Die Akte Vaterland
- Kiepenheuer & Witsch
- Erschienen: Januar 2012
- 4
- Kiepenheuer & Witsch, 2012, Titel: 'Die Akte Vaterland', Originalausgabe
Spannender Fall um einen Ertrunkenen im Fahrstuhl
Berlin, 1932. Im Haus Vaterland, einem bekannten Vergnügungstempel am Potsdamer Platz, wird in einem Aufzug eine männliche Leiche gefunden. Laut Diagnose ist sie ertrunken, was die Polizei auf den Plan ruft, denn es gibt keinerlei Spuren, die dies alles in Zusammenhang bringen würden.
Die Polizei um Gereon Rath kümmert sich um den Fall, doch die herrschenden politischen Verhältnisse bringen Unruhe in den Polizeiapparat. Ständig werden Kollegen versetzt oder in anderen Abteilungen untergebracht und Kompetenzen verschoben. Es wird eine weitere Leiche mit derselben Todesart gefunden, und es steht zu befürchten, dass es noch mehr Fälle nach demselben Muster gibt.
Während Gereon Raths Verlobte Charly als Küchenhilfe ins Haus Vaterland eingeschleust wird, findet die Polizei Spuren, die nach Osten nach Masuren kurz vor der polnischen Grenze führt. Rath wird zu Ermittlungen dort hingeschickt und beginnt, den Ort aufzuwühlen, der vor allem von einer in der Nähe befindlichen Schnapsfabrik lebt, die auch in das Haus Vaterland geliefert hat. Charly hingegen erfährt in Berlin auch einiges interessante, muss sich aber auf dem Revier zudem gegen Kollegen wehren, die Frauen in Ermittlerpositionen nicht akzeptieren wollen. Und auf den Straßen gewinnen die braunen Nationalsozialisten immer mehr an Einfluss und wechseln sogar die Spitze des Polizeipräsidiums aus. Kein leichter Job für Gereon und seine Kollegen, die an mehr Fronten unterwegs sind, als ihnen lieb ist.
Gereon Raths vierter Fall
Bereits zum vierten Mal schickt Autor Volker Kutscher seinen Ermittler Gereon Rath in Ermittlungen, die nicht nur einen spannenden und verzwickten Fall aufzeigen, sondern die auch in der Zeit der Weimarer Republik spielen. Dabei schafft Kutscher vom ersten Satz an eine Atmosphäre, in der das Kribbeln der Zeit immer präsent ist und man stets das Gefühl hat, dass es gleich irgendwo knallt. Bei den Wahlen gewinnen die Nationalsozialisten unerwartet viele Stimmen dazu, und zwar weiß man noch nicht, wohin das ganze einmal führen könnte, aber wer mit offenen Augen durch Berlin geht, wird ahnen, dass das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht ist.
In dieser knisternden Atmosphäre gibt es einen Vergnügungstempel mit dem passenden Namen Vaterland, in dem es Restaurants, Casinos, Etablissements und einfach nur Kneipen gibt. Als in einem Aufzug ein ertrunkener Mann gefunden wird, ruft dies die Polizei auf den Plan. Der ungewöhnliche Mord zieht bald einen zweiten gleichartigen nach sich, und so bekommen die Polizisten beim Vergleich der Fälle ersten Hinweisen auf die Spur.
Ermittlungen in Masuren
Gereon Rath hätte eigentlich lieber an seinem aktuellen Fall weitergearbeitet, ist aber auch nervös, weil er seine Freundin Charly endlich wiedersieht, die länger als geplant in Paris gewesen ist. Er will ihr endlich einen Heiratsantrag machen und wartet nur auf den passenden Moment, den er noch am Abend ihrer Ankunft gekommen sieht. Doch sie bittet sich Bedenkzeit aus, womit er nicht weiß, woran er ist, und diese Unsicherheit wirkt sich auch auf seine Arbeit bei der Polizei aus.
Charly wird als Kommissarsanwärterin nicht nur schief angeschaut, allein weil sie eine Frau ist, denn wegen eines Personalengpasses wird sie auch der Mordkommission zugeteilt und muss mit Gereon zusammenarbeiten. Doch dieser wird wegen Ermittlungen im gleichen Fall nach Masuren geschickt. Hier, im beschaulich-betulichen Treuburg, kennt man sich noch besser als in einer Großstadt, und nach anfänglichen Schwierigkeiten kommt Rath allmählich den Vorgängen vor Ort auf die Spur, die ihn nicht nur ins Pfarrhaus, sondern auch in die nahegelegene Spirituosenbrennerei führt.
Weitere Opfer drängen die Zeit
Nachdem auch aus der Vergangenheit ein dritter Mordfall gleichen Musters entdeckt werden konnte und alle Namen mit der Brennerei in Verbindung gebracht werden können, muss Rath vorsichtig vorgehen, denn scheinbar können manche Ortsbewohner schnüffelnde Hauptstadtpolizisten nicht besonders gut leiden. Ein Anschlag auf Raths Leben, den er vor Charly natürlich verschweigen wird, ist Zeugnis dafür, dass er doch irgendwie auf der richtigen Fährte ist.
Volker Kutschers spannender Erzählstil fesselt den Leser an die Lektüre, womit der Roman seinen drei Vorgängern in nichts nachsteht. Besonders an diesem Fall ist aber, dass zumindest ein Teil der Lösung in einem kleinen Nest in Masuren zu finden zu sein scheint. Rath findet einen Verdächtigen, der jedoch nicht mehr in Masuren ist, sondern sich in Berlin zu befeinden scheint, getarnt als Polizist, und schon geschieht in Berlin ein vierter Mord nach gleichem Muster. Die Zeit rennt den Ermittlern davon, denn auf Raths Liste steht noch ein weiterer Name, der ebenfalls ein Mordopfer werden könnte.
Hervorragende Recherche
Schwierige und undurchsichtige politische Verhältnisse, verschiedene Ermittlungen an verschiedenen Orten in Zeiten ohne Mobiltelefone, unangenehme Kollegen, exotische Gifte, masurische Spirituosen und eine zögerliche Verlobte bilden die Grundbausteine, mit denen Kutscher seine Erfolgsreihe ebenso erfolgreich fortsetzt. Seine gründliche Beobachtungsgabe und eine Fähigkeit, diese in einen spannenden Kriminalroman zu transportieren, lassen eine begeisterte Leserschaft davon profitieren.
Das passende Buchcover hilft beim Einstieg in das Sujet und ein zweiseitiges Nachwort erklärt einige Zusammenhänge. Dem geneigten Leser sei auch die Internetseite des Autors empfohlen, auf der alle Fälle noch einmal zu entdecken sind und wo auch weitere Hintergrundinformationen wie auch Personenregister abzurufen sind. Ein weitere Volltreffer der historischen Spannungsliteratur. Wir greifen mit Vorfreude zu Band 5.
Volker Kutscher, Kiepenheuer & Witsch
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