Adler und Falke
- Heyne
- Erschienen: Januar 1999
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- Heyne, 1999, Titel: 'Eagle and Falcon', Originalausgabe
Teuflische Machenschaften im finsteren Mittelalter
Kurzgefasst:
Burg Falkenstein im Jahr 1364: Margerite, die Tochter eines einfachen Ritters, schätzt sich glücklich, denn sie heiratet einen Mann, der weit über ihrem Stand steht und den sie liebt. Doch ihre glanzvolle Zukunft wird bald von düsteren Vorahnungen und von einer Entdeckung überschattet, die all ihren Mut und ihre Kraft fordert.
Burg Hirschenberg im Jahr 1364: Die achtzehnjährige Margerite lebt hier mit ihrem Vater, dem Ritter Martin, der bei seinen Untertanen sehr beliebt ist. Seit Margerites Mutter vor drei Jahren an der Pest starb, hat sie die Aufgaben der Burgherrin übernommen und muss früh lernen, mit Verantwortung umzugehen. Für die Burgbewohner bedeutet es große Aufregung, als der Lehnsherr Graf Günther Ritter Martin darum bittet, seinem Freund Graf Ruprecht von Falkenstein und dessen Gefolge für ein paar Tage zu beherbergen.
Der unerwartete hohe Besuch des reichen Grafen wird zu einem ungeahnten Erfolg: Der stattliche und attraktive Graf Ruprecht ist sofort von Margerite eingenommen und hält schließlich um ihre Hand an. Für Margerite ein doppelter Grund zur Freude, denn sie heiratet nicht nur weit über ihrem Stand, sondern auch für sie ist es eine Liebesheirat. Ihre neue Heimat, Burg Falkenstein, ist deutlich größer als Burg Hirschenberg. Margerite muss sich erst an die neue Stellung als Gräfin gewöhnen.
Trotz ihrer Unsicherheit ist Margerite anfangs glücklich auf Falkenstein. Mit ihrem Mann verbindet sie vor allem die Liebe zur Jagd mit Raubvögeln und sie genießt seine Zärtlichkeiten. Allerdings ist ihr Glück nicht ungetrübt: Weshalb ist ihr geliebter Ruprecht bei den Dorfbewohnern und seinen Vasallen so gefürchtet? Was hat es mit den beiden unheimlichen Dienern Klingsor und Kundrie auf sich, denen Ruprecht offenbar bedingungslos vertraut? Warum ist ausgerechnet der so finster wirkende Bertram der Hauptmann der Wache, was hat er zu verbergen und kann Margerite ihm trauen? Was ist das für ein mysteriöser Orden, dem Ruprecht angehört und über den Margerite nichts erfahren darf? Die junge Frau kommt nach und nach hinter schreckliche Geheimnisse, die ihr Leben gefährden...
Spannende Mittelaltergeschichte mit Fantasy-Einschlag
Ausgerechnet ein amerikanisches Autorenehepaar nimmt sich eines Roman an, der im Deutschland des Hochmittelalters spielt - Stephan und Melodi Grundy zeigen aber, dass diese Kombination wider Erwarten richtig gut werden kann. Der Roman gibt sich anfangs noch als ganz normale Mittelaltergeschichte, der sich um das Schicksal einer einfachen Ritterstochter dreht, die plötzlich zur Gräfin aufsteigt. Spätestens in der zweiten Hälfte der Handlung kommt jedoch noch eine leichte Fantasy-Komponente hinzu. Seit ihrer Hochzeit träumt Margerite regelmäßig, sie verwandle sich in eine Falkin und ihr Mann zeigt ein seltsam ausgeprägtes Interesse an diesen Träumen - die vielleicht gar keine Träume sind? Mit der Einbindung des geheimnisvollen Ordens verwandelt sich der Roman zeitweise gar in eine Gruselgeschichte. Zunächst findet Margerite es nicht ungewöhnlich, dass ihr Gemahl der Kirche wenig zugetan ist, auch wenn sie selbst an ihrem Glauben festhält. Auch dass er einem Orden angehört, dessen Ring er und auch andere seiner Freunde tragen, ist in diesen Zeiten keine Besonderheit. Auf einer Reise erfährt Margerite allerdings dann einige Details zu diesem Orden, die sie verstören und allmählich begreift sie, dass es eine mächtige Organisation ist, deren Ziele weit über das hinausgehen, was nach Margerites Verständnis richtig ist. Diese Schatten, die sich nach und nach in das Leben der jungen Frau einschleichen, werden sehr behutsam in die Handlung eingeführt. Es liest sich äußerst fesselnd, wie Margerite sich erst über das plötzliche Eheglück mit einem scheinbar so wunderbaren Mann freut und dann ganz langsam die dunklen Seiten ihres neuen Lebens erfahren muss.
Überzeugende Charaktere
Die Protagonistin Margerite schließt der Leser schon sehr rasch ins Herz. Sie ist grundsätzlich eine hübsche, warmherzige und liebenswerte junge Frau, die schon früh erwachsen werden musste. Obwohl sie auf der Burg ihres Vaters glücklich ist und gerne ihren Pflichten als Burgherrin nachkommt, kennt auch sie Zweifel und Unsicherheiten. Nicht nur ihre Mutter starb an der Pest, auch ihr Verlobter, der ihr schon seit Kindestagen als Gemahl versprochen war, hat die Seuche nicht überlebt. Daher ist Margerites Vater gezwungen, sie baldmöglichst an einen heiratswilligen Mann zu geben und Margerite hofft daher nicht auf eine Liebesheirat. Umso glücklicher ist sie, als ausgerechnet der angesehene und attraktive Graf Ruprecht um sie wirbt, alles scheint zu schön um wahr zu sein - und damit hat sie leider nicht Unrecht. Margerites Reaktionen sind überzeugend und realistisch, sehr schön ist vor allem mitzuerleben, wie sie sich erst einleben muss auf der neuen Burg und Mühe hat, plötzlich als souveräne Gräfin aufzutreten und die nötige Strenge mitzubringen, die man von ihr in dieser Rolle erwartet.
Die zwei Jahre jüngere Gertrude ist nicht nur ihre Dienstmagd, die sie in die neue Heimat begleitet, sondern auch eine Vertraute - wiewohl das Verhältnis zwischen den beiden realistisch bleibt und Gertrude in Margerite immer ihre Herrin sieht. Gertrude ist eine schwatzhafte, lustige junge Frau, die mit ihren manchmal etwas derben Sprüchen und der direkten Art für amüsante Momente sorgt. Zwei unheimliche Nebenfiguren sind die Geschwister Klingsor und Kundrie, eine auffallend hässliche alte Frau und ihr wie aus dem Gesicht geschnittener Zwillingsbruder, die sich stets in schwarze Kutten kleiden und auf Margerite von Anfang an widerwärtig und böse wirken. Umso schlimmer ist es für sie, das ihr Gemahl große Stücke auf die beiden hält und seine Frau dazu drängt, ihnen zu vertrauen. Eine sehr vielschichtige Gestalt ist Bertram, der anfangs so düster und unfreundlich wirkende Hauptmann der Wache. Margerite fühlt sich zunächst in seiner Gegenwart immer unwohl und rätselt, was er zu verbergen hat - es gibt nämlich Hinweise darauf, dass er von angesehener Herkunft ist und darum ist es umso seltsamer, dass er als Hauptmann arbeitet. Lange Zeit glaubt Margerite, dass Bertram ihrem Mann gefährlich werden könnte - doch als sie den unwirschen Mann eines Tages tränenüberströmt in der Kapelle beim Beten beobachtet, dämmert ihr langsam, dass sie Bertram falsch eingeschätzt hat. Eine besondere Bedeutung kommt dem riesigen schwarzen Kater zu, dessen Herkunft niemand kennt und der Margerite vom ersten Tag an auf der Burg auf Schritt und Tritt folgt. "Kobold", wie sie ihn tauft, ist mehr als eine einfache Katze, was der Leser aber erst im letzten Drittel des Romans erfährt - dann ist diese Wendung aber umso gelungener.
Trotz des leichten Fantasyeinschlags ist der Auftakt dieser Trilogie in erster Linie ein Historienroman, der anschaulich das Hochmittelalter vor Augen führt. Der Leser erfährt viel über die damaligen Gepflogenheiten, wie nebenbei wird davon erzählt, was die Figuren für Kleider tragen, was sie essen und wie die Mahlzeiten zubereitet werden, wie ihre Häuser und Burgen eingerichtet sind und wie Margerite ihre tägliche Schönheitspflege betreibt. Schön sind ebenso die Informationen zur Falkenjagd und der Anhang gibt noch einen kurzen Hintergrund zur Epoche sowie Grundrisse zur Burg Falkenstein. Auch über die gesellschaftlichen Rechte und Pflichten zu jener Zeit wird viel preisgegeben und es wird ein ums andere Mal deutlich, warum heute gerne vom "finsteren Mittelalter" die Rede ist, denn die Sitten waren hart. Es gibt wenig, was man diesem Roman ankreiden kann, sofern man sich für das Sujet interessiert. Nicht ganz so behutsam wie sonst ist beispielsweise die Wandlung der Gefühle zwischen Margerite und Bertram. Es dauert zwar eine ganze Weile, bis Margerite ihre Meinung zu ihm ändert, das geschieht dann aber sehr plötzlich und ist nicht ganz glaubwürdig, wenn man bedenkt, wie abstoßend sie ihn anfangs fand. Nicht ganz logisch ist auch, wie Margerite das eigenartige Verhalten ihres Katers als gegeben hinnimmt. "Kobold" ist von Beginn an äußerst zutraulich, anhänglicher als jeder Hund und dabei für eine Katze auch noch merkwürdig geschickt - Margerite hält es zwar für möglich, dass er aus einem Zirkus entlaufen ist, trotzdem reagiert sie zu gelassen auf seine Kunststücke und Fertigkeiten, die einen ganz anderen Hintergrund haben.
Als Fazit bleibt ein sehr fesselnder Mittelalterroman mit dezenten Fantasy-Elementen, der bis zum Ende Spannung verspricht. Die Hauptfigur lädt zum Mitfiebern ein, die weiteren Charaktere sind allesamt interessant und am Ende ist der Leser begierig darauf, auch die weiteren beiden Bände zu verschlingen.
Stephan Grundy, Heyne
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