Der Kinderpapst
- Pendo
- Erschienen: Januar 2012
- 3
- Pendo, 2012, Titel: 'Der Kinderpapst', Originalausgabe
Eine spannende und vor allem wahre Geschichtsstunde
Kurzgefasst:
Rom, 1032: Gerade zwölf Jahre alt, kommt Benedikt IX. auf den Thron, der jüngste Papst aller Zeiten. Doch die Macht hat einen hohen Preis: Um sie auszuüben, muss er die Liebe seines Lebens opfern. Das Verhängnis nimmt seinen Lauf. Während er in Blut watet, sehnt sich sein gebrochenes Herz nach Erlösung ... Dies ist die Geschichte des wohl rätselhaftesten Papstes in zweitausend Jahren Kirchengeschichte. Sein Name: Benedikt IX. Sein Drama: Als Kind auf den Stuhl Petri erhoben, blieb ihm die Liebe versagt, der sein ganzes Leben galt. Unter der Bürde, Stellvertreter Christi zu sein, wurde er zum Teufel in Menschengestalt. Dreimal vom Papstthron verjagt, ging er über Leichen, um die Herrschaft wieder an sich zu reißen. Doch so entsetzlich seine Taten scheinen, war sein Leben in Wahrheit ein einziger Schrei nach Gott, Ausdruck seiner verzweifelten Hoffnung, dass der Schöpfer aus dem Dunkel seines Schweigens trete. Dabei stand Gott dem Verzweifelten zeit seines Lebens vor Augen, in Gestalt der Liebe - in Gestalt jener Frau, nach der sein Herz sich von allem Anfang an verzehrte...
Teofilo di Tuscolo, Sproß der mächtigen Familie der Tuskulaner, wird zum Papst gewählt! Man schreibt das Jahr 1032, und Teofilo ist erst zwölf Jahre alt! Nachdem sein Vorgänger und Onkel, Papst Johannes XIX., das Zeitliche gesegnet hat, hieven ihn seine machtgierige Mutter Ermilina und Pater Giovanni Graziano mit Hilfe weiterer mächtiger Familien auf den Papstthron. Doch Teofilo, der sich nun Benedikt IX. nennt, musste dafür die Liebe seines Lebens opfern - Chiara di Sasso, die er in zwei Jahren hätte heiraten wollen und sollen.
Doch nicht nur in Roms Familien hat Benedikt Feinde, auch in der eigenen Familie ist man ihm nicht nur wohlgesonnen. Sein ältester Bruder Gregorio ist neidisch auf seinen jüngsten Bruder, und auch, als er für Benedikt arbeitet, ist seine Loyalität ungewiss. Währenddessen machen die Bischöfe und Kardinäle mit dem jungen Papst, was sie wollen und nutzen ihn schamlos aus. So wird Benedikt schließlich mit der Zeit zu einem brutalen Monster, der sein Volk ausnutzt und nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist. Und stets wartet er auf ein Zeichen Gottes, der ihm seinen Weg weisen soll, doch nichts geschieht. Und immer wieder begegnet er Chiara, die inzwischen verheiratet ist.
Als er bereit ist, vom Papstthron zurückzutreten, finden sich auf einmal zwei weitere Päpste, und so ist es ein Schisma. Erst Kaiser Konrad kann das Schisma lösen und Benedikt wird wieder Papst. Doch er ist des Papsttums müde und wird wieder einen Nachfolger bekommen. Doch lohnt sich der Papstkrone, wenn man sich nicht sicher ist, ob die Geliebte immer noch die Geliebte ist? Benedikt riskiert alles - mit ungewissem Ausgang...
Mit zwölf Jahren zum Papst gewählt
Peter Prange hat mit Der Kinderpapst einen Roman geschrieben, dessen Grundgerüst tatsächlich so passiert ist. Benedikt IX. wurde tatsächlich im Alter von zwölf Jahren inthronisiert, und sein Pontifikat gilt mit als das grausamste in der Geschichte der Päpste. Dabei hat er tatsächlich fünf seiner Nachfolger im Amt erlebt, was in heutigen Dimensionen unvorstellbar ist. Diese Geschichte schreit förmlich nach einem Roman, und Prange hat den Schrei gehört und in einen spannenden, mitreißenden und ergreifenden Roman verpackt.
Von der ersten Seite an, einer Rahmengeschichte um die Frage einer möglichen Seligsprechung Benedikts IX., zieht Prange den Leser in seinen Bann und entwickelt eine Geschichte um Macht, Gier und Positionen innerhalb der Kirche. Teofilo wird von seiner Mutter auf den Papstthron gehievt, nachdem sie scheinbar ein Zeichen Gottes gesehen hat, dass er mit Teofilo viel vor hat, und auf dieses Zeichen wird Teofilo selbst sehr lange warten und daran verzweifeln. Schon auf den ersten Seiten wird deutlich, dass Geld und Macht das Sagen im Vatikan haben, und dass es nicht so sehr um den Glauben geht, sondern um Geld und Korruption. Kein Wunder, dass, wenn sich Theophilos Grausamkeit zu legen scheint, manche das nicht glauben können:
"Teofilo?" Gregorio verdrehte die Augen. "Er ist in der Kapelle - beten!"
"Hat Euer Bruder den Verstand verloren?", fragte Bonifacio. Dann brach er in polterndes Gelächter aus. "Ein Papst, der betet! Das glaubt uns kein Mensch!"
Prange schafft es, den Leser in die Zeit kurz nach der Jahrtausendwende zu entführen und ihm die Machenschaften in Rom zu verdeutlichen. Welche Familie mit welcher paktiert und wer mit oder gegen wen warum agiert, das wird klar und verständlich dargestellt, und glücklicherweise werden ist der Roman auch nicht mit Unwichtigkeiten überfrachtet. Die Erzählung geht geradeaus, und trotzdem wird eine passende mittelalterliche Stimmung erzeugt, die den Leser seine Romanhelden aus Fleisch und Blut erleben lässt, mit Ecken und Kanten und nicht immer sympathisch. Hier gibt es kein schwarz-weiß, jeder hat seine Macken, und das macht den Roman zu einer realistischen und bunten Geschichtsstunde.
Hervorragendes Personal
Im Mittelpunkt steht natürlich Teofilo, der zu Beginn mit seiner Papstbürde naturgemäß überfordert ist, und als er selbst Ideen einbringen will, wird er vom Kardinalskollegium ausgelacht. So beginnt er schon früh an seiner Mission zu zweifeln, immer im Hinterkopf, dass er seine Geliebte Chiara nie heiraten darf. Chiara hingegen, weiß ebenfalls nicht, was sie von Benedikt halten soll. Zwar hat sie einen anderen geheiratet, doch spukt Teofilo immer noch in ihrem Kopf herum. Zwar meistert sie ihr Leben unabhängig von ihm besser, als er es tut, doch als sie erkennt, wie grausam sich Teofilo als Papst entwickelt, schliesst sie mit ihm ab - doch kann man das so einfach? Es ist ein spannende Konstellation, die sich hier bietet, und der Leser hat daran immer Teil und leidet mit beiden mit und fragt sich, ob sie sich am Ende vielleicht doch kriegen - oder nicht?
Weitere Konstellationen bilden den ordentlichen Geschmack in Pranges Roman. Da ist Teofilos älterer Bruder Gregorio, der zwar übergangen wurde, als es um den Nachfolger seines Onkels ging, nun aber für seinen Bruder arbeitet und so zumindest an der Macht teilhat. Doch kann sich bei ihm nie sicher sein. Da ist weiterhin Petrus da Silva, Kanzler des Papstes, nur auf den Ruf und den Ruhm der Kirche bedacht und somit prädestiniert als der "Böse", der im Hintergrund die Fäden zieht - natürlich nur zum Wohl der Kirche. Teofilos Mutter Ermilina zieht ebenfalls Fäden im Hintergrund, wenn auch andere als da Silva, und dann gibt es da noch Kaiser Konrad, Gegenpäpste, Patrizierfamilien und weitere Feinde, die man hat, und wenn man sie nicht hat, ist es ein leichtes, sie sich zu machen. Als Papst mit Schulden beim Volk und weiteren Erpressungen und Steuererhebungen ist man nicht beliebt, aber Macht bleibt Macht.
Spannend und fesselnd
Prange gelingt es, die wenigen historischen Fakten mit seiner fiktiven Handlung sinnvoll miteinander zu verweben und somit kann sein Versuch, Licht ins mittelalterliche Dunkel zu bringen, als mehr als gelungen bezeichnet werden. Ob es so war, wird man nie erfahren, denn die Figur der Chiara ist erfunden, die meisten anderen allerdings nicht. Pranges Version macht Sinn und ist spannend und dürfte beim Leser für spannende und fesselnde Lesestunden sorgen - zu Recht.
Der Roman von fast 600 Seiten wird ergänzt durch ein interessantes Nachwort und einer Zusammenfassung der Fakten, die man von Benedikt IX. kennt. Erst hier erkennt man, dass die besten Geschichten doch das Leben selbst schreibt, denn auf so manche Idee würde man vielleicht selbst nicht kommen. Peter Pranges Romans "Der Kinderpapst" ist eine dringende Leseempfehlung an alle, die einen vielschichtigen, spannenden und zugleich lehrreichen Roman mögen, gespickt mit Intrigen in der Kirche, einer tragischen Liebesgeschichte, Familienverwicklungen und die somit eine formidable Geschichtsstunde erleben können. Unbedingt weiter zu empfehlen.
Peter Prange, Pendo
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