Die Erstürmung des Himmels
- Gmeiner
- Erschienen: Januar 2011
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- Gmeiner, 2011, Titel: 'Die Erstürmung des Himmels', Originalausgabe
Gelungener Beitrag zum Liszt-Jahr
Kurzgefasst:
Franz Liszt, gefeierter und umschwärmter Klaviervirtuose, zieht sich im Sommer 1841 zur Erholung auf die Rhein-Insel Nonnenwerth zurück. Mit ihm kommen seine Lebensgefährtin, die Gräfin Marie d'Agoult, und ihre gemeinsame Freundin, die Schriftstellerin George Sand. Schon bald wird die Insel zum Ziel von Musikliebhabern und Liszt-Verehrern, die per Dampfschiff anreisen. Ruhe findet der Komponist daher kaum. Im August gibt er ein gefeiertes Konzert zum Weiterbau des Kölner Doms, was die Liszt-Begeisterung am Rhein noch einmal steigert. Dafür kriselt es zusehends im Verhältnis mit Marie, die seinen Tourneeplänen kritisch gegenübersteht. Und als kurz vor Liszts 30. Geburtstag ein kleines Mädchen spurlos verschwindet, überschlagen sich die Ereignisse...
Der fast dreißigjährige Pianist und Komponist Franz Liszt kommt im Sommer 1841 an den Rhein, um sich auf der Rheininsel Nonnenwerth zu erholen. Begleitet wird er von seiner Lebensgefährtin, der Gräfin Marie d'Agoult, und auch die Schriftstellerin George Sand verbringt ihre Ferien auf der Insel. Liszts zehn Jahre jüngerer Schüler Hermann Cohen kommt ebenfalls auf die Insel und versucht, Liszt zu weiteren Konzerten mit ihm zu bewegen.
Zwar will Liszt eigentlich seine Tage in Ruhe verbringen, wird aber immer wieder von Gästen besucht, und so gerät sein Aufenthalt mehr zu einem Großereignis als zu einem ruhigen Sommer. So geht er nach Köln, um eine Benefizkonzert für den Weiterbau des Kölner Doms zu spielen, und auch weitere Konzerte lassen nicht lange auf sich warten. Währenddessen lebt Cohen ein unruhiges Leben und weiß nicht, wo er steht.
Als Liszt den Feierlichkeiten zu seinem dreißigsten Geburtstag nicht entgehen kann, ein paar Ausbrecher die Rheingegend unsicher machen und zudem ein kleines Mädchen spurlos verschwindet, überschlagen sich die Ereignisse, und am Ende wird nichts mehr so sein, wie es zu Beginn war.
Gute Erfassung der Stimmung im Rheinland
Mit seinem ersten historischen Roman im Gmeiner-Verlag zeichnet Marcus Imbsweiler ein einfühlsames Porträt der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Rheinland. Dabei lebt der Roman nicht nur von seinen Protagonisten, sondern vor allem auch durch seine bunte Schar an Nebenfiguren, die den Roman durchziehen.
Erzählt wird der Roman aus der Perspektive von Hermann Cohen, einem ehemaligen Schüler von Franz Liszt. Die beiden sind vor einiger Zeit nicht im Guten auseinander gegangen, und Cohen will versuchen, die Wogen wieder zu glätten, was zunächst auch gelingt. Er verbringt nun ebenfalls den Sommer auf Nonnenwerth und erzählt seine und Liszts Erlebnisse.
Marcus Imbsweiler gelingt es mit wenigen Sätzen, den Leser in die Biedermeier-Zeit zu versetzen, die hier gar nicht mehr so bieder erscheint. Es herrscht Aufbruchsstimmung, man will den Kölner Dom endlich vollenden, der seit Jahrhunderten als unfertige Bauruine am Rhein steht und somit den Himmel erstürmen und das (seinerzeit tatsächlich) höchste Bauwerk der Welt errichten. So beschreibt der Titel des Buches nicht nur den Willen, den Dom zu bauen, sondern auch den Wunsch Cohens, mit Hilfe Liszts wieder zurück in die eigene künstlerische Spur zu finden. So ist der Titel gut gewählt, und wer mag, wird noch mehr Bedeutungen finden.
Biedermeier mit einem Hauch Mystik
Trotz der Sicht der Ich-Perspektive kommt der Erzähler nicht immer sympathisch daher. Imbsweiler versteht es, durch seine subjektive Sicht trotzdem eine "neutrale" Geschichte zu erzählen, die auch durch die gelegentlich eingeflochtenen Kommentare des Erzählers an Intensität gewinnt. Nicht nur das Leben auf einer Ferieninsel wird so dem Leser nahe gebracht, auch die teils schon groteske Verehrung des Klaviergenies und Komponisten Franz Liszt, der es sich schüchtern gefallen lässt, obwohl er mit fast 30 Jahren noch nicht einmal den Höhepunkt seiner Laufbahn erreicht hat. Neben den beiden Männern sind es vor allem George Sand und "die" d'Argoult, die immer wieder Cohens Leben kreuzen, der nie genau weiß, wie er sich verhalten soll. Ein treffender Charakterzug, der ihn zu allerlei Schwierigkeiten führt, wie man allerdings erst gegen Ende erfährt.
Trotz der Euphorie der Menschen den Inselbewohnern auf Zeit gegenüber droht die Stimmung zu kippen, als sie das Mädchen Cäcilie kennen lernen, einer Ziehtochter des Wirts auf Nonnenwerth, und als sie spurlos verschwindet, gerät vor allem Cohen in Panik. Die ganze Insel wird abgesucht, der Rhein wird abgefahren, doch sie ist nicht aufzufinden. Die Auflösung ist dann auch überraschend und mag manchem Leser kitschig und unpassend vorkommen, allerdings passt sie in das Denken der Zeit und fällt somit nicht aus dem gesteckten Rahmen. Doch mehr soll hier nicht verraten werden.
Kurzweilige Empfehlung
Der Roman ist nicht nur Liszt- oder generell Musikliebhabern zu empfehlen. Musikalische Einschübe sind für alle verständlich beschreiben und bilden kleine literarische Höhepunkte im Roman. Die Schwierigkeit, ein akustisches Konzert in Worte zu fassen, meistert Imbsweiler bravourös, wofür ihm besondere Anerkennung gilt. Der Roman setzt sich aus mehreren kleinen Begebenheiten zusammen, die gemeinsam das Bild ein gelungenes und kurzweiliges Porträt auf rund 460 Seiten geben, das flüssig zu lesen ist und stets auch im kleinen den Blick fürs Grosse bewahrt.
Das Buch ist ein hervorragender Blick in die Zeit des 19. Jahrhunderts, bunt formuliert, mit viel Witz und Humor geschrieben und doch nicht beschönigend. Die Euphorie des Romans vermag manchen Leser anzustecken, sich mehr mit dieser Zeit und vielleicht auch mit Franz Liszt zu beschäftigen, dessen 200. Geburtstag 2011 begangen wird. Ein schöner Beitrag zum Jubiläum, ein herzlicher Glückwunsch dem Komponisten, dem Autoren und dem Verlag zu diesem geglückten literarischen Beitrag im Liszt-Jahr. Ein Lesezeichen passend zum Cover, wie immer bei den historischen Romanen aus dem Hause Gmeiner, und ein vierseitiges Nachwort des Autoren mit interessanten Fakten zu den realen Begebenheiten dieses Sommers auf Nonnenwerth bilden eine schöne und interessante Ergänzung. Hier darf man gerne zugreifen.
Marcus Imbsweiler, Gmeiner
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