Die Himmelsbraut
- Kindler
- Erschienen: Januar 2012
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- Kindler, 2012, Titel: 'Die Himmelsbraut', Originalausgabe
Leben hinter Klostermauern
Kurzgefasst:
Südbaden, 1520, am Vorabend der Reformation. Auf Burg Holderstein erlebt Antonia, was man eine ideale Kindheit nennt: Trotz des frühen Verlusts der Mutter erfährt sie als Jüngste unter vier Geschwistern ein harmonisches Familienleben. Der Höhepunkt des Tages ist für sie, den Unterrichtsstunden des Kammerfräuleins zu entkommen und mit ihrem Freund Phillip in die Natur auszureiten. Als Phillip ihr eines Tages von einem gewissen Martin Luther erzählt, der die Grundsätze der katholischen Kirche anzweifelt und dessen Flugschriften schon die Runde machen, ahnt sie noch nicht, dass ihre heile Welt in Kürze zusammenbrechen wird. Ihr wird ihr Zuhause genommen, ihr wird Phillip genommen, und sie wird zu einem Leben gezwungen, für das sie sich niemals freiwillig entschieden hätte: ein Leben im Kloster, noch dazu ein hochgefährliches. Denn längst haben sich die Bauern im Land zusammengeschlossen und bekämpfen alles, was mit dem alten Glauben zusammenhängt. Aber Antonia wäre nicht Antonia, wenn sie nicht bis zuletzt an ihrer eigenen Überzeugung festhalten würde: dass am Ende alles gut werden kann, wenn man es nur will.
Im Schwarzwald des frühen 16. Jahrhunderts, in der Zeit der Bauernkriege, wächst Antonia mit ihren Geschwistern wohlbehütet bei ihrem Vater auf. Die Mutter ist schon lange tot und der Vater, Albrecht von Oberthann, leitet das Gestüt für den Reichsritter Markwart von Holderstein, und so kennen sich die Nachkommen beider Familien von Kindesbeinen an. So auch Antonia und Phillip, die sich sehr zugetan sind. Zwischen den beiden entwickelt sich ganz zart eine erste Anbahnung und Liebe. Die Gedanken werden aber nicht weitergesponnen, denn im Unterbewusstsein wissen sie, dass durch den unterschiedlichen Stand eine Verbindung kaum möglich ist. Als dann bei einer Reise Antonias Vater und ihr Bruder brutal ermordet werden, ändert sich Antonias Leben schlagartig. Sie kommt in dasselbe Kloster, in das ihre ältere Schwester freiwillig und mit großer Begeisterung Aufnahme gefunden hat. Antonia und Phillip werden getrennt und ihr Schicksal scheint besiegelt...
Klingt nicht gerade neu
Wie schon bei all ihren anderen Büchern, und auch nach den beiden letzten Die Bettelprophetin und Der Pestengel von Freiburg, kann man sich auch unter dem Titel Die Himmelsbraut nicht wirklich einen innovativen Roman vorstellen. Wer jedoch Astrid Fritz´ Bücher kennt, weiß, dass man weder auf Covermotiv noch auf den Titel achten sollte, denn der Inhalt spricht letztendlich für sich - auch in diesem Fall.
Die Kurzbeschreibung verheißt eine alt bekannte Geschichte. Zwei Liebende werden getrennt, es gibt große Probleme, sie suchen sich und letztendlich finden sie sich auch wieder. Ganz so einfach, wie man vielleicht annimmt, laufen Fritz` Erzählungen aber nie ab, und so bietet die Autorin nicht nur einen grandiosen Einblick hinter die Klostermauern der damaligen Zeit, sondern veranschaulicht das Leben der Nonnen, ihr Tagwerk, ihre Pflichten und ihre Aufgaben auf sehr authentische und glaubhafte Weise.
Das wahre Leben der Nonnen
Antonia kommt in dasselbe Kloster wie ihre Schwester Lena, eigentlich Magdalena, und das ist ihr einziger Lichtblick. Lena jedoch ist überglücklich, dass sie letztendlich ihren Willen durchsetzen konnte und Aufnahme bei den Schwestern fand. Antonia ist Lenas intensiver Glaube nichts Neues, erkennt aber ihre Schwester nicht wieder... Die Autorin hat mit Lena eine Figur geschaffen, wie es für die damalige Zeit nichts ungewöhnliches war. Der Glaube beherrschte das Leben vieler und mit Lena veranschaulicht sie die Grenze zwischen intensiven Glaubens und Fanatismus sehr deutlich. Und mit Antonia, die sich nichts weiter wünschte als ein angenehmes Leben und eine Familie, setzt sie dazu einen sehr gegensätzlichen Part.
Auf sehr behutsame, bildhafte und absolut nachvollziehbare Weise zeigt sie, wie die Zeit es bewirkt, dass ein freiheitsliebender Mensch, der sich nie Gott verschreiben wollte, sukzessive aufgibt und sich letztendlich in sein Schicksal fügt. Aber nicht nur das, Antonia findet sich mit ihrem Leben nicht nur ab, sie beginnt auch die zu verachten, die die Regeln brechen.
Astrid Fritz hat in ihren Bücher nie nur einfach eine Geschichte erzählt, sondern fächert die inneren Beweggründe ihrer Protagonisten, die Gedanken, das Auseinandersetzen mit sich selbst, Rückschläge, Schwächen und Ängste auf so unglaublich feinfühlige Art auf, dass der Leser nie nur einmal von dem Gedanken erfasst wird, nur über eine Romanfigur zu lesen. Ob es um die Hierarchie im Kloster selbst geht, das Brechen von Schweigegelübde oder anderen Regeln, jede Szene wirkt realistisch und greifbar.
Einblick in die Zeit der Bauernaufstände
Durch Phillip hat Astrid Fritz die Möglichkeit, nicht nur das Klosterleben zu veranschaulichen, sondern auch die politischen Hintergründe und den Umbruch durch die Reformation dem Leser näher zu bringen. Sehr geschickt zeigt sie die Beweggründe der Bauern, die dazu führen, sich gegen ihre Herren zu erheben und dass die Stärke dieser Truppen nicht in der Bewaffnung, sondern im Zusammenhalt und der Loyalität liegt.
Astrid Fritz hat es auch mit diesem Buch wieder geschafft, nicht nur einfach die Geschichte zweier Menschen zu erzählen, sondern dem Leser wie nebenbei noch einen Blick in das damalige Zeitgeschehen zu gewähren. Lesenswert.
Astrid Fritz, Kindler
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