Der Tanz der Kraniche
- Droemer-Knaur
- Erschienen: Januar 2011
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- Droemer-Knaur, 2011, Titel: 'Der Tanz der Kraniche', Originalausgabe
Leidenschaft contra Gesellschaft - Steiniger Weg einer Künstlerin
Kurzgefasst:
Stralsund Ende des 19. Jahrhunderts: Wenn es nach dem Willen ihrer Eltern ginge, würde die junge Ida sich einen Mann suchen, dem sie eine brave Ehefrau ist. Doch Ida hat ganz andere Träume: Sie will Künstlerin werden. Ida setzt ihren Kopf durch und erkämpft sich Zeichenstunden bei einem anerkannten Lehrer. Dies führt sie auf die kleine Insel Hiddensee, die auf dem besten Weg ist, zur Künstlerkolonie zu werden. Auch Ida kann sich dem Zauber der wild-romantischen Landschaft nicht entziehen - ebenso wenig wie der Anziehungskraft des berühmten Malers Klausen. Doch der ist verheiratet...
Ida hat sich der Malerei verschrieben - sehr zum Missfallen ihres Vaters. Der Besitzer einer Piano-Fabrik in Stralsund möchte seine Tochter gut verheiratet sehen. Doch Ida denkt nicht daran, dem Werben eines Mannes nachzugeben. Sie setzt ihren Kopf durch und nimmt Mal-Stunden bei einem Künstler. Dort begegnet sie zum ersten Mal dem exzentrischen wie berühmten Künstler Herbert Klausen. Um ihm nahe zu sein, reist Ida zunächst nach Hiddensee und später an der Seite der auf der Insel gewonnenen Freundin Anna nach Berlin. Gegen alle Widerstände - nicht zuletzt von ihrer eigenen Familie abgelehnt - geht Ida ihren Weg als Künstlerin. Im ausgehenden 19. Jahrhundert kein leichtes Unterfangen. Besonders, da Ida nicht nur mit ihrer Malerei gegen gesellschaftliche Konventionen verstößt. Auch ihre Liebe zu Herbert Klausen steht unter keinem guten Stern - er ist verheiratet.
Anlehnung an die Malweiber
Die Vorlage für den Roman über die junge, ambitionierte Malerin Ida bildeten die Lebensgeschichten der berühmten Malweiber, die im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts in verschiedenen Künstlerkolonien unter anderem an der Ostsee für Furore sorgten. Zwar hat Autorin Judith Kern mit Ida eine Protagonistin geschaffen, deren Lebensgeschichte nur in Teilbereichen mit den Eckdaten einer tatsächlich einst existierenden Künstlerin übereinstimmen, doch bewegt sich die Protagonistin höchst glaubwürdig und nachvollziehbar durch die Kunstszene ihrer Zeit. Die Anlehnung an die Geschichte jener Frauen, die trotz vielseitiger Hindernisse ihre Kunst lebten, gibt dem Roman eine solide Basis. Nur so gelingt es der Autorin, Untiefen zu umschiffen und zu verhindern, ihre Geschichte in seichte Gewässer zu steuern.
Vom naiven Mädchen zur reifen Künstlerin
Judith Kern verzichtet darauf, Ida zu glorifizieren. Sie zeichnet das Bild einer zerrissenen Persönlichkeit, die - von ihren Gefühlen geleitet - immer wieder an Grenzen stößt. Sei es ihr eigenes Denken, das ihr im Wege steht, seien es gesellschaftliche Konventionen oder der pure Kampf ums Überleben, die ihre Spuren hinterlassen: Stets muss sich Ida einer sich verändernden Situation stellen. Dabei stehen ihr Künstlerfreunde zur Seite, die letztlich auch verhindern, dass das zunächst naive Mädchen in einen dunklen Abgrund stürzt. Dieses Gefüge von gegenseitiger Abhängigkeit stellt die Autorin äußerst geschickt dar. Ebenso schildert sie glaubhaft, wie aus dem Mädchen eine gereifte aber äußerst sensible Persönlichkeit heranwächst.
Gesellschaft im Umbruch
Obwohl sich der Roman vornehmlich um die Entwicklung von Ida dreht, wird den Lesern ein gut beobachtetes Bild einer Zeit präsentiert, in der sich die Gesellschaft zu wandeln beginnt. Noch ist nichts vom nahenden Krieg zu spüren und doch scheint der Lebenshunger der Protagonisten noch einmal aufzuflackern, bevor er existenziellen Ängsten Platz machen wird. Durch die geschickte Verknüpfung der Geschichte Idas mit dem damaligen Zeitgeist lässt Judith Kern einiges an Tiefe in ihren Roman Einfließen. Optimal passen da auch die gewählten Schauplätze Stralsund, Hiddensee und Berlin hinein. Es entsteht eine runde Geschichte, die gleichermaßen unterhält als auch einen Blick auf eine spezielle Epoche gestattet.
Die Autorin legt nicht nur einen überzeugenden Roman vor, sie pflegt auch einen leicht lesbaren und dennoch gepflegten Sprachstil, der die Lektüre zum unterhaltenden Genuss macht. Ihre lebendigen Schilderungen von Hiddensee und dem Berlin des angehenden 20. Jahrhunderts wecken die Lust, sich näher mit der beschriebenen Gegend als auch mit der Epoche auseinander zu setzen. Angesprochen fühlen dürfen sich hier auch all jene, die sich näher für das Leben der Malweiber und für die Künstlerkolonien im Norden interessieren.
Bedauerlich bleibt letztlich nur, dass sich der Titel nicht voll erschließt und er zudem auch den Eindruck erweckt, hier eine eher seichte Lektüre in Händen zu halten. Schön wäre zudem gewesen, die Autorin hätte ein Nachwort geliefert, in dem sie auf die tatsächlich existierenden Künstlerinnen um 1900 verweist.
Judith Kern, Droemer-Knaur
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