Die Nacht von Barmbeck
- kbv
- Erschienen: Juni 2008
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- kbv, 2007, Titel: 'Die Nacht von Barmbeck', Originalausgabe
Jagd auf die Barmbecker Verbrechergesellschaft
19. Mai 1919. Nach einem Einbruch in das Wäschegeschäft Lehmann im Stadtteil Eilbeck erschießen die Täter auf ihrer Flucht einen jungen Schutzmann. Für die Kriminalwachtmeister Krohn und Jastorf sowie den 23-jährigen Kriminalkommissar Wilhelm Berger ist klar, dass hinter dem Vorfall die „Barmbecker Verbrechergesellschaft“ unter ihrem bekannten Anführer Julius Adolf Petersen, dem „Lord von Barmbeck“, steht. Es folgen weitere teils spektakuläre Einbrüche, doch den Polizisten sind die Hände gebunden. Zwar sammeln sie eifrig Beweise, aber immer dann, wenn sie kurz vor einer erfolgreichen Verhaftung oder gar Verurteilung stehen, tauchen plötzlich eine Reihe von Zeugen auf und sorgen mit Meineiden für Alibis. Erst im November 1922 gelingt es, gleich mehrere der Beteiligten zu Haftstrafen zu verurteilen, wobei die Polizei nicht immer legale Methoden bei ihrem Vorgehen wählte.
„Bei der Stamm in der Wohnung ist übrigens Diebesgut gefunden worden. Fünf lederne Handtaschen…“
„Na, dann ist der Fall ja wohl eindeutig.“
„Aber die Stamm sagt natürlich, sie hat keine Ahnung, was das für Taschen sind. Und da gibt es nun wieder die Aussage ihres Vermieters, dass bei ihr in der Wohnung in der Alexanderstraße in letzter Zeit häufig große Gelage gefeiert worden sind. Und wer da nun vielleicht was liegen gelassen hat, das lässt sich nachträglich nicht mehr klären.“
„Das kann doch kein Mensch glauben.“
„Nein. Das kann kein normaler Mensch glauben. Aber ein Jurist? Da sieht die Sache schon anders aus.“
1932: Knapp zehn Jahre später ist Julius Adolf Petersen wieder aktiv und unterstützt seinen Bruder Arnold bei dessen neustem Coup: Immer mehr falsche Zwanziger tauchen in der Nähe von Hamburg auf. Adolf will damit offiziell nichts zu tun haben und schließt sich später dem Einbrecher Ernst Hannack an, der mit zunehmend brutalerer Gewalt vorgeht und selbst vor dem Einsatz seiner Schusswaffe nicht zurückschreckt. Erneut sind Berger und seine Kollegen gefordert, doch Unheil droht Berger noch von ganz anderer Seite, denn er äußerte sich im angetrunkenen Zustand öffentlich negativ über die Nazis…
Der Handlungsbogen erstreckt sich über fast 15 Jahre
„Die Nacht von Barmbeck“ ist der zweite Roman der Wilhelm-Berger-Reihe von Jürgen Ehlers und spielt von 1919 bis 1933, wobei es eine rund zehnjährige Lücke in der Handlung gibt. Der dritte Band „Mitgegangen“ spielt dann plötzlich wieder in 1929, aber dies nur am Rande. Interessant ist die Wilhelm-Berger-Reihe vor allem deswegen, weil die Ermittler in wahren Kriminalfällen (hier der „Lord von Barmbeck“ Julius Adolf Petersen) ermitteln. Hinzu kommen zeithistorische Ereignisse sowie Einblicke in das Privatleben des Protagonisten. Gerade für Letzteres ist der vorliegende Band von wichtiger Bedeutung, denn hier lernt Berger seine spätere Frau Dagmar kennen, deren Vater Jude ist. Auch über Friedrich Berger erfährt man hier die entscheidenden Informationen.
Friedrich Berger, der Vater, mit dem Wilhelm nie richtig warm wurde, da dieser die falschen Freunde hatte, debattiert zunächst Anfang der 1920er Jahre mit seinem Schulfreund Hjalmar Schacht über die wirtschaftliche Lage in Deutschland. Später wird der mächtigste Nazi Hamburgs, Karl Kaufmann, die Bühne betreten und Wilhelm Berger wird ihn erstmals um einen Gefallen bitten, wodurch eine Abhängigkeit entsteht. Schacht und Kaufmann haben in den folgenden Romanen dieser Reihe weitere Auftritte.
„In dem Moment, wo der Wechselkurs den Stand 4.200.000.000.000 Mark gegen einen Dollar erreicht, wird als neue Währung die Rentenmark eingeführt. Die Vorbereitungen sind getroffen. Die Marke 4,2 Billionen ist natürlich von größter symbolischer Bedeutung, weil ja vor dem Krieg 4,2 Goldmark einem Dollar entsprochen haben. Genau das setzen wir jetzt für die Rentenmark fest. Das heißt, es werden jeweils 1.000.000.000.000 Mark gegen eine Rentenmark umgetauscht.“
Die Verbrecherjagd tritt ein wenig auf der Stelle, da immer wieder unerwartete Zeugen auftauchen, wenngleich deren Geschichten oft unverkennbar erfunden sind. Rund die Hälfte des Romans beleuchtet das Wirken der Verbrechergruppe. Wie gehen diese vor, wie werden Zeugen vorbereitet, wie Gefängnisausbrüche arrangiert, wie sind deren private Verbindungen? Und politisch? Klar, zunächst die widrigen Wirtschaftsverhältnisse der Weimarer Republik und zuletzt der Aufstieg der Nazis und deren erste Auswirkungen. Auf die Polizei und Bergers Familie.
Fazit:
„Die Nacht von Barmbeck“ mag nicht der spannendste und beste Teil der Reihe sein, ist aber für deren Gesamtverständnis von grundlegender Bedeutung. Der Mix aus (wahrer) Verbrecherjagd, Privatleben und Zeitgeschichte ist stimmig und sorgt für kurzweilige Unterhaltung.
Jürgen Ehlers, kbv
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