Der Mord des Jahrhunderts
- -
- Erschienen: Januar 2012
- 2
- , 2011, Titel: 'The Murder of the Century: The Gilded Age Crime That Scandalized a City and Sparked the Tabloid Wars', Originalausgabe
Die Macht der Yellow Press
Kurzgefasst:
Eine Geschichtsstunde mit Porträts der Zeitungsmogule Joseph Pulitzer und William Randolph Hearst.
Über ganz New York verteilt werden die ordentlich abgetrennten Körperteile eines Mannes gefunden. Die Polizei tappt im Dunkeln. Weder Zeugen noch Motive noch Verdächtige bieten Anhaltspunkte. Diese grausigen Funde im Juni 1897 sind der Beginn eines der mysteriösesten Mordfälle des 19. Jahrhunderts. Der Fall löst einen noch nie da gewesenen Medienzirkus aus, der die Geburtsstunde des Boulevardjournalismus ist. Die Spuren führen Reporter und Polizisten in das deutsche Immigrantenmilieu und zu einer verhängnisvollen Dreiecksbeziehung. Doch handelt es sich bei der kopflosen Leiche wirklich um William Guldensuppe? Bis zum Schluss hält der historische Fall mit seinen überraschenden Wendungen die damalige Bevölkerung wie den heutigen Leser in Atem.
Eine unerträgliche Hitze, ein beinharter Kampf um Auflagezahlen, gewissenlose Journalisten und angeschwemmte Leichenteile an den Anlegestellen des East Rivers - so zeigt sich das New York des Jahres 1897.
Die grausamen Funde von Leichenteilen stellen die Kriminalkommissare vor ein Rätsel. Da der Kopf fehlt, muss zuerst einmal ermittelt werden, wer der Tote überhaupt ist. Warum wurde er umgebracht und, vor allem, wer ist der Mörder? Schnell ergeben sich einige Spuren, aber nicht nur die Polizei ist hinter dem Täter her, sondern auch ein ganzer Pulk von Journalisten, die für ihre Zeitung ganz nahe am Geschehen sein wollen, damit in der nächsten Ausgabe sie die Neuigkeiten schlechthin als erste abdrucken können.
Dokumentarisch ironische Erzählweise
Basierend auf einen wahren Fall, rollt Paul Collins einen bereits in den Archiven verschwundenen Fall nochmal gänzlich neu auf. Eine Leiche wird in Einzelteilen aufgefunden und als man endlich weiß, dass es sich um William Guldensuppe handelt, hat man auch schnell Verdächtige bei der Hand. Nun geht es ans Sammeln von Beweisen und das ist alles andere als einfach.
Collins hat aus diesem Mord nicht einfach einen Kriminalroman gestrickt, sondern nimmt diesen nur als zentrales Thema, um darum den Machtkampf der großen Boulevardzeitungen auf sehr individuelle Weise zu schildern. Aus eher dokumentarischer Sicht berichtet Collins das Geschehen rund um das eigentlich sehr traurige und grausige Ereignis. Dennoch begreift der Leser schnell, dass es im Grunde gar nicht um den ermordeten Guldensuppe geht, sondern um die der Manipulationsmacht der Presse.
Mit unterschwelligem Humor und leichtem Zynismus, fungiert der Autor quasi als Schachspieler. Aber nicht er ist es, der die strategisch geschickten Züge der einzelnen Figuren vorgibt, sondern sein Mitspieler in Form von skrupel- und pietätlosen Journalisten.
Die mächtigsten Zeitungsverleger der damaligen Zeit liefern sich einen rücksichtlosen Krieg, in dem mit allen Mitteln um Leser gekämpft wird. Da wird gelogen und getrickst, manipuliert und gekauft und was nicht passend ist, wird passend gemacht. Nicht die Polizei gibt das Tempo der Ermittlungen vor, sondern die Presse. Man ist erstaunt, mit welcher Selbstverständlichkeit die Medien in die Ermittlungen eingreifen und sogar die Strategien vorgeben. Wenngleich der Leser weiß, dass auch heute die Medien noch mindestens so viel Macht besitzen wie damals, so erstaunt es einen doch, dies so klar und geradlinig dargeboten zu bekommen.
Informativ in vielerlei Hinsicht
Nicht brav der Reihe nach wird die Geschichte erzählt, denn man ist mitten drin in der Masse neugieriger, schwitzender und tratschsüchtiger Leiber, die nur sensationslüstern danach streben, alle grausamen und blutrünstigen Details des Mordes zu erfahren. Collins' Stil gewährt dem Leser einen voyeuristischen Einblick. Nicht nur die Gedankengänge der Redakteure und das Streben der beiden größten Tageszeitungen nach einer noch höheren Auflage kann man so besser nachvollziehen, sondern auch das gesellschaftliche Treiben und die Sensationsgier zeigen sich so aus einem gänzlich anderen Blickwinkel. Der Autor informiert den Leser auch sehr umfangreich, denn nicht nur über die Werdegänge der Zeitungsverleger selbst, - wobei einer davon kein geringerer als Joseph Pulitzer ist, den Besitzer der "World" - sondern auch über die ersten Schritte der Pathologie oder der Täteridentifikation mittels Fingerabdruck erfährt man einiges.
Menschen wie sie waren und heute noch sind
So ironisch auch erzählt wird, so abgebrüht die Gesellschaft scheint, so nachdenklich hinterlässt dieses Buch auch seine Leser. Unvorstellbar scheint es, was damals alles möglich war und so weit entfernt wirkt alles, als sei dies nur eine surreale, erfundene Geschichte. So locker die Oberfläche scheint, so tief hinab reicht der Hintergrund dieses gekonnt erzählten Romans, in dem Paul Collins auf sehr subtile Weise veranschaulicht, wie leicht sich Menschen manipulieren lassen und dabei sogar ihr Gewissen und ihr Herz vergessen.
Ein gelungenes und vor allem sehr innovatives Werk. Ein Buch, das einem nicht nur kurzweilige Stunden beschert, sondern dazu noch auf sehr interessante und sogar amüsante Weise umfangreiche Informationen bietet. Nicht nur Krimifans kommen auf ihre Kosten, sondern gerade Leser, die gerne hinter die Kulissen blicken, um die so einfach als gegeben wirkende Oberflächliche zu analysieren.
Paul Collins, -
Deine Meinung zu »Der Mord des Jahrhunderts«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!