Mein Herz war nie fort

  • Lübbe
  • Erschienen: Januar 2008
  • 0
  • Lübbe, 2006, Titel: 'Hope', Originalausgabe
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Eva Schuster
851001

Histo-Couch Rezension vonJun 2012

Unterhaltsames Eintauchen ins England des 19. Jahrhunderts

Das englische Somerset 1832, auf dem Anwesen Briargate: Die junge Lady Harvey bringt ein uneheliches Kind von ihrem Geliebten zur Welt, während ihr Ehemann Sir William Geschäfte in Amerika erledigt. Nur ihre alte Zofe Bridie und das junge Dienstmädchen Nell Renton, die bei der Geburt helfen, wissen von der Schwangerschaft. Wider Erwarten überlebt das geborene Mädchen. Bridie und Nell lassen Lady Harvey im Glauben, ihr Kind sei gestorben, um ihr die Angst vor der Aufdeckung ihres Fehltritts zu vermeiden; Nell nimmt es zu sich nach Hause, wo ihre Eltern es als eigenes Kind aufziehen.

Die kleine Hope wächst glücklich unter vielen Geschwistern bei den Rentons auf und ahnt nichts von ihrer wahren Herkunft. Als neben Nell auch weitere Geschwister den Dienst auf Briargate antreten, darf auch Hope immer öfter das Anwesen besuchen. Das kluge und selbstbewusste Mädchen freundet sich mit dem herrschaftlichen Sohn an und auch Lady Harvey findet Gefallen an ihr, ohne zu wissen, dass es sich um ihre leibliche Tochter handelt.

Als Hope fünfzehn Jahre alt ist, wendet sich ihr Schicksal jedoch abrupt. Hope wird Zeugin eines Skandals und ist gezwungen, ihre Familie zu verlassen. Von nun an muss sie sich auf den Straßen von Bristol durchschlagen. Bald darauf bricht in der Stadt die Cholera aus und Hope gehört zu den wenigen Menschen, die sich um die Kranken kümmern. Dabei lernt sie den Arzt Bennett Meadows kennen und folgt ihm auf die Schlachtfelder des Krimkrieges. Doch auch dabei kann sie ihre Vergangenheit nicht vergessen ...

Dramatisches Schicksal einer jungen Heldin

Die historischen Romane aus der Feder von Lesley Pearse folgen zweifellos gewöhnlich einem ähnlichen Grundschema: Im Mittelpunkt steht eine junge, hübsche Frau, die sich mit einem wechselvollen Schicksal auseinander setzen muss, das sowohl höchstes Glück als auch tiefste Verzweiflung für sie bereit hält, verwoben mit einer Liebesgeschichte.

Schauplatz der Handlung ist überwiegend England, wo der Leser sowohl Einblicke in die herrschaftlichen Häuser als auch in die Armengegenden von Bristol erhält. Anschaulich werden die Gepflogenheiten der adligen Gesellschaft sowie die elenden hygienischen Bedingungen der Gossenbewohner geschildert. Politische und geschichtliche Hintergründe insbesondere des Krimkrieges werden nur dezent angedeutet; der Fokus liegt dafür umso mehr auf den Darstellungen des Alltagslebens. Die Handlung entwickelt sich gemächlich und nimmt sich viel Raum, um die Protagonisten vorzustellen. Der Leser wird augenblicklich ins Geschehen hineingezogen und erhält ausführliche Porträts der Figuren. Zunächst wird Nell eingeführt, das älteste Kind von zehn Renton-Geschwistern. Nell ist sechzehn, als sie Hope in ihre Familie nimmt und fühlt sich ihr manchmal geradezu mütterlich verbunden. Sie erscheint dem Leser sofort als sympathische Figur - warmherzig wie alle Rentons, ihrer Herrin treu ergeben und fortan für Hope eine der wichtigsten Bezugspersonen in ihrem Leben. Hope wiederum entpuppt sich als keckes Kind, das rasch seine Umgebung für sich einnimmt. In ihr vereinen sich Klugheit und Schönheit, vor allem aber zeigt sie Ehrgeiz und Nell ahnt früh, dass sich Hope nicht mit einem Dienstmädchendasein zufrieden geben wird.

Das Werk birgt trotz gewisser Wendungen keine großen Überraschungen, dennoch versteht die Handlung zu fesseln. Der Leser kennt Hopes Herkunft von Beginn an und darf sicher sein, dass die Wahrheit eines Tages ans Licht kommt - doch es ist spannend zu verfolgen, wer wann die ganzen Zusammenhänge erfahren wird, denn schließlich sind viele Charaktere in das Geheimnis von Hopes Herkunft verwickelt. So ahnt Hope über lange Zeit nicht, wer ihre wahren Eltern sind, Lady Harvey weiß nicht, dass ihr Baby nicht verstorben ist, ihr Geliebter Angus ahnt nicht einmal, dass sie schwanger war. Außer Nell ist niemand der Renton-Geschwister über Hopes Herkunft eingeweiht und schließlich weiß Rufus Harvey nicht, dass seine Kindheitsfreundin Hope tatsächlich seine Halbschwester ist. Hopes wahre Identität als leibliche Tochter Lady Harveys birgt somit viel Konfliktpotential, vor allem da Lady Harveys Sohn und Ehemann von ihrem Fehltritt erfahren würden. Nach dem Tod der Renton-Eltern ist Nell die Einzige, die um das Geheimnis weiß und es ergeben sich immer wieder prekäre Situationen, in denen die Wahrheit ans Licht zu kommen droht. Weiterhin für Spannung sorgt Nells ausgesprochen schwierige Ehe mit Albert, dem Gärtner von Briargate. Angezogen von seinem hübschen Äußeren ahnte Nell nicht, dass sie sich auf einen Tyrann eingelassen hat, der vor allem Hope noch sehr gefährlich werden wird.

Kleine Schwächen

Insgesamt ist nur wenig zu bemängeln, sofern man sich nicht an einer gewissen Vorhersehbarkeit stört - zwar sterben durchaus liebgewonnene Figuren und es gibt dramatische Schicksalsschläge, doch es ist früh abzusehen, worauf die Handlung letztlich hinausläuft und wer am Ende trotz allen Wirrungen glücklich sein darf. Gerade wenn man schon ein oder mehrere Werke der Autorin kennt, gibt es in Sachen Verlauf und Ausgang kaum Überraschungen.

An manchen Stellen ist das Geschehen zudem ein wenig zu konstruiert geraten; so finden sich sowohl Hope als auch Nell plötzlich in scheinbar aussichtslosen Situationen wieder, nur um kurz darauf durch den Zufall gerettet zu werden. Mehrfach ergeben sich große Probleme für die Protagonisten, doch so erbarmungslos das Schicksal zunächst auch zuschlägt, so öffnet es recht schnell stets wieder ein Fenster. Das wirkt ein wenig gezwungen und nicht unbedingt realistisch und macht das Werk ein bisschen oberflächlich.

Letztlich fällt bei der Charakterisierung auf, dass die Hauptfiguren teils ein bisschen zu edelmütig gezeichnet sind. Sowohl Hope als auch Nell, Bennett und Angus besitzen kaum Schwächen; im entscheidenden Moment zeigen sie sich tapfer und entschlossen, hilfsbereit und selbstlos. Nell opfert sich über viele Jahre für Hope auf und erträgt eine unglückliche Ehe, Hope und Bennett helfen furchtlos den Ärmsten der Armen und pflegen hingebungsvoll Cholerapatienten, während der charmante Angus ein Musterbild des schneidigen Hauptmanns abgibt, der seinem Umfeld stets als Fels in der Brandung erscheint.

So präsentiert sich Mein Herz war nie fort als emotionaler Unterhaltungs-Roman, der sich trotz seines beachtlichen Umfangs von mehr als 600 Seiten sehr leicht liest und sich als vergnügliche Lektüre erweist. Wer tiefer gehende historische Einblicke sucht, insbesondere zum Thema Krimkrieg, wird vielleicht enttäuscht werden, aber als kurzweilige Ferienlektüre ist der Roman ideal geeignet. 

Mein Herz war nie fort

Lesley Pearse, Lübbe

Mein Herz war nie fort

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