Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht
- Diana
- Erschienen: Januar 2011
- 8
- Diana, 2011, Titel: 'Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht', Originalausgabe
Dame, König, Ass, Spion - in den Wirren der französischen Hugenottenkriegen
Kurzgefasst:
Frankreich, 1567: Die Stimmung im Land ist aufgepeitscht, ein neuer Krieg zwischen Katholiken und Protestanten steht bevor. Dank ihrer Gabe, die Zukunft zu sehen, vereitelt die 19-jährige Klosterschülerin Madeleine einen tödlichen Anschlag auf den Hugenottenführer Gaspard de Coligny. In größter Gefahr findet sie bei den Hugenotten Unterschlupf, wo sie sich in den Edelmann Nicolas de Vardes verliebt. Da gelingt es den Katholiken, sie gefangen zu nehmen, und sie wird der Hexerei bezichtigt. Als sie im Kerker bereits glaubt, an den Folgen der Folterungen zu sterben, lässt ausgerechnet Catherine de Medici sie befreien. Die Königinmutter hat für das Mädchen mit dem zweiten Gesicht eine streng geheime Mission ersonnen. Doch nicht nur die Geschicke des Landes, auch ihre Liebe zu Nicolas steht auf dem Spiel.
Claudia Ziegler entführt ihre Leserschaft mit ihrem dritten historischen Roman Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht ins 16. Jahrhundert. Ins heutige Frankreich zu Zeiten der Hugenottenkriege, also den Bruderkämpfen zwischen der katholischen Kirche und der Reformationsbewegung nach den Lehren Calvins, die schließlich 1572 in der Barholomäusnacht in Paris einen tragischen Wendepunkt erhalten sollte.
Für viele Menschen ging es dabei um die Frage, dem althergebrachten Glauben weiterhin die Treue zu halten, oder aber einem neuen, vielleicht einem etwas volksnäheren Glauben (z.B. durch Übersetzungen der Bibel in die Landessprache), was die katholische Kirche selbstverständlich zu verhindern suchte, zu folgen. In den Herrscherhäusern Frankreichs, aber auch den umliegenden Staaten war dies jedoch keinesfalls nur eine Sache des Glaubens.
Ab 1560 schlug sich die französische Regentin Katharina von Medici hauptsächlich mit drei Themen am Hof und im Staat herum: Die Krone, Katholiken und Protestanten. Die Herrscherhäuser der der Krone unterstehenden Hoheitsgebieten waren unterschiedlicher Auffassung, welcher Konfession zu folgen war. Die Krone konnte sich keine eindeutige Stellungnahme erlauben, um die Einheit des Landes nicht zu gefährden. Auch die Einflußnahmeversuche Spaniens durch Philipp II. und dem damit einhergehenden drohenden Verlust der Autorität des Hauses Valois/ Medici war Rechnung zu tragen. Hinzu kam die finanzielle Not der französischen Krone, die somit keine Möglichkeit hatte, außenpolitisch einen Befreiungsschlag zu unternehmen.
Drei Parteien entwickelten sich in Folge dieser vertrackten Situation:
1. Die Krone, die neutral zu bleiben, ihren eigenen Machtanspruch ohne spanischen Einfluss zu erhalten suchte.
2. Die Guise, ein erzkatholisches Herrscherhaus, das mit Hilfe Spaniens und des Papstes die Macht der Krone zu mindern und die Hugenotten zurückzudrängen versuchte. Wenn dabei das eigene Bestreben nach der Erlangung der französischen Krone erreicht werden konnte - umso besser und keinesfalls nur ein zufälliges Nebenprodukt der eigenen Anstrengungen.
3. Die Hugenotten - die Anhänger der neuen Glaubensbewegung im Lande, die insbesondere von den Herrscherhäusern im Süden unterstützt wurden - die sich ein friedliches Leben erhofften. Die aber auch bereit waren, für ihre Überzeugung zu kämpfen und notfalls zu sterben.
Madeleine - ein hellsichtiges Frauenzimmer, das zufällig in die Mühlräder der Politik gerät
Die Autorin, deren Thema sicherlich nicht zu den unbekanntesten Teilen der Geschichte zu zählen ist, wählt einen etwas ungewöhnlichen Zugang zu der historisch gut belegten Zeit der Hugenottenkriege, indem sie ihren Roman hauptsächlich aus der Sicht Madeleines - einer fiktiven Person mit hellseherischen Fähigkeiten - erzählt.
Wie kommt nun aber ein einfaches Mädchen, das für eine klösterliche Laufbahn bestimmt ist, in die Fänge der Krone, für die sie eine geheime Mission zu erfüllen hat, von deren Erfolg das Schicksal Frankreichs abhängt, der Guise, die ihr nach dem Leben trachten und der Hugenotten, die schon bald ihr neuer Lebensmittelpunkt zu werden scheinen?
Über Stärken und vermeintliche Schwächen
Katharina von Medici war der Astrologie und Prophezeiungen gegenüber sehr aufgeschlossen. Nostradamus, ein sehr bekannter Astrologe dieser Zeit, hatte sicherlich die eine oder andere Fähigkeit, insbesondere wenn man an solche übersinnliche Fähigkeiten glauben wollte - wobei es ohne Zweifel in der Mehrzahl Scharlatane waren, die sich durch die Zahlungsfähigkeit ihrer Opfer zwar mehr schlecht als recht, aber doch einen gewissen Lebensraum schafften.
Sicherlich kann man diskutieren, ob ein historischer Roman, in dem eine Hellseherin vorkommt, überhaupt als historischer Roman einzusortieren ist. Manche Leser werden sich damit vielleicht tatsächlich schwer tun. Diesen sei möglicherweise abzuraten, Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht zu kaufen.
Schade eigentlich, denn Claudia Ziegler ist eine begnadete Schreiberin, die mit dem vorliegenden Roman sehr eng an der überlieferten Geschichte der Hugenotten bleibt. Ihr Erzählstil ist intensiv und bildhaft und verleitet zum Weiterlesen, weil man eintauchen kann in die Welt Madeleines und der Hugenotten. Die Erzählung bietet eine große Bandbreite an Gefühlen, so gibt es nette Episoden, die zum Mitfreuen mit den Protagonisten einladen, aber auch ein wenig "Herzschmerz", interessante Einblicke in das Spionagewesen, welches die Medici wohl tatsächlich unterhalten haben mag, aber auch dunkle Passagen voller Blut, die allein der Tatsache geschuldet sind, dass der Roman in der sogenannten Pariser Bluthochzeit bzw. der Bartholomäusnacht gipfelt.
Auch gelingt es der Autorin dank hervorragender Recherche die verworrenen Verflechtungen der damaligen politischen und religiösen Lage verständlich zu erklären und in ihren Roman einfließen zu lassen. Der Spannungsbogen der beschriebenen Geschichte - im Prolog wird ein Spion bei den Hugenotten eingeschleust, bis hin zu dessen Enttarnung oder auch die Visionen Madeleines bis zu deren Erfüllung - wird bis zum Schluss aufrechterhalten.
Zusammen mit der Hardcover-Verpackung, einem Nachwort der Autorin, einem Personenverzeichnis, historischen Anmerkungen, einer Zeittafel und einer politischen Karte auf der Innenseite des Einbands ergibt sich ein rundes Bild eines unterhaltsamen und geschichtlich sorgfältig geschriebenen Romans, den man als äußerst lesenswert bezeichnen kann. In dieser Form bitte unbedingt mehr aus der Feder von Claudia Ziegler!
Claudia Ziegler, Diana
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