der intelligenten und unerschrockenen Li-Xia hinein zu versetzen. Schlüssig erklärt er, wie sich das Mädchen ihren unabhängigen Geist bewahren konnte, allen Widerständen und Unterdrückungen auf dem elterlichen Hof zum Trotz. Der Autor bedient sich dabei äußerst starker Bilder und schafft auf diese Weise intensive Momente, die beim Lesen inne halten lassen, um den Moment, das Bild noch für eine Weile festzuhalten und auf sich wirken zu lassen. Dies gelingt Pai Kit Fai wohl auch deshalb so gut, weil er Li-Xia nicht zu einer Überheldin hochstilisiert, sondern durch den Verlauf der Handlung erklärt, weshalb das Mädchen - und später die junge Frau - genau diesen Weg eingeschlagen hat.
Liebe zum Detail
Li-Xia und später ihre Tochter Siu-Sing stehen klar im Zentrum des Romans. Doch sind sie trotz allem nur ein Teil des ganzen Bildes, das der Leser in Händen hält. Mit viel Liebe zum Detail schildert Pai Kit Fai die Hintergründe der Kultur, in der sich die Protagonisten bewegen. Einer sich stetig verändernden Kultur, die dennoch stark auf Traditionen fusst und die von erbarmungslosem Machtstreben und ohne Rücksicht verfolgten Eigeninteressen einiger mächtiger Frauen und Männer geprägt ist. Spezielles Augenmerk widmet Pai Kit Fai dem Thema "Lotusfüsse", erklärt, weshalb es zur gezielten Verkrüppelung der Mädchen kommt und welche erotisierende Wirkung dies auf einen Teil der Männer ausübt. Dass es dennoch weder zum Dozieren noch zu einer Anklage mit gehässiger Note kommt, ist dem feinen Gespür des Autors zu verdanken. Mit offensichtlicher - aber keineswegs verklärender - Liebe zur beschriebenen Kultur fördert er sowohl die Höhen als auch die tiefen Abgründe der chinesischen Gesellschaft des 20. Jahrhunderts zutage und formt daraus ein dramatisches, berührendes und stellenweise verstörendes Werk.
Gepflegte Sprache
Der Autor bedient sich einer gepflegten Sprache und es ist der Übersetzerin Heidi Lichtblau hoch anzurechnen, dass sie den feinsinnigen Ton der englischen Originalausgabe so gut eingefangen und ins Deutsche übertragen hat. So bietet Die Tochter der Konkubine ein Höchstmaß an Lesegenuss, was auch darüber hinwegtröstet, dass sich Pai Kit Fai aufgrund seiner Detailverliebtheit da und dort etwas in Längen verliert und die Geschichte dadurch leicht an Tempo einbüßt. Sie bleibt trotz allem, was sie von der ersten Zeile an ist: Ein Ausflug in eine andere Welt, der gefangen nimmt und nachdenklich stimmt.
Pai Kit Fai, Goldmann
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