Die Kaiserin von Ravenna

  • Fischer
  • Erschienen: Januar 2012
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  • Fischer, 2012, Titel: 'The Last Empress', Originalausgabe
Die Kaiserin von Ravenna
Die Kaiserin von Ravenna
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Histo-Couch Rezension vonMär 2012

Die römische Gotin

Kurzgefasst:

Rom, im 5. Jahrhundert n. Chr. In ihren Adern fließt das Blut der römischen Kaiser: Galla Placidia. Als die Goten Rom erobern, wird sie als Geisel verschleppt. Sie begegnet dem Gotenführer Athaulf, und ihre Verachtung für den "Barbaren" verwandelt sich in Liebe. Sie wird Königin der Goten. Doch als Athaulf durch Verrat stirbt, muss Placidia fliehen zurück in die Wirren um Rom. Aber sie lässt sich nicht zum Spielball von Intrigen machen, sondern greift selbst nach der Macht. Kann sie Westrom von Ravenna aus regieren und vor dem Zerfall bewahren?

 

Als Tochter des römischen Kaisers Theodosius wächst Galla Placidia behütet im Römischen Reich auf. Doch nach dem Tod des Kaisers wandelt sich ihr vorgeschriebener Lebensweg, denn ihre Brüder sind schwache Nachfolger. Die Westgoten unter Führung von Alarich fallen 410 in Rom ein und plündern die Stadt drei Tage lang. Während dieses Raubzuges fällt ihnen Placidia in die Hände. Als Geisel zieht sie gemeinsam mit den Goten durch Europa. Sie lernt Athaulf, den Schwager von König Alarich, kennen und lieben. Als Alarich stirbt und Athaulf neuer König der Goten wird, ist sie als seine Königin an seiner Seite. Doch dann wird Athaulf hinterrücks ermordet und Placidia muss nach Rom zu ihren Bruder Kaiser Honorius zurückkehren und den Feind der Goten, den Heermeister Constantius, heiraten. Es ist bitter, doch als ehemalige Königin der Goten kämpft sie weiter für das Volk, dass sie lieben lernte. Sie greift nach der Macht in Rom. Doch ist Rom bereit für eine starke Frau an erster Stelle?

Eine Reise zum Umbruch der Welt

Maria R. Bordihn nimmt die Leser auf eine Reise zum Umbruch der Welt mit. Die Macht des Römischen Reiches schwindet, der Untergang ist nah, auch wenn es die Römer selbst nicht wahrhaben wollen. Es ist eine Zeit voller Wirren. Die "barbarischen" Stämme drängen immer weiter nach Westen und sie sind bereit, ihr Streben nach Land mit Waffengewalt durchzusetzen. Das Ende der Antike ist gekommen und Galla Placidia stößt die Tür zum Mittelalter auf. Sie war die Tochter, Schwester und Tante eines Kaisers. Sie war Königin der Goten. Sie trug selbst den Augusta-Titel und sie war die Mutter von Kaiser Valentinian III., dem letzten Kaiser, der noch halbwegs selbständig regieren konnte und dessen Tod dass Ende des weströmischen Reiches einleitete. Galla Placidia war ein mächtige und sehr einflussreiche Frau, die jeden Mann ebenbürtig war, wenn sie diese nicht so gar übertrumpfte.

Tribut zollend

Bordihn zeichnet ein charismatisches Bild einer Frau, die nicht nur willensstark war, sondern auch sehr religiös und die zudem viel Herz besaß. Der Weg, den sie beschritt, ist mit jeder Zeile nach vollziehbar. Da ist zum Beispiel die junge römische Frau, die gefestigt in ihrem Glauben und Prinzipien Geisel der Barbaren wird. Sie wird ihre Prinzipien nie verraten, aber sie lernt, sich den Umständen zu öffnen und sich anzupassen. Königin der Goten zu sein ist für sie nicht nur ein Titel, sondern sie bringt Verständnis für das Volk auf. Sie glaubt an deren Stärke und Ehre und dass nur gemeinsam, die Goten und die Römer, den Zerfall des Reiches aufhalten können. Und da ist die Liebe zu Athlauf. Den Quellen nach ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Verbindung dieser beiden Menschen auf Liebe basierte und nicht nur politischem Kalkül folgte. Und so ist das Bild, dass Bordihn von Placidia und Athlauf schafft, ein zutiefst sympathisches und nachvollziehbares.

Natürlich füllt sie die Lücken der Geschichtsschreibung mit ihrer Fantasie, doch sie tut dies stets im Rahmen der Glaubwürdigkeit. Als Placidia nach Rom zurückkehren muss, ist ihr Schmerz, ihre Verwirrung beinahe greifbar. Sie hat sich verändert. Ihr Geist ist geschärft, doch ihr Herz blutet. Aus der unglücklichen Verbindung zu dem Heermeister ihres Bruder entspringt ein Sohn und eine Tochter. Und sie wird alles tun um die Macht für ihren Sohn zu sichern und Rom vor dem Verfall zu bewahren. Aber sie bleibt auch stets ihrem gotischen Volk verbunden. Sie verschafft ihnen Stabilität und Land in Spanien, in dem sie siedeln können. Und als Rom untergeht, ist man froh, dass Placidia ihn nicht mehr erleben musste. Denn das wäre ein Schicksalsschlag gewesen, den sie nur schwerlich überwunden hätte.

Schnörkelloser Lesespaß

Bordihn bringt Licht in eine Zeit des großen Wandelns. Als Leser hat man nie das Gefühl, mit Zahlen und Fakten im Stich gelassen zu werden. Im Gegenteil, ihr Schreibstil ist lebendig und floskelfrei. Sie lehrt Geschichte ohne Fingerzeig und öffnet den Blick auf etwas Altes, Dauerhaftes, dass durch etwas Neues, Modernes ersetzt wurde. Und sie zollt einer großartigen Frau Tribut ohne Kitsch und Schnörkel.

Schade ist nur, dass es kein Nachwort gibt, in dem erklärt wird, wie viel der Wahrheit und viel der Fiktion entspricht. Wer sich intensiv mit dem letzten Jahrhundert des Römischen Reiches auseinandergesetzt hat, wird erkennen, wie gut der Roman recherchiert ist und auch vorhandene Quellen und Zeugnisse geschickt verarbeitet sind, aber der Laie hätte sich gewiss über ein Nachwort gefreut. Dem Lesespaß tut es allerdings nicht im Geringsten einen Abbruch.

Die Kaiserin von Ravenna

Maria R. Bordihn, Fischer

Die Kaiserin von Ravenna

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