Schicksalsmeer
- Rowohlt
- Erschienen: Januar 2011
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- Rowohlt, 2009, Titel: 'Ödets hav', Originalausgabe
Etwas mehr Facetten dürften es sein
Kurzgefasst:
Sturm über Gotland: Das Schicksal hat es gut gemeint mit Ida: Als junges Mädchen aus einfachen Verhältnissen rettete sie einem reichen Kaufmann aus Visby das Leben und wurde seine Frau. Nun steht Idas Tochter vor der Hochzeit. Aurora ist Idas ganzer Stolz: Sie kennt sich im Handelskontor so gut aus wie ihre älteren Brüder, kann reiten und Bogenschießen, sie ist klug, selbstbewusst und stark. Doch was wirklich in ihr steckt, muss die junge Frau zeigen, als sich Unwetter über ihrem Glück zusammenbrauen und der grausame Dänenkönig Valdemar Atterdag im Sommer 1361 Gotland angreift...
Schweden, 14. Jahrhundert, Überfall und Verrat: Die Basis von Elisabeth Nemerts Roman Schicksalsmeer hört sich vielversprechend an. Nicht zuletzt deshalb, weil über diese Epoche und auch die beschriebene Gegend - nämlich die Insel Gotland - im deutschen Sprachraum kaum unterhaltende Literatur zu finden ist. So ist also Nemerts Roman für Histo-Freunde fast schon ein Muss. Tatsächlich präsentiert die Autorin auch ein überzeugendes Bild von der Insel Gotland und ihren Bewohnern. Sehr schön arbeitet sie die Traditionen des gotländischen Volkes heraus, beschreibt Szenerien und örtliche Besonderheiten mit viel Ausdruckskraft. In dieser Hinsicht löst sie also das unausgesprochene "Versprechen" absolut ein. Nicht ganz zu überzeugen vermag die Autorin aber mit ihren Protagonisten. Allen voran Aurora, die wunderbare, tapfere, schöne, kluge Heldin mit den wallenden goldenen Locken, der unglaublichen Empathie für Mensch und Tier und einer Seele, die rein von jedem negativen Handeln ist. Das aber macht Aurora zu einer eher langweiligen, überzeichneten Figur. Sie dürfte ruhig mehr Facetten haben, um dem Roman Würze zu verleihen.
Vom Volk im Stich gelassen
Aurora und ihre drei Brüder wachsen in einem behütenden Elternhaus auf. Ihre Eltern sind sich in inniger Liebe zugetan, seit Ida als junges Mädchen Karl das Leben rettete und damit ein Band zwischen den beiden sensiblen und gutherzigen Menschen entstanden ist. Als Aurora den deutschstämmigen Kaufmann Claus heiratet, scheint das Glück perfekt. Claus erscheint zunächst als zwar verhältnismäßig schwacher aber gutherziger Mensch. Erst als die Magd Elin vor dem Haus vergewaltigt wird, zeigt Claus eine andere Seite: Er jagt Elin zusammen mit deren Schützling Agnes aus dem Haus, weil sie in seinen Augen eine sündige Dirne ist. Aurora erkennt die dunkle Seite ihres Mannes und wendet sich ab. Doch bevor das Ehepaar sich mit den eigenen Problemen auseinander setzen kann, kommt es zu einem Überfall der Dänen auf die Insel. Tapfer stellt sich die Landbevölkerung vor der reichen Stadt Visby dem anrückenden Heer aus ausgebildeten Kämpfern. Es gibt ein Massaker in dessen Verlauf auch ein Teil von Auroras Familie ihr Leben verliert. Tomas, einer der Brüder Auroras, erkennt den Verrat, den die Bevölkerung Visbys an der Landbevölkerung begangen hat und ist außer sich. Denn nun hat sein Bild von Gotlands Gesellschaft Schaden genommen. Aurora selber zieht es zu ihrem Onkel Gudmund, einem Kaufmann, der neben Visby auch in Nowgorod lebt.
Die Tiefe fehlt
So spannend die Situation mit dem Dänenüberfall ist - und auch die wachsende Spannung zwischen den Eheleuten Claus und Aurora sich ausnimmt - so oberflächlich bleibt leider die ganze Geschichte. Das liegt vor allem daran, dass Elisabeth Nemert darauf verzichtet, den einzelnen Charakteren Tiefe zu verleihen. Die Bösen sind und bleiben böse, die Guten sind und bleiben so gut, dass nahezu jede Spannung im klebrigen Klischee versinkt. Dazu kommt, dass auch Schönheit und Erhabenheit sehr einseitig verteilt sind - wer gut ist, ist schön, wer böse ist, dem sieht man dies auch an. Besonders deutlich wird dies beim Bruder von Claus, dem Lübecker Kaufmann Gerhard Pleskow. Er ist bereit, über Leichen zu gehen, um die wunderbare Ehefrau seines Bruders sein eigen nennen zu können. Und er ist auch mit abstoßenden körperlichen Merkmalen ausgestattet.
Um den Plot ist es eindeutig schade, dass die Ausgestaltung der Charaktere nicht sorgfältiger geschehen ist. Durch die Überzeichnung der Persönlichkeiten verliert der Roman zu viel an Ausdruckskraft, um das mit einer wirklich ausgezeichneten Schilderung der Ereignisse und einer sehr bildlichen Darstellung der Insel Gotland wieder wett zu machen. Schicksalsmeer bleibt dadurch ein verhältnismäßig oberflächlicher Roman, der deutliche Schwächen aufweist und sich daher nicht über ein Mittelmaß hinaus zu schwingen vermag.
Elisabet Nemert, Rowohlt
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