Lichter setzen über grellem Grund
- Kiepenheuer & Witsch
- Erschienen: Januar 2011
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- Kiepenheuer & Witsch, 2011, Titel: 'Lichter setzen über grellem Grund', Originalausgabe
Kunst trotzt Revolution - ein farbenprächtiges Portrait
Kurzgefasst:
Eine Poetin der Farbe. Elisabeth Vigée, Tochter eines Pastellmalers und einer Friseurin, ist 1767 gerade zwölf Jahre alt, als der berühmte Seemaler Claude Joseph Vernet ihr Talent entdeckt. Vernet fördert die junge Vigée fortan, verschafft ihr Unterricht, Ausstellungen und Aufträge. Binnen kürzester Zeit wird aus der kleinen Liz eine gefeierte Porträtmalerin, die sowohl in den intellektuellen Pariser Salons verkehrt, als auch von der aufgeklärten Aristokratie für ihren frischen, natürlichen Stil verehrt wird - und dabei stets ihre Unabhängigkeit bewahrt. 1776 heiratet sie den Kunsthändler J.B. Pierre Lebrun. Bald gehört auch Königin Marie Antoinette zu ihren Bewunderern und lässt sich gleich mehrfach porträtieren. Als die Revolution ausbricht und Versailles gestürmt wird, flieht Vigée mit ihrer Tochter nach Italien. Was als Kunstreise getarnt ist, wird zum 12-jährigen Exil. Während sie im Rest Europas und in Russland Triumphe feiert, berühmte Persönlichkeiten porträtiert und beauftragt wird, den Papst zu malen, bleibt in ihrer Heimat nichts, wie es war; Licht und Schatten vermischen sich unaufhaltsam...
Elisabeth Vigée-Lebrun hält nichts davon, sich einen braven Ehemann zu suchen, um ein Auskommen zu haben. Die Tochter eines früh verstorbenen Malers greift lieber zum Pinsel. Mit ihrer feinfühligen Portraitmalerei scheint sie im 18. Jahrhundert zwar nicht im Trend zu liegen - kann aber dennoch die wichtigen Häupter von Paris zu ihrer Kundschaft zählen. Je öfter sie an den Hof gerufen wird, desto mehr festigt sich ihr Ruf. Als sich das Volk aufzulehnen beginnt und den französischen König samt Familie in den Tuillerien festsetzt, erkennt Vigée, wie sich die Malerin inzwischen nennt, die Gefahr und begibt sich auf eine "Studienreise" nach Italien. Tochter Julie reist mit ihr, während Ehemann Lebrun in Paris bleibt, um die politische Situation im Auge zu behalten. Für Vigée beginnt eine mehrjährige Zeit im Exil, bevor sie die Heimreise antreten kann.
Selbstbewusste Persönlichkeit
Renate Feyl lässt Vigée als selbstbewusste Künstlerin auftreten, die sich ihres Wertes sehr wohl bewusst ist. Geschickt agiert Vigée, die sich als Frau allerlei Zwängen und Verboten ausgesetzt sieht. Die Autorin gibt ihr eine unkonventionelle Denkweise mit auf den Weg und lässt die zunächst noch sehr junge und naive Künstlerin zu einer reifen Dame heranwachsen. Das alles in einem durchaus humorvollen Grundton, der trotz des bisweilen bedrückenden Themas nie verfehlt wirkt. Vielmehr erzählt Renate Feyl mit einer gewissen Wärme davon, wie die Kunst über die politischen Verhältnisse triumphiert und Vigée ermöglicht, trotz französischem Pass in Europa uneingeschränkt reisen zu können. Sie bringt die Malerin mit namhaften Persönlichkeiten und bedeutenden Politikern zusammen, ein späterer Blick auf die Vigées Werke bestätigen, dass sie all diese Persönlichkeiten tatsächlich einst portraitierte.
Revolution und Gesellschaftskritik
Obwohl das Schwergewicht des Romans klar auf Vigée liegt - alle anderen Personen sind neben der raumfüllenden Persönlichkeit der Künstlerin mehr oder weniger Statisten - schafft es die Autorin, die politischen Verhältnisse des 18. Jahrhunderts gut einzufangen und einen Eindruck von den Ereignissen im revoltierenden Paris zu geben. Sehr schön nehmen sich auch die gesellschaftskritischen Schilderungen aus - so etwa die Geschwindigkeit, mit der der unzufriedene Mob bereit ist, Gerüchten Glauben zu schenken oder der Blutdurst, mit dem die Bürger den Adligen und deren vermeintlichen oder tatsächlichen Verbündeten zu Leibe rücken. Ohne Mitleidshascherei zu betreiben, vermittelt Renate Feyl zudem ein ungewöhnliches Bild Marie Antoinettes. Die Königin wird als warmherzige und für ihre Verhältnisse durchaus patente und sparsame Frau geschildert.
Hintergrund der Malerei
Die Autorin versteht es aber auch, die Malerei als Kunst lebendig werden zu lassen. Geschickt lässt sie ihre Kenntnisse um Pigmente, Farbmischungen und Entstehung eines Portraits in die Geschichte einfließen, ohne dass sie ihre Leser damit zu langweilen beginnt. Im Gegenteil. Ihre lebendige Schilderung weckt den Wunsch, mehr über Vigées Werke zu erfahren, als gerade durch das Cover - auf dem die Künstlerin zu erkennen ist - vermittelt wird. So haucht Renate Feyl nicht nur Elisabeth Vigée-Lebrun Leben ein, sondern auch deren Kunst.
So stimmig der ganze Roman ist, so stimmig ist die Sprache, mit der Vigées Leben und Denken geschildert wird. Einzig das Tempo, das die Autorin gegen Schluss des Buches anschlägt, will nicht ganz passen - die Rückkehr nach Paris wird auf wenigen Seiten abgehandelt und es entsteht der Eindruck, als hätte es mit der Fertigstellung des Buches plötzlich geeilt. Diese leichte Einschränkung mag aber nicht davon ablenken, dass es sich hier um einen feinen, gut recherchierten und sehr gut präsentierten Roman handelt, der viel Lesegenuss bringt.
Renate Feyl, Kiepenheuer & Witsch
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