Sunrise. Das Buch Joseph

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  • Erschienen: Januar 2012
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  • , 2012, Titel: 'Sunrise. Das Buch Joseph', Originalausgabe
Sunrise. Das Buch Joseph
Sunrise. Das Buch Joseph
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Annette Gloser
951001

Histo-Couch Rezension vonAug 2012

Anders als die Bibel berichtet

Kurzgefasst:

Jerusalem im Jahre 70 nach Christus: Römische Truppen drohen die Schutzmauern zu durchbrechen. Die Belagerung der heiligen Stadt bildet den Ausgangspunkt dieses Romans, dessen Bogen sich bis in die Zeit vor Jesu Geburt spannt. Im Mittelpunkt der Ereignisse steht Joseph, der Mann der Maria, von dem die Evangelien berichten, dass er Träumen gehorchte, als er Frau und Kind annahm. Dreizehn Jahre nach Jesu Geburt fordert Gott ein äußerstes Opfer von Joseph. "Wo ist da Gerechtigkeit, dass ich's verstünde?" klagt er angesichts des ungründlichen Willens Gottes. Wird Joseph dieses Opfer wirklich auf sich nehmen können?

 

Jerusalem im Jahre 71. Fünf junge Männer werden ausgesandt, um in der belagerten Stadt das Grab Jesu vor den marodierenden Römern zu schützen und es für spätere Generationen zu bewahren. Zwei von ihnen gelingt es tatsächlich, die Mauer zu überwinden und in die Stadt einzudringen. Bei ihrer Suche nach dem Grab stoßen sie auf Neith, eine alte Frau, die bereit ist, ihnen den Weg zu weisen. Sie allerdings stellt den Sinn der Suche in Frage, denn sie verweist darauf, dass das Schicksal die beiden jungen Männer zu ihr geführt habe und sie, Neith, könne ihnen noch nichts von Jesus berichten. Aber sie erzählt ihnen die Geschichte Josephs "der einst der Herr eures Herrn war... Ich rede vom Vater Jesu, rede von Joseph. Vor siebenundsiebzig Jahren ward derselbe entrückt ins Paradies und hörte unaussprechliche Worte."

Neith erzählt die Geschichte Josephs, der einen Sklaven befreite und Maria heiratete, der Marias Sohn als seinen eigenen akzeptierte und liebte, bis er von Gott aufgefordert wird, wie einst Abraham, diesen Sohn zu opfern. Sie berichtet davon, wie Joseph sich diesem Opfer verweigerte und wie er seine Familie verließ und versteinerte, wie er unter die Räuber fiel und mit welchen Konflikten er sich auseinander setzen mußte bis er endlich zu sich selbst fand. Sie berichtet, wie sich ihr Schicksal mit dem Josephs verwob und so schließt sich der Kreis wieder bei Neith und den beiden jungen Männern in Jerusalem.

Starke Visionen, verwirrende Träume

Wer bei Sunrise - Das Buch Joseph eine lockere Nacherzählung sattsam bekannter Bibeltexte erwartet, wird enttäuscht. Der Text ist eine eigenständige Schöpfung, die weit von den Evangelien abweicht. Und auch wenn der Umschlag die Weihnachtsidylle im Stall zu Betlehem darstellt - keine Geburt im Stall, keine Flucht nach Ägypten, kein Kindermord in Betlehem finden sich in diesem Buch.

Hier geht es um die Auseinandersetzung eines Menschen mit seinem Glauben, mit seinen Lebensumständen und Gefühlen, mit den Forderungen, die Gott an ihn stellt. Letztendlich ist dieses Buch ein Bericht darüber, wie Glauben und das Einssein mit sich selbst täglich neu erkämpft werden müssen, es ist ein moralphilosophischer Exkurs.

Der Leser muß gemeinsam mit Joseph verwirrende Träume bewältigen, Visionen erleben und ihn in seinen Auseinandersetzungen begleiten. So wie Joseph kämpft der Leser gemeinsam mit ihm um eigene moralische Ansprüche, um ethische Grundsätze, um das Gutsein in einer Welt, die für Güte und Liebe keinen Platz zu bieten scheint.

Starke, poetische Sprache

Patrick Roth schreibt eine stark abgehobene, z.T. lyrisch orientierte Sprache. Beim Lesen erinnert man Bibeltexte, findet unbequeme Satzstellungen und oft nur schwer fassbare Wortschöpfungen:

 

 

Und Joseph gehorsamte den Traum, den er aufnahm. Das heißt: nahm auf den Sohn und gab ihm den Namen des ersten, wie der Traum im Land der Vertriebenen ihn geheißen.

 

Das Buch erwartet die volle Aufmerksamkeit des Lesers. Der Inhalt will erarbeitet sein und fordert auch die Bereitschaft, Textpassagen evtl. zwei- oder dreimal zu lesen - mit der Option, dass auch dann nicht immer alles sofort verstanden wird:

 

 

Denn bei IHM wird verlassen Verlassenheit. Vor dem Tor wehrt ER ihr, lässt sie nicht einwohnen, die nicht zugelassen wird bei IHM. ER aber lässt nur zu und einzig umfängt ER den Seinen, auf den ER gewartet: den wiedergefundenen Sohn.

 

Dabei bleibt Roth konsequent in der von ihm angelegten Erzählweise: Neith berichtet, und wenn der Leser dies eventuell vergessen haben sollte, so spricht ihn Neith im Verlauf des Buches mehrfach an um ihn daran zu erinnern und ihn in die Gegenwart des Jahres 71 zurück zu holen. Sie stellt in Frage, was der Leser ebenso wie die beiden jungen Männer zu wissen glaubt, sie fordert zu eigenem Denken und eigener Erfahrung auf:

 

 

Versucht euch also in der Erfahrung, lasst euch ergreifen! Und meidet die Versuchung, selbst ergreifen zu wollen. Meidet das Mächtigsein über Orte und Staben, wenn ihr erfahren wollt, wohin sie weisen.

 

Hilfreich wäre dem Leser hier auch ein gewisses Maß an Kenntnissen über das Leben im Judäa Herodots, über Bräuche und Rituale der Juden. Dabei steht die eine oder andere Passage durchaus auch im Widerspruch zur jüdischen Tradition.

Kein Buch für ein breites Lesepublikum

Sunrise- Das Buch Joseph ist kein erholsamer Schmöker, den man nebenbei auf dem Weg zur Arbeit in der S-Bahn liest. Das Lesen und Verarbeiten des Textes ist ernstzunehmende Kopfarbeit. Wer sich aber an diesen Text wagt, wird nicht nur mit einem einmaligen Leserlebnis belohnt, sondern auch mit der Chance, eigenes Verhalten zu reflektieren. Das Buch ist für den Deutschen Buchpreis 2012 gelistet und mit seinen philosophischen Ansprüchen und der ausgefeilten Sprache möglicherweise auch ein aussichtsreicher Kandidat, denn dieses Buch bewegt sich weit über der gehobenen Mittelklasse. Offen bleibt jedoch die Frage, welcher Leserkreis damit erreicht wird, denn ein Buch für das Massenpublikum ist es nicht - aber so war es wohl auch nie gedacht.

Sunrise. Das Buch Joseph

Patrick Roth, -

Sunrise. Das Buch Joseph

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