Das kastilische Erbe
- Blanvalet
- Erschienen: Januar 2012
- 2
- Blanvalet, 2012, Titel: 'Das kastilische Erbe', Originalausgabe
Eine unfertige Geschichte
Kurzgefasst:
In einem Antiquariat stößt die Münchner Journalistin Isaura auf ein altes Buch, dessen Autorin sich »La Caminata« nennt. Die Worte erscheinen ihr seltsam vertraut, und sie ist fasziniert von der Geschichte der jungen Hofdame Jimena, die im 15. Jahrhundert an der Seite von Isabel von Kastilien lebte. Isaura begibt sich auf Spurensuche in Spanien und kommt in dem kleinen Städtchen Tordesillas einem jahrhundertealten Geheimnis auf die Spur, das sie tief in ihre eigene Familiengeschichte führt ...
Zwei Zeitebenen - 21. Jahrhundert und 15. Jahrhundert - ein Geheimnis: Das kastilische Erbe verspricht all jenen, die den Mix von Gegenwart und Vergangenheit mögen, spannende Unterhaltung. Immerhin schickt Ulrike Schweikert ihre Gegenwarts-Heldin Isaura auf eine spannende Mission. Die Journalistin soll für ihr Magazin eine Reportage über das mittelalterliche Spanien schreiben. Das kommt Isaura sehr entgegen, denn sie muss ohnehin nach Spanien reisen, um sich um eine unerwartete Erbschaft zu kümmern. Eine bis dahin unbekannte Großtante hat ihr in Kastilien ein Gut vermacht. Je mehr sich Isaura mit der Geschichte beschäftigt, desto intensiver fühlt sie sich mit den Figuren von einst verbunden. Bei diesen Figuren handelt es sich um niemanden Geringeren als Königin Isabel von Kastilien und ihre Hofdame Jimena. Ulrike Schweikert erzählt die Geschichte, wie Isabel von der Schwester des Königs zur Thronerbin wurde, welch erbitterten Streitigkeiten mit der Machtübernahme verbunden waren und welch harte Prüfungen die kastilische Königin zu bewältigen hatte. Wobei weniger die Königin als die fiktive Figur Jimena im Zentrum des historischen Strangs steht.
Ohne Verlust weglassen
Die Autorin kann hervorragend erzählen. Mit der Geschichte, die im 15. Jahrhundert spielt, stellt sie dies unzweifelhaft unter Beweis. Obwohl die mystischen Fähigkeiten Jimenas dem historischen Teil einen Drall in den Fantasy-Bereich geben, bleibt die Geschichte spannend und intensiv. Anders aber der Part aus der Gegenwart. Dieser hätte ohne Verlust weggelassen werden können, um Raum für eine Weiterführung des historischen Teils zu schaffen. Isaura mag den Lesern nicht so recht ans Herz wachsen. Sie bleibt oberflächlich und wenig überzeugend. Dass sie von ihrem Ehemann Justus betrogen wird, vermag keinen Sympathie-Bonus zu schaffen. Es scheitert wohl daran, dass Isaura bei der "Entdeckung" der historischen Geschichte keine tragende Rolle spielt. Sie wird zwar immer wieder in Zusammenhang gebracht mit Bildern, Schmuckstücken und Überlieferungen - für die Geschichte wirklich nötig ist sie jedoch nicht. Einige Szenen mit Isaura wirken eher unbeholfen denn geheimnisvoll.
Plötzlicher Schluss
Während fast der ganze Roman einem übersichtlichen und nachvollziehbaren Weg folgt, verfällt die Autorin zum Ende in ein rasendes Tempo und serviert die Auflösung in einer überstürzten Hast. Der Leser fragt sich nach den letzten Kapiteln: "Wie bitte? Wie war das jetzt?" und wird das Buch entweder achselzuckend weglegen oder die letzten rund 50 Seiten nochmals lesen, um hinter das Geheimnis zu kommen, weshalb plötzlich Figuren zu tragenden Elementen werden, die bis dahin keine Rolle spielten. Eine Chance, die Auflösung zu verstehen, hat nur, wer die Geschichte von Königin Isabel und ihren Nachkommen bereits kennt. Alle anderen werden nicht umhin kommen, mindestens diesen Teil der spanischen Geschichte nachzuschlagen. Es ist aber nicht nur der historische Erzählstrang, der in der Luft hängen bleibt. Auch die Auflösung des Gegenwart-Parts lässt viele Fragen offen. Ob diese Fragen sich in einer möglichen Fortsetzung auflösen würden, sei dahin gestellt.
Spannend, aber...
Ulrike Schweikert hat mit Das kastilische Erbe ein spannendes Kapitel der europäischen Geschichte aufgeschlagen. Sie bietet den Lesern fesselnde Unterhaltung - hauptsächlich mit dem historischen Erzählstrang - und einen vertieften Blick auf die Geschichte der kastilischen Königin Isabel. Allerdings bleibt sie den Lesern zum Schluss leider sehr viel schuldig.
Pluspunkte gibt es hingegen für die schöne Aufmachung des Buches. Hier hat der Verlag auf ein Cover gesetzt, das sich wohltuend von den gängigen Darstellungen auf historischen Romanen abhebt. Ein umfangreiches Personenregister hilft den Lesern zusätzlich, die handelnden Figuren richtig einzuordnen.
Ulrike Schweikert, Blanvalet
Deine Meinung zu »Das kastilische Erbe«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!