Wer trauert um Apoll
- Lübbe
- Erschienen: Januar 2011
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- Lübbe, 2009, Titel: 'Cast Not the Day', Originalausgabe
Der Vormarsch des Christentums
Kurzgefasst:
Drusus ist vierzehn, als sein Vater unter dem neuen Kaiser Constans einer Intrige zum Opfer fällt. Religiöse Fanatiker reißen den Familienbesitz an sich. Sein geliebter Lehrer stirbt. Drusus steht vor dem Nichts. Zudem ist er ein Anhänger der alten römischen Religion, während überall das Christentum auf dem Vormarsch ist. Mitten in bürgerkriegsähnlichen Unruhen muss Drusus sich entscheiden, wem er vertrauen kann, wen er lieben darf und gegen wen er kämpfen muss.
Das Römische Reich um 350 nach Christus: Der vierzehnjährige Drusus ist zwar ein Einzelgänger ohne gleichaltrige Freunde, lebt aber dennoch recht glücklich. Seine Mutter starb bei seiner Geburt, sein Vater ist als Stellvertreter des Kaisers in Britannien ein vielbeschäftigter Mann. Sein Hauslehrer Sericus ist sein einziger Gefährte, mit dem er sich aber umso besser versteht.
Das glückliche Leben des Jungen ändert sich schlagartig, als Constantin als neuer Kaiser an die Macht kommt. Drusus' Vater fällt einer Intrige zum Opfer und wird abgeführt. Da er um seinen baldigen Tod weiß, trifft er Vorsorge und schickt seinen Sohn mit dem Hauslehrer zu Drusus' Großonkel Lucius Balbus nach London. Onkel Balbus empfängt Drusus zwar freundlich, doch seine junge Frau Lucretia und der Sohn Albinus bringen dem Jungen nur Verachtung entgegen. Schwierig ist für Drusus zudem, dass seine neue Familie dem Christentum angehört, während er selbst noch den römischen Glauben vertritt.
Drusus' einziger Halt ist sein Hauslehrer Sericus, doch als der schließlich einer Krankheit erliegt, steht er allein da. Auftrieb gibt ihm jedoch bald darauf die Freundschaft mit dem gleichaltrigen Marcellus, Enkel des Comes Gratianus. Aus Freundschaft entwickelt sich Liebe, die aber in den bürgerkriegsähnlichen Aufständen auf die Probe gestellt wird ...
Antiker Bildungsroman
Nach seinem Debütroman Alles geben die Götter legt Paul Waters mit Wer trauert um Apoll zwar keinen Nachfolgeband vor, aber doch erneut einen Roman, der in der Antike spielt - und der einige Parallelen zu seinem Vorgänger aufweist. Abermals ist es ein zu Beginn des Buches Vierzehnjähriger, der im Mittelpunkt der Handlung steht. Wieder wird dieser Junge aus einem recht behüteten Leben von heute auf morgen entrissen, wieder fällt sein Vater einem Mord zum Opfer, wieder muss er zunächst zu ungeliebten Verwandten und wieder muss sich der Protagonist sowohl im Krieg bewähren als auch mit den Wirren der ersten (gleichgeschlechtlichen) Liebe auseinander setzen.
Die Handlung ist diesmal in der Spätantike Mitte des 4. Jahrhunderts nach Christus angesiedelt - eine turbulente Zeit des Umbruchs, in dem das Christentum sich langsam ausbreitete und mit dem alten Römerglauben kollidierte. Dieses Aufeinandertreffen zwischen den neuen Christen und den alten Anhängern der römischen Götter sorgt für erhebliche Unruhen bis hin zu einem Krieg zwischen Kaiser Constans und dem aufständischen Gegenkaiser Magnentius. Dem Autor geht es offensichtlich darum, zu zeigen, dass der Vormarsch und die Dominanz des Christentums nicht unausweichlich war und noch lange am alten Heidentum festgehalten wurde. Der politische Hintergrund bildet somit eine reizvolle Folie für die Handlung, wird manchmal allerdings ein wenig unübersichtlich und trocken erzählt. Die doch sehr wechselhaften Verhältnisse werden hier verkürzt wiedergegeben und wirken in dieser Raffung manchmal etwas hastig heruntererzählt. Nicht einfacher wird es durch die sehr ähnlichen Namen der Kaiserfamilie mit Constantin dem Großen und seinen Söhnen Constantin, Constantius und Constans.
Solide, aber ausbaufähfige Charakterzeichnung
Die Charaktere sind im Vergleich zu Paul Waters' Debütroman ein wenig ausgereifter und vielschichtiger. Drusus' Onkel Balbus ist im Grunde ein gütiger Mensch, der sich um den Jungen kümmert und auch zu seinen Arbeitern und Dienstboten freundlich ist. Zuhause allerdings überlässt er seiner Frau Lucretia das Sagen und scheut die Konfrontation mit ihr, obwohl er sieht, dass sie oft im Unrecht ist. Drusus' Vetter Albinus ist anfangs ein Ebenbild seiner Mutter, er teilt ihre grausamen Bemerkungen und nutzt jede Gelegenheit, um Drusus anzugreifen und lächerlich zu machen. Im weiteren Verlauf der Handlung aber distanziert er sich des Öfteren von seiner Mutter und gerät mit ihr heftig aneinander, dafür gibt er sich wiederum freundlicher gegenüber Drusus, was allerdings nicht von Dauer ist. Drusus selbst erscheint anfangs ein bisschen zu stoisch angesichts der harten Schicksalsschläge, die ihn ereilen, was sich im Laufe der Handlung ein wenig legt. Die Liebe zwischen ihm und Marcellus entwickelt sich nur sehr gemächlich aus einer Freundschaft heraus, wenngleich schon sehr früh Andeutungen zu erkennen sind, dass beide mehr füreinander empfinden. Im kompletten Roman verläuft ihre Beziehung sehr keusch, wer sich hier erotische Schilderungen erhofft, wird enttäuscht - ein wenig mehr als seltene, scheue Küsse hätte es dann aber vielleicht doch sein dürfen. Das Ende verläuft ein wenig hastig und überstürzt, die politischen Ereignisse überschlagen sich und ein bisschen mehr Raum zur Entfaltung hätte man ihnen gönnen können.
Unterm Strich legt der Autor hier erneut einen recht unterhaltsamen Roman aus der Antike vor, der das Heranwachsen eines vierzehnjährigen Jungen zu einem zwanzigjährigen Mann zeigt. Weder Handlung noch Charaktere sind so fesselnd, wie man es sich idealerweise für einen Historienroman wünscht, aber die Lektüre ist dennoch keine Zeitverschwendung und vermittelt interessante Einblicke in die turbulente Zeit der Christianisierung.
Paul Waters, Lübbe
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