Das Erbe der Lady Marian
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- Erschienen: Januar 1996
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- , 1996, Titel: 'Das Erbe der Lady Marian', Originalausgabe
Hochmütiger Adel trifft einfaches Volk
Celeste Hawk wächst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als wohl behütete Tochter eines Schmiedes in Cornwall auf. Im Gegensatz zu vielen der anderen Kinder im Dorf und der Umgebung besucht sie regelmäßig die Schule, denn ihre Eltern legen trotz ihrer ";geringen"; Herkunft großen Wert darauf, dass ihre Tochter eine gute Ausbildung erhält. Schon seit sie denken kann ist Celeste von Landhydrock Hall, dem Schloss auf den Hügeln über dem Dorf, fasziniert. Stundenlang kann sie unter einem alten Apfelbaum sitzen und sich das Leben auf dem Schloss in den buntesten Farben ausmalen.
Kate, ein Mädchen das neu in der Schule ist, weckt Celestes Interesse. Kate ist so anders als die anderen Mädchen in der Schule – und sie scheint auch nicht im Dorf zu wohnen. Eines Tages folgt sie Kate heimlich nach Schulschluss nach Hause. Doch wider Erwarten schlägt diese nicht den Weg zu einem der umliegenden Dörfer ein, sondern begibt sich geradewegs nach Landhydrock Hall. Celeste wird klar, dass Kate die Tochter einer Dienstmagd ist. Als sie ihr im Winter einmal beim Tragen von Einkäufen behilflich sein kann, erfüllt sich Celestes Traum: Sie wird in die Küche des Schlosses eingeladen. Doch dort hält es sie nicht lange und voller Neugierde macht sie sich auf, das Innere des Schlosses zu bewundern. Dabei wird sie von Lord Simon, der trotz seines jungen Alters schon den Titel seines verstorbenen Vaters trägt, erwischt. Dieser ist sich seiner Stellung wohl bewusst und beschuldigt das Mädchen des Diebstahls.
Keine Angst vor großen Gefühlen
Einige Jahre später stirbt Celestes Mutter. Unerwartet stellt Lady Marian sie als ihre Gesellschafterin ein, da der junge Lord Simon nur in den Semesterferien daheim ist. Celeste fühlt sich gerade auf dem Schloss heimisch, da trifft Lord Simon ein. Dieser befindet es für unter seiner Würde mit Personal zusammen zu speisen und droht mit seiner sofortigen Abreise, falls seine Mutter nicht sofort Gegenmaßnahmen ergreifen sollte. Entgegen dem Willen ihres Sohnes bleibt alles wie gehabt und der junge Lord verlässt rasch das Anwesen.
Nachdem Simon seine Ausbildung beendet hat, übernimmt er sämtliche Geschäfte auf Landhydrock. Zu Celestes Überraschung ist ein stattlicher junger Mann heimgekehrt, von dessen schlechten Benehmen und seiner hochnäsigen Art scheinbar nichts mehr übrig geblieben ist. Als Lady Marian plötzlich und unerwartet stirbt, sorgt ihr Testament für großes Aufsehen. Nicht Lord Simon ist ihr Erbe, sondern ihre Tochter – Celeste. Für Celeste und Simon bricht eine Welt zusammen…
Familien-Saga einmal anders
Mit ";Das Erbe der Lady Marian"; ist Rebecca Michéle ein unterhaltsamer Roman gelungen. Sie zeichnet sympathische Personen, bei denen es dem Leser nicht schwer fällt, sich mit einer (oder mehreren) von ihnen zu identifizieren: Lady Marian, die – trotz ihrer Stellung – viel Gutes im Dorf tut; Lord Simon, der Dank seiner Launenhaftigkeit nicht langweilig wird; Celeste, die trotz ihrer bürgerlichen Herkunft sowohl in Adelkreisen, als auch im Dorf lebt eine gute Figur macht, um nur ein paar von ihnen zu nennen. Auch sind die Protagonisten niemals zu perfekt in ihrem Wirken. Trotz aller positiven Eigenschaften haben sie doch ihre Ecken und Kanten und wirken daher auch sehr menschlich.
Aber nicht nur das fesselt den Leser. Michéle baut in ihren Roman gleich drei Familiengeschichten ein und bettet alles in die wunderschöne Landschaft Cornwalls und der Cotswolds. Ganz zu Anfang erfährt der Leser einige Details aus dem Geschlecht der Elkhams, der Familie von Lord Simon, in deren Besitz sich Landhydrock Hall seit Zeiten Heinrich des VIII. befindet. Man liest ebenso einiges über die Hawks und ihr Leben in der Dorfgemeinschaft. Die dritte Familie, die ebenfalls im Vordergrund der Geschichte steht, ist die der Blathwayts, der Familie Lady Marians. Dass diese drei Familien überhaupt in einer Beziehung zu einander stehen können, verdanken sie einer Reihe mehr oder weniger glücklicher Umstände.
Stetiger Lesefluss dank verständlicher Sprache
Der Lesefluss des Buches bleibt ungebrochen, was sicherlich vor allem daran liegt, dass der Roman in einer verständlichen Sprache und nur aus der Sicht der Celeste geschrieben wurde. Obwohl sich die Autorin alle Mühe gegeben hat, das Leben im 19. Jahrhundert einzufangen und wiederzugeben, hat sie doch darauf verzichtet, die damals gebräuchliche Sprache in den Roman einfließen zu lassen. Einerseits war es genau die richtige Entscheidung, andererseits kann es einem doch leid tun.
Die Leser, die schon mal einen Roman von Jane Austen gelesen haben, werden vielleicht wissen was gemeint ist. Gerade die Sprache macht einen großen Teil des Charmes ihrer Bücher aus. Natürlich wirken auch bei Jane Austen die Fußnoten hin und wieder ein wenig störend, bringen sie den Leser doch so manches Mal aus dem Tritt. Es ist aber nicht abzustreiten, dass gerade diese Fußnoten erst einen Blick hinter die Kulissen erlauben. Ohne Jane Austen wüsste ich beispielsweise nicht, dass in der damaligen Zeit der Besuch eines jungen Mannes, der etwas auf sich hält, lediglich höchstens 15 Minuten dauern durfte, um nicht unschicklich zu wirken. Oder dass selbst Ehepaare sich mit Mister und Misses und anschließendem Familiennamen ansprachen.
Diese kleinen Details sind Rebecca Michéle leider völlig verloren gegangen. Nicht nur, dass Besuche eines jungen Mannes quasi den ganzen Tag dauern können (und dann auch noch ohne die Anwesenheit einer Anstandsdame) und junge Damen und Offiziere alleine ausreiten, auch die Anreden innerhalb der Familien liegen beim vertraulichen ";du";. Außerdem verlaufen die Gespräche in einer Art, wie man sie eher heute denn im 19. Jahrhundert findet.
Unterm Strich betrachtet bietet dieser Roman Lesevergnügen pur, wenn man einmal davon absieht, dass der Geschichte keine großartigen historischen Fakten zugrunde liegen. Wer sich von einem historischen Buch also viel Hintergrundwissen erwartet, wird mit ";Das Erbe der Lady Marian"; nicht zufrieden sein.
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