Die letzte Bastion
- Bebra
- Erschienen: Januar 2011
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- Bebra, 2011, Titel: 'Die letzte Bastion', Originalausgabe
Gerardines gelungener zweiter Fall
Kurzgefasst:
August 1798: Das Verschwinden von Kindern aus einem Waisenhaus versetzt die preußische Metropole in helle Aufregung. Die selbstbewusste Gerardine de Lalande beginnt zum Leidwesen der Behörden auf eigene Faust zu ermitteln. Bald steht sie vor der Aufgabe, nicht nur einen Entführer zur Strecke zu bringen, sondern auch das preußische Königshaus vor übler Nachrede zu schützen und zugleich einen mysteriösen Mordfall zu enträtseln. Bei ihren Nachforschungen kann Gerardine zwar auf die Unterstützung der Königin Luise bauen, doch das hindert den Widersacher nicht daran, ihr Verderben zu bereiten...
Gerardine de Lalande, adelige Kammerfrau der Königin Luise von Preußen und Fabrikantin und Aeronautin, hat sich mit ihrem Mann in den letzten fünf Jahren eine gute Existenz aufgebaut und gehört den höchsten Kreisen Ihrer Majestät an. Da erreicht die königliche Gesellschaft die Nachricht, dass im See bei Schloß Rheinsberg eine männliche Leiche im Wasser gefunden wurde, die noch nicht identifiziert werden konnte. So bricht die königliche Gesellschaft, inklusive Königsfamilie, Gerardine und ihrem Mann auf, um sich das vor Ort anzusehen.
Zudem befindet sich in der Nähe ein Waisenhaus, genannt "Die letzte Bastion", das der jungen Königin besonders am Herz liegt, aus dem aber ein Kind spurlos verschwunden ist. Als die Königin eine Lösegeldforderung erreicht, beauftragt sie Gerardine mit Nachforschungen.
Verdächtig sind nicht nur einige Lehrkörper, sondern auch Diplomaten aus dem Ausland, die sich derzeit in Preußen befinden und mit König Friedrich Wilhelm III. verhandeln. Gerardine ermittelt mit Hilfe ihres Gatten, doch schon bald wird ein weiteres Kind entführt. Die Zeit drängt...
Besser sortiertes Profil
Mit Die letzte Bastion hat Tom Wolf den zweiten de Lalande-Krmi vorgelegt, der Urenkelin des seligen Honoré Langustier, der in Diensten des Großen Friedrich II. in Mordfällen ermitteln durfte. War Der rote Salon, ihr erster Fall, noch etwas konfus geraten, so hat Tom Wolf mit ihrem zweiten Fall wieder in die Spur gefunden. Diese Spur ist zwar neu, aber sie ist erkennbar geordneter als ihr Vorgänger, und es beginnt sich eine wohltuende Eigenständigkeit herauszuentwickeln.
Sprachlich bewegt sich Tom Wolf weiterhin auf gewohnt hohem koketten Niveau. Er übernimmt die Sprache der Zeit, die den Leser packt, aber auch das eine ums andere Mal schmunzeln lässt. Für die verbalen Höhepunkte sorgt indes König Friedrich Wilhelm III., der in seinem militärisch-zackigen Ton für die eine oder andere Pointe gut ist. Über Frankreich, das gerade - wir schreiben das Jahr 1798 - seine Revolution zu Ende bringt, sagt er:
Schlechte Kerls da drüben, haben ihren König ermordet! Paktieren? Wie rechtfertigen? Frieden - gut, aber nun gleich Allianz? Gemeinsame Sache mit Königsmördern? Jakobiner sein? Mir das zuzutrauen? Massenbach, fatale Sache das, künftig nicht mehr davon zu reden. Sparen Sie sich die Tinte. Denkschriften nicht mehr lesen werde. Unsinn sein.
Launige Charaktere
Die Personenmischung, die Tom Wolf dem Leser präsentiert, ist stimmig und launig, und die Zeit ist gut wiedergegeben. Der Mordfall spielt zwar zunächst eine untergeordnete Rolle, aber bald wird klar, dass die Kindesentführungen und der Mordfall irgendwie zusammenhängen. Die Auflösung findet diesmal nicht in dem gewohnten Finale statt, aber das macht nichts, man folgt den Ermittlungen gerne bis zum Schluß.
Gerardine erweist sich mehr und mehr als emanzipierte Frau - freilich mit Ermittlungsfreibrief der Königin -, die auch den Geschlechterkampf mit in die Ermittlungen einbringt. Hier wird die Reihe ebenso modern wir durch ihre Maschinen, die Gerardines Mann ersinnt, und auch der Ballon kommt wieder zum Einsatz. Sogar der selige Urgroßvater Langustier spielt am Ende eine gewichtige Rolle. Das ist gefährlich, macht aber, so wie es geschieht, Sinn und ist zudem eine nette Reminiszenz an die erste Reihe der Preußen-Krimis.
Als Frau wie ein Mann denken ist wie laufen, wenn man fliegen kann.
Ein Personenregister zu Beginn und ausführliche historische Anmerkungen beschließen eine eigenständige Fortsetzung, die sich gegenüber ihrem Vorgänger steigern konnte. Auch die Tatsache, dass der Roman wieder als Taschenbuch und nicht als Hardcover erscheint, nähert sie der ersten Reihe an. Mit Die letzte Bastion hat Tom Wolf sich merklich gesteigert und einen weiteren Schritt getan, sich erfolgreich von der Langustier-Reihe freizuschwimmen. Ihm gelingt die Mischung aus altem, liebgewonnenem und neuem, und so darf man sich hoffentlich auf weitere Teile der Gerardine-Reihe freuen. Möge es noch viele weitere Preußen-Krimis geben.
Tom Wolf, Bebra
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