Die Hure und der Meisterdieb
- Gmeiner
- Erschienen: Januar 2011
- 1
- Gmeiner, 2011, Titel: 'Die Hure und der Meisterdieb', Originalausgabe
Eine Räubergeschichte mit Überraschungen
Kurzgefasst:
Thüringen, im Dezember 1695. Der ehemalige Soldat und Wirt Nickel List, eigentlich ein herzensguter Kerl, zündet seine Wirtschaft an, um sich an seinem verräterischen Eheweib Magdalena und ihrem Liebhaber zu rächen. Enttäuscht verlässt er seine Heimat und trifft auf die schöne Diebin Anna. Die ist ihrem Mann, einem reichen Hamburger Weinhändler, davongelaufen und ebenso wie Nickel auf der Flucht. Jahre später ziehen sie als Herr von der Mosel und Anna von Sien durch den Norden. Selbst die größten Kirchen sind vor dem berühmt-berüchtigten Räuberpaar nicht mehr sicher. Doch ihre Häscher sind ihnen bereits auf den Fersen...
Thüringen im Dezember 1695. Von ihrem Ehemann, einem Hamburger Weinhändler, gelangweilt, zieht die schöne Anna mit einer Gauklertruppe durchs Land. Als sich ihr Gelegenheit bietet, macht sie sich mit dem Geld der Truppe aus dem Staub. Fast wäre sie von ihrem Liebhaber ertappt worden, doch zögert sie keine Sekunde, ihn zu erschießen. Auf ihrer Flucht lernt Anna den ehemaligen Soldaten und Wirt Nickel List kennen. Auch er muss fliehen, hat er sich doch an seiner untreuen Frau Magdalena gerächt, in dem er das gemeinsame Wirtshaus in Brand setzte, während sie sich in der Kammer mit ihrem Liebhaber vergnügte. Als Nickel auf einige zwielichtige Gesellen stößt, nimmt seine Laufbahn als Kirchenräuber ihren Anfang. Anna gelingt es zwar zunächst, sich von den Räubern abzusetzen, doch das Schicksal führt sie wieder mit Nickel zusammen. Schließlich zieht sie mit ihm durch das Land, immer auf der Flucht vor den Häschern, die den beiden dicht auf den Fersen sind.
Geglückte Kombination
Sowohl bei Nickel List als auch bei Anna von Sien handelt es sich um reale Figuren. Autorin Bettina Szrama hat die überlieferten Fakten geschickt mit einer der Phantasie entsprungenen Liebesgeschichte verknüpft und dadurch eine überzeugende Räubergeschichte konstruiert. Dabei gelingt es der Autorin, der Figur Nickel List Leben einzuhauchen und den Räuber zu einem Sympathieträger zu machen. Mit viel Feingefühl arbeitet Bettina Szrama das Bild eines Mannes heraus, der im Prinzip nur einen Wunsch hat: Ein ehrbares Leben mit einer treuen Frau an seiner Seite zu führen. Doch dieser Wunsch scheint dem Räuberhauptmann verwehrt. Immer tiefer verstrickt er sich in der Welt der Diebe und Hehler. Dabei bewahrt er sich lange eine tief verwurzelte Anständigkeit: Er versucht alles, damit keine Menschen zu körperlichem Schaden kommen.
Anders als Nickel will Anna nicht so recht zur Identifikationsfigur werden. Ihr steht die Autorin höchst ambivalent gegenüber. Zwar gesteht sie der Frau da und dort einige Schicksalsschläge zu, die ihr Wesen beeinflussen, doch grundsätzlich ist es eher der durchtriebene Charakter der Frau, der zum Ausdruck kommt. Dadurch bleibt immer eine gewisse Distanz zur Figur von Anna. Diese weitet sich mit der Zeit leider auch auf die Geschichte an sich aus.
Einige Längen
Es gelingt Bettina Szrama immer wieder, Tempo in die Geschichte zu bringen. Das allerdings kann sie nicht konsequent durchhalten. Durch vermeidbare Längen flacht die Geschichte immer wieder ab und dümpelt vor sich hin, bis ein neues Ereignis wieder für Spannung sorgt. Das Auf und Ab tut der Geschichte allerdings nicht besonders gut. Es führt dazu, dass mit der Zeit die Bereitschaft sinkt, sich ganz auf den Roman einzulassen und die notwendige Neugier aufzubringen, um an der Geschichte dran zu bleiben. Manchmal wirkt es eher zufällig, manchmal gewollt, wenn just in solchen Momenten eine unerwartete Wendung verhindert, dass der Roman genervt beiseitegelegt wird.
Bettina Szrama hat unzweifelhaft versucht, den Leserinnen und Lesern ihre gründliche Recherche zugänglich zu machen und ihr Wissen über Nickel List mit ihnen zu teilen. Hier dürfte sie jedoch getrost einen Teil der Fakten zu einem Konzentrat verschmelzen und dem Publikum einen etwas leichtfüßigeren Roman präsentieren. Das Gewicht der Schilderungen, die teilweise mehrfach wiederholt werden, wirkt sich nicht gerade anregend auf die Leser aus.
Schöne Schilderungen
Eine der Stärken des Romans ist die Atmosphäre, die die Autorin durch ihre geglückten Schilderungen entsteht. So nimmt etwa das Räubernest im Walde ebenso Konturen an, wie die luxuriöse Umgebung, in der sich Anna immer mal wieder bewegt. Mit wenigen Worten kann Bettina Szrama Szenen vor dem geistigen Auge entstehen lassen, die lebendig und überzeugend sind und die etwas langatmigen Erklärungen wieder vergessen lassen.
Gelingt es der Autorin, in ihren kommenden Romanen an Konstanz zuzulegen und den hervorragenden Erzählstil, der bereits bei Die Hure und der Meisterdieb zum Ausdruck kommt, über längere Strecken beizubehalten, darf davon ausgegangen werden, dass aus ihrer Feder noch einige gehaltvolle historische Romane fließen werden. Mit diesem Roman hat die Autorin bewiesen, dass sie dafür gute Voraussetzungen hat.
Bettina Szrama, Gmeiner
Deine Meinung zu »Die Hure und der Meisterdieb«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!