Die holländische Brille
- Leda
- Erschienen: Januar 2012
- 5
- Leda, 2012, Titel: 'Die holländische Brille', Originalausgabe
Eine Entdeckung im Walfisch
Kurzgefasst:
Ostfriesland im Jahr 1564. David Fabricius, Sohn eines Schmiedes, wird in eine Epoche hineingeboren, in der die religiösen Unstimmigkeiten, die aus der Reformation hervorgingen, den Alltag bestimmen. Ostfriesland wird von den drei Brüdern Graf Edzard II., Graf Christoph und Graf Johann regiert, die untereinander zerstritten und somit völlig unfähig sind, ihren Herrschaftsbereich angemessen zu führen. In dieser Zeit religiöser und politischer Unsicherheit wagt es der junge Fabricius, das Theologiestudium aufzunehmen und hierauf sein weiteres Leben aufzubauen. Als Pastor versucht er sein Möglichstes, der Gemeinde Rückhalt und Orientierung zu bieten - doch das kann sehr gefährlich werden. Auch seine wissenschaftlichen Forschungen im Bereich der Astronomie halten das Leben Fabricius' in Aufruhr.
Ostfriesland, 1564. David Jansen, der sich nach seinem Vater latinisiert David Fabricius nennen wird, kommt in Esens zur Welt und wird in einen Landstrich hineingeboren, in dem immer noch das geozentrische Weltbild herrscht und die Reformation allmählich um sich greift. Als er achtzehn Jahre alt ist, hat er bereits ein starkes Interesse für die Astronomie entwickelt und wird von seinem Lehrer Heinrich Lampe an die Universität von Helmstedt empfohlen, da der ihm nichts mehr beibringen kann.
Schon nach kurzer Zeit des Studiums der Astronomie, der Arithmetik, Geometrie, Musik und vor allem der Theologie wird ihm eine Pastorsstelle in Resterhafe angeboten, das er mit einigen Zweifeln auch annimmt. Kurz darauf heiratet er die junge Witwe Meta, die ihm fortan zur Seite steht und ihm etliche Kinder gebären wird.
Doch neben dem persönlichen Glück Davids braut sich in Ostfriesland politisches Ungemach zusammen. Das Haus Cirksena liegt im Streit, und die Reformation greift um sich. Doch gegen alle Widrigkeiten schafft es Fabricius, sich weitestgehend aus allem politischen herauszuhalten, soweit es geht, wenn er nicht gerade gegen die Obrigkeit wettert. Er beschäftigt sich mit der Astronomie und entdeckt einen sich verändernden Stern im Sternbild Walfisch, worüber er sich mit dem Astronomen Tycho Brahe austauscht. Auch mit Gelehrten wie Kepler steht er in Briefkontakt. Seine größte Entdeckung, die Rotationsdauer der Sonne, macht er zusammen mit seinem Sohn Johann, der aus Leiden ein Teleskop mitgebracht hat, das man auch die "holländische Brille" nennt.
Ostfriesland zur Zeit der Reformation
Der Wahlostfriese Lothar Englert hat mit seinem zweiten historischen Roman Die holländische Brille erneut einen Roman vorgelegt, der sich mit Ostfriesland befasst und in eine Zeit des Umbruchs eintaucht. Luthers Lehren verbreiten sich durch die Lande, es entsteht ein Glaubenskrieg zwischen dem geozentrischen und dem heliozentrischen Weltbild und in Ostfriesland ist die zerstrittene Familie Cirksena an der Macht, wo sich zwei Brüder bekämpfen, die eigentlich zusammen arbeiten sollten.
All dies wird von Englert hervorragend eingefangen und anhand der Biografie des Astronomen und Theologen David Fabricius erzählt. Fabricius ist ein bescheidener Mann, der einen ihm möglichen Aufstieg macht und gelegentlich auch ob seiner eigenen Meinung sich nicht nur Freunde macht. Rückhalt erhält er durch seine Familie, allen voran seine Frau Meta und ihre Magd, die zufälligerweise auch Meta heisst, was die beiden Frauen ordentlich zusammenschweißt. Glücklicherweise hat Englert eine gute Lösung gefunden, wie man die beiden nicht verwechselt. Auch die zahlreichen Kinder werden angenommen und wachsen in guter Obhut auf, Fabricius' Sohn Johann wird ihm sogar in seinen astronomischen Studien folgen, wenngleich er ein anderes Fachthema wählen wird.
Sprachlich gekonnt
Der Roman besticht durch ein enormes historisches Hintergrundwissen, das dem Leser allerdings nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern immer in die Handlung und in immer wieder eingestreute Briefe Fabricius' eingestreut wird und so ein authentisches Bild der Zeit malt. Auch sprachlich passt sich Englert der Zeit an, so dass man sich jederzeit in der Reformation zu Hause fühlt und dabei auch die friesische Lebensart kennen lernt. Alte Traditionen und neu aufkommende Begebenheiten bestimmen den Alltag, der nicht einfach war. Fabricius ist als Pastor tätig und hat seine Gemeinde im Griff, wenngleich man nicht viel über sein Wirken als Pastor erfährt. Doch vieles kann man sich dazu denken, und schließlich steht sein Leben und Wirken als Astronom im Vordergrund des Romans.
Zwischen all den wissenschaftlichen Monologen und Dialogen, an denen es nicht mangelt, menschelt es doch auch, und so liest man sich auch mit Interesse durch die manchmal doch etwas lang geratenen, teils recht philosophischen Gespräche, die in dem Roman gelegentlich geführt werden. Vielleicht hätte man hier ein wenig den Rotstift ansetzen können, aber das mag Geschmackssache sein.
Tycho Brahe
Höhepunkt des Romans ist sicher die erste Begegnung Fabricius' mit dem dänischen Astronomen Tycho Brahe, den er stets verehrt hat und den er nun durch Vermittlung persönlich kennen lernt. Nervös wie so oft, wenn man als vermeintlich kleiner Mensch einen "Prominenten" kennen lernt, kann man diese Begegnung und ihre Bedeutung für Fabricius gut nachvollziehen, und so mancher mag sich in dieser Situation selbst wiederentdecken.
Englert versteht es durch den gesamten Roman, seine Charaktere bunt zu zeichnen und jedem ein passendes Eigenleben zuzuschreiben. Die Zeit wird hervorragend dargestellt, und mit wenigen Worten lässt der Autor eine Stimmung entstehen, in der sich jeder Leser gebannt zu Hause fühlt. Ein achtseitiges lesenswertes Nachwort, eine Danksagung und ein Personenverzeichnis ergänzen den überaus gelungenen Roman, der einem Lust macht, sich ein weiteres Werk des Autors zu greifen. Die holländische Brille ist ein würdiges Denkmal für einen Astronomen, den vielleicht viele nicht kennen, dessen Namen sie aber nach dieser 270seitigen Lektüre nicht mehr vergessen werden. Mehr davon.
Lothar Englert, Leda
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