Die Pforten der Ewigkeit
- Lübbe
- Erschienen: Januar 2011
- 7
- Lübbe, 2011, Titel: 'Die Pforten der Ewigkeit', Originalausgabe
Ein praller, ereignisreicher und äußerst clever erzählter Roman
Der Jahrtausendkaiser Friedrich II. von Hohenstaufen gibt am Sterbebett dem jungen Ritter Hertwig von Staleberc noch ein großes Geheimnis bekannt. Niemand weiß, um was es sich handelt und Rudolf von Habisburch (der sich schon als Nachfolger des Kaisers sah), der wie Hartwig im Sterbezimmer des Kaisers war, konnte die Ehre, die Hartwig zuteil wurde, miterleben, aber nichts von dem geflüsterten Geheimnis verstehen.
Im Nahen Osten kämpfen die Kreuzritter gegen die Heiden, und ausgerechnet in den Armen eines Ketzers stirbt ein junger Ritter und berichtet noch mühselig von einem ihm anvertrauten Geheimnis. Währenddessen versucht die junge Zisterzienserin Schwester Elsbeth in dem kleinen und abgeschiedenen Ort Wizinsten, das dort verlassene Benediktinerkloster als Zelle für sich und ihre Mitschwestern wieder aufzubauen.
Temporeiche und furiose Erzählung
Ein Rückblick: Einblicke in die Gedankenwelt Rudolfs von Habisburch; Kaiser Friedrich II. ist krank, aber er scheint auf dem Weg der Besserung; der Kaiser am Totenbett, nur umgeben von seinen engsten Vertrauten; ein geflüstertes Geheimnis.
Das ist der Auftakt zu einer - wie bei Richard Dübell üblich - fulminanten und lebendigen Geschichte, die ereignisreicher nicht sein könnte. Mehrere Erzählstränge, die vollkommen unabhängig voneinander und scheinbar auch ohne Berührungspunkte sind, fordern die Aufmerksamkeit des Lesers. Man wird förmlich hineingeworfen in das 13. Jahrhundert und muss schnellst möglich die Orientierung finden, um auf den äußerst flott vorbeifahrenden Zug der Erzählung aufspringen zu können.
Da ist die junge Zisterzienserin Elsbeth, die man begleitet, als sie von ihrem Stammkloster in Papinberc nach Wizinsten kommt, um dort mit anderen Schwestern ihren Traum von einer eigenen Zelle zu verwirklichen. In Wizinsten lebt die schöne Constantia, die vor der Vermählung mit Rudeger steht und dieser mit Bangen entgegensieht. Rudolf von Habisburch will nicht nur das Geheimnis des Jahrtausendkaisers lüften, sondern auch noch mit den ihm verhassten Trencavels, einer berühmten Katharerfamilie, abrechnen. Und dann ist da noch Rogers de Bezers, der um sein und das Leben seiner Familie fürchtet.
Was am Beginn verwirrend erscheint, fügt sich schnell in geordnete Bahnen, die man alle gespannt mit der jeweils zugeteilten Handlung verfolgen kann. Bis die einen oder anderen Erzählstränge sich kreuzen, hat man das Gefühl, eigenständige Bücher zu lesen, die eben zufällig in derselben Zeit spielen. Es ist auf jeden Fall ratsam, auch auf kleine Details zu achten, da sie später oft einen interessanten Rückschluss zulassen. Dübell geht nicht - wie so manch andere Autoren - davon aus, dass für Leser Begebenheiten, die schon 2 oder 3 Kapitel zuvor erklärt wurden, nochmals erwähnt werden müssen, damit dieser zu einer stringenten Lösung kommt. Diese Herausforderung bedarf aufmerksames Lesen, soll einem auch das kleinste Schlüsselerlebnis nicht entgehen.
Sprachlich muten die Aussagen mancher Figuren vielleicht etwas zu modern an, fügen sich aber in die dennoch zur Geschichte passende und zweitweise ebenso humorvolle Ausdrucksweise sehr gut ein, so dass das Gesamtpaket sehr harmonisch wirkt. Zweifelsfrei ist auch dieses Buch in dem für Dübell sehr typisch exzellenten Ausdrucks- und Schreibstil verfasst, welcher ein sehr flüssiges Lesen zulässt. Alle Passagen sind perfekt aufeinander abgestimmt und die an sich schon straffe Spannung wird durch gezielt gesetzte "Cliffhanger" am Ende mancher Kapitel noch gesteigert. So hält sich das rasante Erzähltempo von Anfang bis zum Schluss des Buches.
Von grotesk, intrigant, mitfühlend bis edelmütig - sämtliche Charaktere vertreten
In Dübells Bücher hat immer ein ganzer Kosmos an Figuren einen Auftritt. Das am Anfang des Buches angeführte Personenregister erweist sich oft als sehr hilfreich, wenn die eine oder andere Figur nach längerer Pause wieder einen Auftritt hat. Grundsätzlich sind alle Figuren explizit ausgeleuchtet und stehen auch ohne ausschweifende Beschreibungen plastisch vor dem Leser. Der Autor verfügt über die seltene Gabe, einen Darsteller (und hat er einen noch so kleinen Auftritt) mit wenigen Worten lebensnah und authentisch zu schaffen. Es gibt kaum einen menschlichen Charakter, dem der Autor keinen Raum in seiner Erzählung gibt
Oberfläch ist allen Protagonisten ein Erscheinungsbild zugedacht, wie wir es selber von vielen Menschen in unserem Umfeld beobachten können. Meffridus, der Notar Wizinstens, ist ein nur auf seinen Vorteil bedachter und kaltblütiger Egoist. Constantia weiß um ihr gutes Aussehen und sorgt durch ihr ungebührliches Benehmen für Entrüstung bei den Bewohnern Wizinstens. Elsbeth sorgt sich um ihre Mitschwestern und es scheint stets, dass ihr die anderen wichtiger sind als sie selbst. Und Rogers weiß, dass er sich auf seine beiden Freunde Walter und Godefroy hundertprozentig verlassen kann.
"Was hast du gegen Schweineställe?"
" Ich habe was dagegen, wenn die Schweine noch drin sind."
"Sie tun uns doch nichts."
"Aber der Geruch...!"
"Ich glaube, daran haben sie sich mittlerweile gewöhnt."
Wie in der Realität nimmt man die Figuren in momentanen Szenen wahr, quasi das was man sieht. Dass sich bei genauerem Hinsehen diese Wahrnehmung in noch viele Schattierungen zergliedern lässt, nimmt man scheinbar ganz nebenbei mit auf. Keine Figur, die nur gut, und keine, die nur böse ist, sondern alle sind in kaleidoskopisch bunte Farbplättchen mosaikartig zusammengesetzt, dass sich einem erst bei genauerem Betrachten erschließt. Der Blick in das Innerste der Figuren, der die genaue Analyse erst zulässt, ist so gekonnt mit eingebaut, dass dies nicht bewusst wahrgenommen wird.
Fulminanter und explosiver Schlussakt
Das Finale erstreckt sich über die letzten 150 Seiten, und die vielen einzelnen Puzzlestücke, die man portionsweise serviert bekam, lassen sich nun eins nach dem anderen zusammenfügen. Und wartet man auf den grossen Höhepunkt, so findet sich noch auf dem Weg zum Ende das eine oder andere Gustostückchen in Form überraschender Ereignisse, die man schon als erledigt wähnte.
Die Pforten der Ewigkeit vereint alles, was man sich von einem historischen Roman wünscht. Interessante und gut recherchierte Hintergründe, lebendige und authentische Figuren und ein cineastisches Zeitgemälde in Cinemascope. Und spricht man auch vom "finsteren Mittelalter", so versteht es Dübell auf die ihm ganz eigene Art, auch die ernstesten Szenen noch mit geschickt und pointiert gesetzten subtilen Humor zu verfeinern.
Ein Buch, das uneingeschränkt zu empfehlen ist, wenn man komplexe Handlungen in intelligenter Verpackung und ereignisreichen Schilderungen liebt.
Richard Dübell, Lübbe
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