Die Teehändlerin
- Droemer-Knaur
- Erschienen: Januar 2011
- 3
- Droemer-Knaur, 2011, Titel: 'Die Teehändlerin', Originalausgabe
Verschenktes Potenzial
Kurzgefasst:
Lüneburg 1895: Schon immer hat man die Begeisterung der jungen Eliana für Tee belächelt. Doch dann verschwindet ihr brutaler Mann John auf einmal von einem Tag auf den anderen - für Eliana die Chance ihres Lebens, denn ihre Cousine lädt sie auf eine abenteuerliche Reise nach China, in die Heimat des Tees ein - wo sie auf ein lang gehütetes Familiengeheimnis stößt...
Deutschland 1895: Die siebzehnjährige Eliana Jürgens wächst in der Nähe von Lüneburg auf dem Bauernhof ihrer Eltern auf. Hier sucht sie gerne die Einsamkeit und die Stille, denn immer wieder wird sie von undeutlichen Erinnerungen, Gefühlen und Ängsten geplagt, die sie sich nicht erklären kann. Als sie den attraktiven John van Steen heiratet, scheint sich ihr Leben zum Guten zu wenden. Doch bald schon verändert sich John, ein Alkoholiker, und jagt seiner Frau Angst ein. Nachdem er spurlos verschwunden ist und sie von einer vermeintlichen Freundin eine herben Enttäuschung entgegen nehmen musste, beschließt sie, das Angebot ihres Onkels anzunehmen. Zusammen mit ihm und ihrer Cousine Josephine reist sie nach China, wo ihr Onkel Geschäfte für das Familienunternehmen, einen Teehandel, plant. Dort erfährt sie von einem dunklen Familiengeheimnis und beginnt, dieses genauer zu erforschen...
Eigentlich bietet der Roman alles, was einen gute Geschichte ausmacht: Neben dem Familiengeheimnis eine junge Frau, die durch ihre Erfahrungen jede Menge Entwicklungspotenzial hat, eine Reise in ein fremdes, faszinierendes Land und das Geschäft des Teehandels. Doch Karin Engel nutzt diese Chance leider nicht.
Teils blasse, teils klischeehafte Figurenzeichnung ohne Weiterentwicklung
Ihre beiden interessanten Figuren, Eliana und ihre Cousine Josephine, die gerne eine Weltreisende wäre, machen keine nennenswerte Entwicklung durch. Es scheint, dass die Ehe mit einem Alkoholiker keine tiefergreifende Veränderungen in Eliana hervorruft, und als sie gegen Ende des Buches plötzlich doch über Erkenntnisse spricht, die sie aus ihrer Ehe gezogen hat, fragt man sich als Leser überrascht, wieso man von diesem Erkenntnisgewinn nichts mitbekommen hat. Josephine, die schließlich entdeckt, dass Reisen doch nicht das Paradies auf Erden ist, stellt sich im Umgang mit der chinesischen Kultur bzw. den Menschen dort sehr naiv an und lässt sich von keiner Erfahrung von ihrer Meinung und ihrem Verhalten abbringen. Auch die übrigen Figuren lassen an Tiefe vermissen. Elianas erster Mann, John van Steen, ist sehr klischeehaft und stereotyp beschrieben, die anderen Figuren bleiben fast ausnahmslos blass und eindimensional.
Oberflächliche Abhandlung interessanter Themen
Der in China spielende Teil lässt anfangs hoffen, dass es nun tiefgründiger wird. Es wird neben der chinesischen Medizin auch die politische Situation angerissen. Im chinesischen Reich formieren sich Gruppen gegen die Ausländer, die "Yihetuan" genannt werden, später auch als Boxer bezeichnet werden. Doch auch hier kratzt die Autorin nur an der Oberfläche und versäumt es, dem Leser die Gedanken und Gefühle der chinesischen Widerstandskämpfer nahezubringen, von einigen Allgemeinplätzen mal abgesehen. Gerade die Figur eines Mannes, der Halbchinese und Halbeuropäer ist, hätte eine hervorragende Möglichkeit geboten, die unterschiedlichen Sichtweisen darzustellen, doch auch er bleibt ein Statist.
Ebenso erfährt der Leser fast nichts über den Teehandel, der doch das Fundament des Reichtums von Elianas Familie bildet. Außer der Erwähnung einiger Teesorten, ein kurzes Beschreiben einer Verkostung und den Plänen von Elianas Onkel, in China eine Teeplantage zu erbauen, findet der Tee so gut wie keine Erwähnung.
Insgesamt ist Die Teehändlerin ein Roman, der leicht zu lesen ist und durchaus interessante Ansätze zeigt, aber leider zu einer seichten Geschichte mit platten Figuren und kaum Tiefgang verkommt, so dass sich der Roman in keinster Weise über das Mittelmaß hinaus hebt. Da der Schluss vermuten lässt, dass es noch eine Fortsetzung geben könnte, bleibt zu hoffen, dass das Potenzial dann besser ausgeschöpft wird.
Karin Engel, Droemer-Knaur
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