Die verschwundene Gräfin
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- Erschienen: Januar 2011
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- , 2011, Titel: 'Die verschwundene Gräfin', Originalausgabe
Joseph von Eichendorffs zweiter und letzter Fall
Kurzgefasst:
1855 hat sich der Dichter Eichendorff nach Köthen zurückgezogen, wo seine schwerkranke Frau Louise in der Klinik des Doktors Lutze behandelt wird. Als Louises Zimmernachbarin, die Gräfin Johanna Augusta von Plötzkau, spurlos verschwindet und kurz darauf ermordet aufgefunden wird, erwacht in Eichendorff der Detektiv...
Im Jahr 1855 kommt der 67jährige Dichterfürst Joseph von Eichendorff nach Köthen, um dort seine in Kur weilende Frau Louise zu besuchen. Ihr ist es dort nicht ganz geheuer, und zudem vermisst sie ihre Zimmernachbarin, die Gräfin Johanna Augusta von Plötzkau. Sie bekniet ihren Gatten, das Verschwinden zu untersuchen, und so begibt er sich mit seinem Enkel Max zum Haus der Plötzkau wo, sie Hinweise auf einen jüngeren Liebhaber der Frau, den Studenten Andreas Klein finden.
Nach einem Gespräch mit dem Klinikleiter, Doktor Lutze, der sich ebenfalls verdächtig verhält, wird im Keller der Klinik die offensichtlich getötete Gräfin gefunden, und Eichendorffs Spürsinn ist gefragt. So reist er mit seinem Enkel Otto nach Halle, um Andreas Klein aufzusuchen und findet den Studenten im entsprechenden Studentenleben vor. Doch mehr und mehr regt sich in ihm der Verdacht, dass es weder Klein noch der Klinikleiter gewesen sein kann. Als Klein verurteilt werden soll, beginnt ein Rennen gegen die Zeit, den Mord an der Gräfin aufzuklären.
Die Familie ermittelt
Bernhard Spring hat seinen zweiten Krimi um den Ermittler Joseph von Eichendorf fünfzig Jahre nach dem ersten Fall, Folgen einer Landpartie, angesiedelt, und somit begegnet man einem gereifteren, lebenserfahreneren und natürlich älteren Dichter, der zwar berühmt, doch dadurch leider nicht wirklich reich geworden ist. Eigentlich mehr Beamter und Staatsdiener als Dichter, hat er immerhin eine Familie aufgebaut, doch durch das Erbe seines Vaters, das nur aus Schulden bestand, auch viele Familienbesitztümer verloren. Nun lebt er bei der Familie seiner Tochter Therese, einer verheirateten von Besserer-Dahlfingen.
Durch den großen Zeitabstand der beiden Romane, die somit einen Rahmen um sein Leben bilden, kann man gut erkennen und nachvollziehen, was aus Eichendorffs Träumen und Wünschen geworden ist. Doch er agiert nicht mehr so hitzig und spontan wie früher, wenngleich seine Familie ihn stets sucht, da er niemandem Bescheid gesagt hat, dass er mit seinem Enkel nach Halle aufgebrochen ist. Eine gewisse Altersspontaneität, die gerade seine Haushälterin Maly auf die Palme treibt.
Kurz und gut
Eichendorffs Figur steht im Mittelpunkt des leider nur 174 Seiten starken Romans aus dem Mitteldeutschen Verlag. Die Suche nach dem Mörder der Gräfin von Plötzkau erweckt in ihm ungeahnte Kräfte und Lebensgeister, und sogar seine Enkel erkennen ihn in seiner Lebensfreude nicht wieder, doch machen sie gerne mit, erleben sie doch so ein paar unvergessliche Abenteuer.
Neben Eichendorff, der treffend charakterisiert wird, stehen seine Enkel Max und der ältere Otto im Zentrum, vor allem Otto, der von Eichendorff als Spion mit nach Halle nimmt und der, immer noch erstaunt über die am Rande der Legalität stattfindenden Aktionen seines Großvaters, es genießt, sich als vermeintlicher Studentenanwärter in ein Hotel einzuschmuggeln und Studenten auszuhorchen.
Auch Andreas Klein, Eichendorffs vermeintlicher Hauptverdächtiger, nimmt entsprechenden Raum ein und erweist sich als studentischer Windhund, stadtbekannt und gelegentlich sogar mal in einer Vorlesung anzutreffen. Aber auch Nebencharaktere wie Eichendorffs Frau Louise und die gemeinsame Tochter Therese werden vorgestellt. Kleine Höhepunkte sind sicherlich die kleinen verbalen Scharmützel mit der Haushälterin Maly, die mit ihrer eigenen Meinung nicht hinterm Berg hält und man sich fragt, wer da der Herr im Haus ist.
Gelungener, intensiver Roman
Der Kriminalfall selber ist, wenn schon nicht Nerven zerreibend, so doch interessant, und da Eichendorff dem Leser seine Gedankengänge nicht komplett mitteilt, bleibt die Spannung bis zum Schluß.
Bernhard Spring erweist sich als Kenner der Zeit und als mitreissender Erzähler, der immer wieder kleine zeitliche Ausflüge einflicht und somit auch Bögen zum ersten Eichendorff-Roman spannt. Zeit und Traditionen werden beschrieben, Einzelheiten wie die Universität in Halle, das Studentenleben oder natürlich Teile seiner eigenen Lebensgeschichte runden einen intensiven Roman ab, der nicht nur für Eichendorff-Kenner und -Fans geeignet ist.
In einem ausführlichen Nachwort erklärt der Autor, warum er leider keinen dritten Eichendorff-Roman verfassen wird, was wirklich sehr schade ist. Die Figur Joseph von Eichendorff besässe genügend Potenzial für weitere Kriminalfälle, allein um sein sonst eher durchschnittliches Leben ein wenig aufzupeppen. Sei's drum. Spring schreibt, dass es seine Absicht gewesen sei, ein "bescheidenes Denkmal in literarischer Form" zu setzen. Das ist ihm einwandfrei gelungener, allein es hätte gerne länger ausfallen dürfen. Hoffentlich wartet er nicht allzu lang mit weiterer Literatur, denn da darf man gerne bedenkenlos wieder zugreifen.
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