Das spanische Medaillon

  • Bebra
  • Erschienen: Januar 2012
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  • Bebra, 2012, Titel: 'Das spanische Medaillon', Originalausgabe
Das spanische Medaillon
Das spanische Medaillon
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Carsten Jaehner
801001

Histo-Couch Rezension vonOkt 2012

In Preußen rollen die Köpfe

Kurzgefasst:

Berlin, 1810. Napoleons Grande Armee hält ganz Europa unterm Joch. In der preußischen Metropole dagegen regiert für Monate eine viel handgreiflichere Macht: Ein Monster treibt sein Unwesen, das beim brutalen Morden keinen Unterschied zwischen Zivilisten und Soldaten macht. Die Polizei ist ratlos. König Friedrich Wilhelm III. bittet Gerardine de Lalande um Hilfe, die Freundin seiner Gattin, der Königin Luise. Bei guten Ratschlägen lässt Gerardine es freilich nicht bewenden. Auf eigene Faust wagt sie sich wieder einmal viel zu weit vor und ahnt nicht, dass ihr unheimlicher Widerpart schon viel näher ist als gedacht.

 

Ende des Jahres 1809 spielt Gerardine de Lalande mit dem Gedanken, einen Frauenverein zu gründen, als Gegenverein zu all den Männerdomänen, während sie und ihr Mann Jerôme bei Freunden auf dem Lande weilen. Da ereilt sie die Nachricht, dass ein Mann gefunden wurde, ein Fischer, doch leider ohne Kopf. Sofort werden Gerardines Sinne für Kriminalfälle geweckt und sie beginnt mit den Nachforschungen.

Zu den Zeugen, die einen Mann haben wegreiten sehen, gehört neben zahlreichen Bediensteten auch der Fährmann Gomms, der an dem schwarzen Reiter ein Medaillon gesehen haben will. Gerardine und Jerôme kehren kurz vor Weihnachten nach Berlin zurück, wo der König wieder Einzug gehalten hat. Jerôme will einen alten Freund wiedertreffen, doch als sie ihn aufsuchen wollen, kommt ihnen bereits die Gendarmerie entgegen - auch er wurde geköpft vorgefunden.

Auf persönliches Geheiss von König Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise macht sich Gerardine weiterhin auf die Suche nach dem bestialischen Mörder und stösst dabei auf weitere kopflose Opfer...

Viel passive Handlung

In ihrem dritten Fall bewegt sich wieder auf gewohnten Pfaden und kann ihrer Lieblingsbeschäftigung nachkommen: Dem Aufklären von Kriminalfällen. Als Freundin der Königin und Ehegattin eines Fabrikanten stehen ihr dabei vielfältige Möglichkeiten offen, und die weiß sie durch ihre Neugier auch charmant zu nutzen.

Auffallend in Tom Wolfs neuestem Roman sind viele Zeugenaussagen und Berichte, die Gerardine quasi "in schriftlicher Form" vorliegen und die Inhalte so nicht in die Handlung eingebettet sind. Das wäre auch schwierig, weil sie zunächst einmal unabhängig voneinander geschehen sind und sowohl zeitlich als auch räumlich nicht miteinander zu tun haben (scheinbar jedenfalls). Die Berichte sind dabei teilweise recht lang und umfangreich. Gerade die Berichte, die Gerardine vom König höchstselbst zur Verfügung gestellt und nur in seiner Anwesenheit gelesen werden dürfen, sind lang und aufschlussreich und helfen Gerardine bei ihren Ermittlungen. Allerdings verkürzen diese Briefe die eigentlich Handlung um einiges, so dass an Taten nicht so viel passiert wie sonst üblich.

Gute Zeitbeschreibung

Schon die Einleitung stimmt den Leser darauf ein, was er später zu lesen bekommt. Der Prolog auf der ersten Seite endet graphisch in einer Klinge, und tatsächlich dauert es nicht lange, bis die erste Leiche ohne Kopf gefunden wird. Zwar ist im Jahr 1809 die Französische Revolution bereits seit einigen Tagen vorbei und die massenhaften Hinrichtungen mit der Guillotine sind ebenfalls bereits Geschichte, dennoch besteht weiterhin die Todesstrafe und man sollte doch vorsichtig sein.

Bestechend sind Gerardines Begegnungen mit bekannten Persönlichkeiten der Zeit, und dazu zählen nicht nur die Königsfamilie mit ihren Kindern, denn dort gehen die Lalandes ja ein und aus. Wilhelm von Humboldt, Friedrich Ludwig Jahn (der Turnvater) und Heinrich von Kleist sind es, denen die Ermittlerin begegnet und die ihre Nachforschungen auf die eine oder andere Weise inspirieren. Spannend ist auch ihre Begegnung mit Napoleon, ein kleines Schmankerl in Tom Wolfs neuestem Roman.

Interessant sind auch die technischen Aspekte, die Jerôme betreffen und die letztlich auch wieder zur Klärung der Morde beitragen. Er verwendet einen optischen Telegraphen, einen transportablen Feld-Telegraphen, mit dem mittels kombinierter Lichtzeichen Botschaften in kürzester Zeit über grosse Entfernungen vermittelt werden können. Hier beweist Tom Wolf wieder einmal seinen historischen Spürsinn, denn dieser Telegraph entstammt nicht seiner Fantasie, sondern der damaligen Zeit, und somit schafft er wiederum einen interessanten Einblick in den technischen Fortschritt der Zeit.

Anmerkungen hierzu und zu weiteren Begebenheiten und Persönlichkeiten finden sich im nahezu vierzig Seiten starken Anhang, der allerdings gerne etwas kürzer hätte ausfallen können. Gerne hätte man dafür mehr Handlung und Verwirrnisse gehabt.

Gelungene Atmosphäre

Der Mordfall selbst ist letztlich nicht so spektakulär, wie es seine Brutalität vermuten lässt. Hier hätte etwas mehr Spannung gut getan. Wenn auch der Weg zur Auflösung die eine oder andere Klippe nehmen muss, ist doch das Ergebnis für Leser, die gut aufpassen und mitdenken, keine Überraschung, jedenfalls in Teilen nicht.

Dennoch weiß Tm Wolf wieder einen gelungenen Roman vorzulegen, der nicht so sehr kriminalistisch besticht, sondern hauptsächlich durch seine Atmosphäre zur Zeit Napoleons und Friedrich Wilhelms III., oder "Friewie", wie er abgekürzt auch charmant genannt wird. Gerade das Königspaar bekommt am Ende noch einmal besondere Aufmerksamkeit, wenn auch aus dem traurigen Anlass des Todes der Königin. Doch auch hier beschreibt Wolf eindrucksvoll, und allein das lohnt die Lektüre des Romans.

Das spanische Medaillon

Tom Wolf, Bebra

Das spanische Medaillon

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