Mord unter den Linden
- Emons
- Erschienen: Januar 2012
- 6
- Emons, 2012, Titel: 'Mord unter den Linden', Originalausgabe
Spannender Fall zu Berlins Kaiserzeit
Kurzgefasst:
Berlin, im Sommer 1890. Dr. Otto Sanftleben erforscht die Körpersprache von Kriminellen. Als eine junge Handschuhnäherin gekreuzigt und mehrere anarchistische Attentate verübt werden, erklärt er sich bereit, den ermittelnden Commissarius zu unterstützen und zur schnellen Aufklärung beizutragen. Eine geheimnisvolle Revueschauspielerin gibt den entscheidenden Fingerzeig und weckt tot geglaubte Gefühle in ihm. Zu spät begreift er, dass er in Lebensgefahr schwebt.
Im Berlin des Jahres 1890 wird eine junge Frau gekreuzigt und verbrannt. Die Berliner Polizei steht vor einem Rätsel. Commissarius Funke wird mit dem Fall beauftragt, und dieser fragt Dr. Otto Sanftleben um Hilfe, seinerseits Kriminologe und Erforscher der Körpersprache bei Kriminellen. Sie treffen auf Friederike Dürr, Revueschauspielerin und beste Freundin des Opfers, in die Sanftleben sich verliebt, und sie sich in ihn.
Unterstützt von seinem Bruder Ferdinand und seinem siebzehnjährigen schwarzen Leibdiener Moses ermittelt Otto in Berlin, und über die Apostolische Gemeinde findet er eine schreckliche Wahrheit heraus, die auch bis in die Cheftagen der Polizei führt. Doch es gibt weitere Opfer, und schließlich geraten auch Otto und seine Rieke in Lebensgefahr.
Verzwickter Kriminalfall
Tim Pieper hat mit seinem zweiten historischen Roman einen spannenden und atmosphärisch dichten Romane vorgelegt, der den Leser in das deutsche Kaiserreich entführt, wobei Majestäten auch selbst einen kurzen Gastauftritt hat. Dabei beschränkt er sich nicht nur auf einen durchtriebenen Kriminalfall, sondern malt auch ein gelungenes Bild Berlins zum Ende des 19. Jahrhunderts.
Der Fall selbst beginnt direkt mit einem Paukenschlag, wo eine junge Frau gekreuzigt und verbrannt aufgefunden wird. Wie sich die Ermittlungen entwickeln, soll hier aus Gründen der Spannung nicht weiter beschrieben werden. Doch versteht Tim Pieper es, den Leser in ein verzwicktes Gefüge zu führen und dabei auch falsche Fährten zu legen. Das ist gekonnt und geschickt durchdacht und erhöht die Spannung des Romans.
Noch neu im Berliner Stadtbild: Das Fahrrad
Die eigentliche Stärke des Romans liegt aber in der Beschreibung der Zeit und der Sitten und Begebenheiten. Höhepunkt ist hier sicherlich das Fahrradrennen in München, zu dem Otto als Teilnehmer fährt. Das Fahrradfahren war eine neue Mode, und Otto auch aufgrund seiner Fahrweise kein Unbekannter in Berlins Polizeikarteien. Gerade diese Sequenz ist allerdings recht lang geraten und bringt den Fall nicht weiter und hätte daher auch gekürzt werden können. Doch macht es auch Spaß zu lesen, vor allem wegen der aus heutiger Sicht doch antiquierten Ansichten, und so passt es in die gelungene Atmosphäre des Romans.
Gelungen ist auch die Darstellung der politischen Situation, die letztlich über dem Roman schwebt. Das Ende des Sozialistengesetzes ist beschlossene Sache, und natürlich gibt es Ansichten dafür und dagegen, was die Stimmung in Berlin enorm aufgeheizt hat. Auch andere Begebenheiten prägen die Geschichte und vervollkommnen das Bild der Zeit.
Bewegtes Privatleben des Protagonisten
Die Charaktere sind liebevoll gezeichnet, allen voran natürlich Otto Sanftleben, dessen Privatleben, gerade auch mit seiner ehemaligen Verlobten, eine recht grosse und intensive Rolle spielt. Allein mit der Liebe zwischen Otto und Rieke geht es doch recht schnell und recht glatt, hier hätte ein wenig mehr Geplänkel zwischen den beiden mehr Charme verbreitet. Ferdinand und Moses sind vor allem im zweiten Teil des Romans präsent und bilden die ideale Ergänzung zu Otto.
Alles in allem hat Tim Pieper einen historischen Kriminalroman vorgelegt, der trotz kurzer Leerlaufpassagen auf ganzer Linie zu überzeugen weiß. Ein spannender Kriminalfall gepaart mit ordentlich Lokalkolorit (wenngleich die typische "Berliner Schnauze" vermisst wird) ergeben einen lesenswerten Abstecher in Berlins Kaiserzeit unter Wilhelm II. Lobend erwähnt werden sollte auch das stimmungsvolle Buchcover, das den Leser schon vor der Lektüre mit auf die Zeitreise nimmt. Vielleicht begegnet man ja Dr. Otto Sanftleben und seinem Team ja bald noch ein weiteres Mal? Zu wünschen wäre es ihm, denn es gibt bestimmt noch mehr Verbrechen Unter den Linden.
Tim Pieper, Emons
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