Silbergrau

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  • Erschienen: Januar 2004
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  • , 2004, Titel: 'Silbergrau', Originalausgabe
Silbergrau
Silbergrau
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Carsten Jaehner
831001

Histo-Couch Rezension vonJul 2006

Mord auf dem Theater

Die Philosophie, dass an Theatern das wahre Theater meist hinter der Bühne gespielt wird, ist so alt wie das Theater selbst. In Tom Wolfs "Silbergrau" findet der Mord jedoch auf offener Bühne statt - bei der Saisoneröffnung vor vollem Haus und in der ersten Reihe sitzt der Preußenkönig Friedrich der Große! Ein Fall für seinen Zweiten Hofküchenmeister Honoré Langustier!

Die Allüren von Sängern und Tänzern

Den großen Preußenkönig plagen Sorgen. Während er im Jahr 1743 auf einer Anhöhe sitzt und ein "Pickernick", wie er es nennt, zu sich nimmt, weigert sich die Tänzerin Barbera Campioni aus Venedig ihren unterschriebenen Vertrag mit dem preußischen Hof zu erfüllen und nach Berlin zu kommen. Nichts ärgert den König mehr als Ungehorsam und das auch noch von einer Frau, die nur der Liebe wegen ihren Vertrag bricht und in Venedig mit ihrem schottischen Lord herumpoussiert. Nicht einmal der ebenfalls anwesende Voltaire kann seine Laune heben.

Während der König im Theater sitzt und sich über das ihm wohlbekannte Stück erfreut, das sich auf der Bühne abspielt, zischt plötzlich ein Pfeil durch den singenden Kastraten Pepperino, der daraufhin blutüberströmt in den Orchestergraben stürzt. Sofort wird das Theater abgeriegelt und da der Pfeil von oberhalb der Bühne kam, sind viele Verdächtige gleich ausgemacht. Ungewöhnlicherweise stammt der Pfeil aus einer Armbrust, und Friedrich II. weiß sofort, dass er den Fall seinem Polizeichef Jordan und seinem Zweiten Hofküchenmeister Honoré Langustier anvertrauen kann. Die beiden ermitteln nicht das erste Mal für seine Majestät.

Während sich die Nachforschungen zunächst recht erfolglos dahinschleppen, kommt auch die Sache mit der "Danseuse" nicht weiter voran. Da Langustier herausgefunden hat, dass Pepperino und einige Verdächtige ursprünglich aus Venedig stammen, wird er vom König nach Venedig geschickt, um dort zu ermitteln und, wenn man schon mal vor Ort ist, sich auch gleich um die unwillige Tänzerin zu kümmern. Beides ist jedoch leichter gesagt als getan. Zurück in Berlin findet bald ein zweiter Mordanschlag statt...

Hervorragende Beschreibungen von Oper und Tanz

Tom Wolf gelingt es, im bereits sechsten Fall des Zweiten Hofküchenmeisters seiner Majestät, wie gewohnt die Zeit einzufangen und das Leben am preußischen Hof bildhaft darzustellen. Wo man auf einer Anhöhe "pickernickt", wird in späteren Jahren Schloss Sanssouci entstehen und alle weiteren Orte werden ebenfalls fein beobachtet und gut beschrieben. Friedrichs Hofstaat besteht, wie das immer so ist, aus hellen Köpfen und auch eher dunkleren Leuchten, manche davon eher langsam im Verständnis, dafür aber umso realistischer und sympathischer...

Viel Wert legt Tom Wolf auf die Beschreibung der Oper, was den Leser tatsächlich in die Zeit mitnimmt und ihm das Gefühl gibt, direkt neben dem König den Augen- und Ohrenschmaus zu betrachten. Auch das Gefüge der Theaterleute untereinander ist gut beobachtet und wird so manchem Leser und Theatermenschen zeigen, dass sich manche Dinge über die Jahrhunderte nicht geändert haben. Auch die Reise nach Venedig und die dortigen Verhältnisse zeigen, dass Wolf ein scharfer Beobachter und hervorragender Erzähler mit einigem Sinn für Humor ist.

Majestät sprechen eine Art Deutsch

Die Personen, allen voran der König, sind sehr klug beschrieben und dargestellt. Bei Friedrich fällt, wie auch in den vorigen Büchern, auch seine Sprache ins Gewicht. König Friedrichs Deutsch soll ja zum Fürchten gewesen sein und dem trägt Wolf jedes Mal Rechnung, sobald Majestät den Mund aufmacht:

 

Doch hat sich die Ballerine in Paris zuletzt reichlich widerspenstig gezeiget und ist mit einem Schotten in ihre Heimatstadt Venedig durchgebrannt. Cataneo seindt gänzlich überfordert, denn er kann sich nicht ins rechte Benehmen setzen mit cette Créature. Sie empfängt ihm nicht und verweigert mich die Erfüllung des geschlossenen Kontrakts. Seindt das nicht spaßig, wenn die Opera zu spielen beginnet, noch bevor man die Balletteuse im Hause hat?

Wenn Langustier schon mal in Venedig ist, informiert er sich natürlich auch gleich über das neueste Kulinarische auf dem Markt, in diesem Fall Speiseeis. Wolf flechtet gerne diese kleinen Randerscheinungen in die Geschichte ein und sie geben dem Ganzen, wenn man so will, das Salz in die Suppe. Wenn auch Langustiers Kochkünste diesmal nicht ganz so in Erscheinung treten wie gewohnt, betrachtet man doch alles immer gerne auch aus kulinarischer Sicht.

Der Mordfall rückt etwas in den Hintergrund

Ein kleiner Wermutstropfen des Buches ist, dass über die Geschichte der "Danseuse" die Aufklärung des Mordes in den Hintergrund rückt und man schließlich den Gedankengang Langustiers nicht wirklich nachvollziehen kann. Wenn er dann aber, wie es bei ihm üblich ist, bei großer Tafel und allen anwesenden Verdächtigen den Fall erklärt und aufklärt, ist man wieder versöhnt und erkennt die Zusammenhänge.

Tom Wolfs Roman bietet dem Leser ein rundum gelungenes Lesevergnügen, das keine Wünsche offen lässt. Neben realer Prominenz wie Voltaire, Kapellmeister Carl Heinrich Graun oder dem Kastraten Porporino laufen wieder zahlreiche fiktive Charaktere durchs Bild, wobei ein Unterschied zwischen real und fiktiv nicht zu erkennen ist. Eine Auflistung aller Personen zu Beginn des Buches und ein sehr umfangreicher, lehrreicher und unterhaltsamer Anhang komplettiert einen wundervollen Lesegenuss, der ja innerhalb dieser Reihe von Tom Wolf gerne fortgeführt werden kann. Weiter so!

Silbergrau

Tom Wolf, -

Silbergrau

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