Die Seidenmagd
- Aufbau
- Erschienen: Januar 2012
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- Aufbau, 2012, Titel: 'Die Seidenmagd', Originalausgabe
Leise Milieustudie bei den Seidenwebern im Krefeld des Barocks
Kurzgefasst:
Catharina te Kamp muss sich 1757 als 17 jährige bei der Familie von der Leyen als Magd verdingen. Ihre verwitwete Mutter kann die Familie nicht mehr ernähren, der Bruder hat sich den preußischen Truppen angeschlossen. Die Seidenbarone von der Leyen sind mennonitischer Konfession, aber eigentlich wären sie gerne Adelsleute. Frieder, der Sohn der Familie, wirbt um Catharina, obwohl sie nicht von seinem Stand ist. Er nimmt sie auf seinen Reisen mit, doch weiß sie nie, ob er sie wirklich liebt. Auch weiß sie nicht, ob sie das opulente Leben aus Prunk, Pracht und Verschwendung mit ihrem Glauben vereinen kann. Als ihre Freundin stirbt, muss sie sich entscheiden. Ein Leben an Frieders Seite, aber ausgestoßen von der Gemeinde, oder ein Rückbesinnung auf die alten Werte.
Catharina te Kamp lebt mit ihrer Mutter und den Geschwistern nach dem Tod des Vaters alleine in ihrem kleinen Haus. Die Mutter näht beinahe rund um die Uhr und kann dennoch die Familie nur schwer ernähren. Als ihr die reichen von der Leyens anbieten, Catharina in Dienst zu nehmen, sagt diese für ihre Tochter zu. Die Mutter kann das Geld gebrauchen und so hat Catharina sich zu fügen, obwohl ihre Schwester schwer unter dieser Entscheidung leidet und Catharina überhaupt nicht gewillt ist, sich als Magd in diesem prunkvollen Haus zu verdingen.
Gewohnt schöne Szenenzeichnung
Wer die beiden anderen historischen Romane der Autorin kennt, weiß, dass einen keine triviale, seichte Geschichte erwartet, sondern ein sehr authentischer Einblick in das Leben derer, die sich ihr Überleben in der damaligen Zeit hart erkämpfen müssen.
Wie schon in den Vorgängerromanen gewichten Renks Erzählungen durch eine sehr bildhafte, realistische und unsentimentale Darstellung des Lebens der einfachen Bürger und der Mennoniten. Das umfassende Wissen der Autoren über den Glauben, die Ansichten und die Einstellung der Mennoniten zum gesellschaftlichen Leben kommt auch in diesem Buch deutlich aber niemals aufdringlich zum Tragen.
Der ganz gewöhnliche Alltag ist es, den die Autorin den Lesern näher bringt und ihn teilhaben lässt, wie die Figuren ihr Tagwerk verbringen. Kochen, nähen, Hühner versorgen, Wäsche waschen und der tägliche Gang zum Markt, um möglichst günstig ein Abendessen auf den Tisch zu bringen, bei diesen Tätigkeiten begleitet man die Darsteller ebenso, wie man Mutter und Tochter, in diesem Falle Catharina, beim Ausliefern der genähten Weißwäsche an ihrer Seite ist.
Emotionaler Zwiespalt
Als Catahrina ihre Mutter das erste Mal zu den von der Leyens begleitet, trifft sie durch Zufall auf den Sohn der Familie, Frederik. Sie beginnt für ihn zu schwärmen, natürlich wissend, dass er gesellschaftlich weit über ihr steht. Als Frieder ihrer Mutter anbietet, Catharina einzustellen, nimmt ihre Mutter sofort an und steckt das Geld ein.
Wer nun den Beginn einer intensiven, banalen Liebesgeschichte annimmt, wird schnell merken, dass dies alles andere als seicht oder gar romantisch schnulzig ist. Renk lässt den Leser ziemlich im Ungewissen über die Pläne und Gedanken Frederiks und so weiß man ebenso wenig wie Catharina, was Frederik wirklich vorhat
Renk versteht es ausgezeichnet, nicht nur bei ihrer Protagonistin, sondern auch beim Leser ein stetiges Für und Wider zur Figur des jungen von der Leyen zu schüren. Sehr einfühlsam wird Catharinas Zwiespalt dargestellt, die sich einerseits zu Frederik hingezogen fühlt, aber auch von Kindesbeinen an durch ihren Glauben geprägt ist und genau weiß, dass es falsch wäre, sich mit ihm einzulassen
Leiser als die Vorgängerromane
Die Seidenmagd ist nicht von so viel neuen bzw. erlebnisreichen Szenen durchzogen wie Die Frau des Seidenwebers oder Die Heilerin, aber dennoch nicht weniger tiefgründig. Es ist ein "stilleres" Buch, dessen Schwerpunkt auf der Versuchung der Protagonistin liegt, sich zwischen richtig und falsch zu entscheiden, nicht wissend, was genau nun der richtige und welches der falsche Weg ist. Auf die menschliche Seite legt die Autorin stets mehr wert als auf temporeiche Aktivitäten und so gelingt es ihr, dass auch ihr dritter historischer Roman wieder zu den empfehlenswerten Werken zählt, obwohl er nicht ganz an die Vorgänger heranreicht.
Ulrike Renk, Aufbau
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