Das Haus der Madame Rose
- Bloomsbury
- Erschienen: Januar 2011
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- Bloomsbury, 2010, Titel: 'The House I Loved / Rose', Originalausgabe
Still und bewegend, ein literarischer Leckerbissen
Kurzgefasst:
Paris, 1868: Rose Bazelet führt ein beschauliches Leben im Herzen der Stadt, bis sie einen Brief erhält. Auf Anordnung des Barons Haussmann soll ihr Haus wied Hunderte andere abgerissen werden, weil an dieser Stelle der große Boulevard St. Germain geplant ist. Doch was passiert mit den Menschen, die ihre Häuser verlassen müssen?
Madame Rose Bazelet lebt seit dem Tode ihres Mannes allein in dem großen Haus in der Rue Childebert, als sie eines Tages, wie alle Bewohner des Viertels, einen Brief erhält, in dem ihr mitgeteilt wird, dass nun auch ihr Haus aufgrund der seit Jahren laufenden Modernisierungsmaßnahmen in Paris abgerissen wird. Madame Rose ist fassungslos. Ihr Mann ist in diesem Haus geboren und gestorben, ebenso wie sein Vater und Großvater, Rose hat die schönste Zeit ihres Lebens darin verbracht, ihre Kinder wurden hier geboren und es ist voller Erinnerungen. Die alte Dame will sich nicht damit abfinden und sich schon gar nicht aus ihrem geliebten Haus vertreiben lassen. Sie nimmt den Kampf mit der Obrigkeit auf und verbarrikadiert sich in einem kleinen Raum.
Da hat sie nun auch Zeit, ihr Leben Revue passieren zu lassen und schreibt Briefe an ihren verstorbenen Mann, erzählt ihm Dinge, die sie nie gewagt hat auszusprechen, berichtet ihm von ihren Erlebnissen nach seinem Tod und spricht mit ihm, als stünde er neben ihr.
Ruhige und feinfühlige Erzählung
Das Haus der Madame Rose ist ein historischer Roman, der eigentlich mehr ein Psychogramm einer alten Dame ist. Die Geschichte spielt zwar im Jahre 1869, könnte aber ebenso gut in der heutigen Zeit angesiedelt sein, denn der Focus liegt auf der Gefühls- und Gedankenwelt der Protagonistin.
Rosnay zeichnet ihre Figuren mit viel Liebe fürs Detail, und obwohl der Roman in Briefform gehalten ist und dadurch aus Perspektive Roses erzählt wird, versteht es Rosnay ihre Figuren durch Roses Augen unvoreingenommen und auch glaubwürdig darzustellen. Durch die Briefe Roses an ihren verstorbenen Mann Armand nimmt diese Figur neben Rose einen sehr wichtigen Platz ein und man lernt ihn so gut kennen, als wäre man ihm selbst begegnet.
Von Beginn an weiß man, dass dieses Buch ein trauriges, aber dennoch kein bedrückendes oder schwermütiges ist. Rosnay lässt durch ihre Protagonistin den Leser das Paris der großen Modernisierungszeit hautnah miterleben und lässt ihn die Ängste und den Schmerz des Verlustes nachempfinden. Rose sitzt im Keller ihres Hauses und nur weil sie weiß, dass die Briefe, die sie an Armand schreibt, nie jemand lesen wird, erlaubt sie sich, auch die geheimsten Gedanken niederzuschreiben. Die Autorin vermittelt die innere Zerrissenheit Roses mit sehr viel Feingefühl, umreißt und analysiert ihre Figur und deren Unfassbarkeit mittels der Briefe, die einen so intimen Einblick in das Innerste ihrer Gedanken gewähren, dass dem Leser beinah Zweifel kommen, ob er durch das Lesen ihrer Briefe diese Schamgrenze denn wirklich übertreten darf. Madame Rose legt ihr Leben Schritt für Schritt, oder sollte man besser sagen, Briefseite für Briefseite, dar. Nach und nach bekommt man tiefere Einblicke in ihr Leben und man spürt förmlich selbst, wie schwer es ihr fällt, die schmerzhaftesten Ereignisse auch nur gedanklich zu erfassen und gar vor Armand darzulegen.
Dennoch gibt es zwischendurch immer wieder auch heitere Momente, wie auch der, als Rose es das erste Mal wagt, sich in die Welt der Literatur zu begeben und ihr der Buchhändler Zamaretti "Madame Bovary" von Gustave Flaubert empfiehlt und im selben Atemzug erzählt, dass dieses Werk Anlass zu einem skandalträchtigen Prozess wegen "Verstoßes gegen die guten Sitten und die Moral" gab, den der Autor jedoch gewann.
Man trifft auch auf vielerlei Bekannte wie eben die Schriftsteller Flaubert, Poe und Zola oder auch den Künstler Delacroix.
Elegant und berührend
Mit Madame Rose begibt man sich in ein Kammerspiel. Sie erzählt und berichtet, blickt manchmal wehmütig und voller Schmerz zurück, als sie das Liebste, das sie besaß, verlor, holt aber auch die glücklichen Tage wieder hervor, erlebt diese nochmal und lässt den Leser - nicht wissentlich - daran teilhaben.
Rosnays Sprache ist wie die Erzählung selbst, weich, leicht und dennoch elegant und von hohem Niveau. Das Buch ist aus dem Englischen übersetzt und Gaby Wurster, der Übersetzerin, gebührt Anerkennung für ihre gelungene Arbeit, denn die Sprache bildet ein komplexes Ganzes zu der Erzählung einer eleganten alten Dame, die Bilanz zieht aus ihrem Leben.
Ein eindrucksvolles und etwas melancholisches Buch, das mit seinen gerade mal 240 Seiten immens gewichtet und sich tief in die Gedanken des Lesers prägt.
Tatiana de Rosnay, Bloomsbury
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