Dem Himmel verfallen

  • Silberburg
  • Erschienen: Januar 2012
  • 1
  • Silberburg, 2012, Titel: 'Dem Himmel verfallen', Originalausgabe
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Carsten Jaehner
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Histo-Couch Rezension vonOkt 2012

Gelungener Einblick in die Jugendzeit Johannes Keplers

Kurzgefasst:

Leonberg 1577: Als der junge Johannes Kepler eines Nachts einen großen Kometen beobachtet, ist er fortan dem Himmel verfallen. Wie hat Gott die Welt erschaffen, wie sieht sein Bauplan aus? Diese Fragen lassen ihn nicht mehr los. Doch die Herren der obersten Kirchenbehörde, des Stuttgarter Konsistoriums, wachen streng über den lutherischen Glauben. Wer dem geozentrischen Weltbild abschwört, wird zum Feind der Kirche und kann dies sogar mit dem Leben bezahlen. Und so ist die Studienzeit des großen Astronomen in der Maulbronner Klosterschule und am Tübinger Stift alles andere als friedlich ...

 

Im Jahr 1577 ist Johannes Kepler sechs Jahre alt und stets kränklich. Die Familie lebt in Leonberg, und als eines nachts der große Komet zu sehen ist, weckt ihn seine Mutter und nimmt ihn mit auf die Straße, um sich mit vielen anderen Menschen das Spektakel anzuschauen. Von da an will Johannes noch mehr wissen über den Himmel und den Herrgott und die Zusammenhänge.

Gemeinsam mit einigen Leonberger Schulkameraden wechselt er 1586 auf die Klosterschule nach Maulbronn, wo er Jakob Neuhäuser kennen lernt, der ein paar Jahre älter ist als er und der eine Art Tutor für ihn wird. In Maulbronn befindet sich auch der Faustturm, in dem der legendäre Doktor Faust nach dem Sinn der Welt geforscht haben soll. Johannes ist fasziniert, und eines Nachts, als er nicht schlafen kann, wird er vom Lehrer Mohnhaupt mit zum Turm genommen, denn dieser ist auch dem Turm verfallen. Als Mohnhaupt am nächsten Morgen tot auf dem Gelände gefunden wird, beginnt für Johannes eine schwere Zeit.

Aus Stuttgart reist Gisbert von Reuchlin an, um den Fall zu untersuchen, handelt es sich bei dem Toten doch um einen renommierten Professoren der Klosterschule. Doch nur langsam kehrt Ruhe in ihn zurück und er wagt wieder einen Gang zum Turm, wo er Jakob Neuhäuser trifft, mit dem ihn eine Art Freundschaft verbindet. Diese droht zu zerbrechen, als Neuhäuser sein Theologiestudium in Tübingen beginnt, doch später geht auch Johannes nach Tübingen. Und immer umschwirrt ihn die Frage nach dem Sein und dem Himmel und dem Herrgott, und damit macht er sich nicht nur Freunde.

Ein aufgeweckter Junge

Thomas Hoeth ist mit Dem Himmel verfallen ein Roman über den jungen Johannes Kepler und dessen Jugend- und Studienzeit gelungen, der zudem einen hervorragenden Einblick in die Denkungsweise der Zeit gibt und trotzdem an keiner Stelle langweilt.

Mit Johannes Kepler begleitet der Leser einen jungen Protagonisten, der immer leicht kränklich war und mit sechs sogar dem Tod knapp von der Schippe gesprungen ist. Er ist ein junger und wissbegieriger Mann, der manchmal mit einfachen Fragen seine Lehrer aus dem Konzept bringen kann. Doch gerade dies kann auch gefährlich sein. Gerade wenn man an das heliozentrische Weltbild glaubt, das sich durch den Dänen Tycho Brahe derzeit überall verbreitet und dass die Sonne ins Zentrum des Universums stellt, statt die Erde, wie es die Kirche propagiert, sollte man wissen, wer Freund und wer Feind ist.

Der Himmel und die Wissenschaft

Doch Johannes macht seinen Weg aufgrund seines klugen Kopfes, obwohl sich die Familie eine gehobene Ausbildung für ihn eigentlich nicht leisten kann. Er hat Fürsprecher, die ihm helfen, und so weiß er sich mit der Zeit auch gegen seine Schulkameraden zur Wehr zu setzen, die es auf ihn abgesehen haben.

Neben Johannes spielt vor allem sein Freund Jakob Neuhäuser eine zentrale Figur in dem Roman. Er ist etwas lebenslustiger und hat es auch schon eher mal mit Mädchen, was für Johannes überhaupt nicht in Frage kommt. Dabei ist Johannes nicht etwa prüde oder schüchtern, sondern vielmehr einfach nicht interessiert, für ihn gibt es nur den Himmel und die Wissenschaft.

 

 

Nur die Fantasie, und nichts außer ihr, nur mit ihr kann man Raum und Zeit überwinden und dorthin fliegen, wo sich bislang die Realität jeder wahrhaft großen Reise noch entgegenstellt. Die Fantasie kennt nur jene Grenzen, die sie sich selbst steckt, und es ist Aufgabe des Verstandes sie dann einzuholen, zu korrigieren oder auch zu revidieren, so kommt man in der Wissenschaft voran.

 

Die Stärke des Autors liegt nicht nur in der Person Johannes', sondern vor allem auch in der Beschreibung der Denkart der Renaissance, eingebettet in die Städte Maulbronn und Tübingen, wo sich die Lehranstalten befinden. Immer wieder gibt es einige, teil auch philosophische Momente und Erkenntnisse in dem Roman, die den Leser innehalten lassen und wo man sich die Faszination vorstellen kann, wie der junge Johannes die Informationen in sich aufsaugt und zu seinem Weltbild verarbeitet, für das er später berühmt wurde.

Gute Darstellung der Zeit

Anhand der Beschreibungen des Autors erkennt man, dass er jeden Stein selbst begangen hat, über den er erzählt, und so entsteht ein realistisches und prächtiges Bild der Zeit, wenngleich es sich meist auf die Klöster beschränkt. Doch auch das Schulleben und das Klosterleben mit seinen Schlafsälen, Mahlzeiten und Pflichten wird authentisch dargestellt und lässt den Leser eintauchen in die unangenehmen Seiten der Zeit.

Auch die Beschreibung des Aufnahmerituals in Tübingen mit dem Gassenlauf und den Prüfungen, die man, eklig oder nicht, über sich ergehen lassen muss, zeugen von der Stimmung der Zeit und der Lehranstalten, und es macht Spaß, dies zu lesen. Überhaupt pflegt der Autor durchweg einen leserlichen und flüssigen Erzählstil, der auf jeder Seite beibehalten wird und bei dem es nicht schwer fällt, das Buch bis zum Ende zu lesen.

Leider enthält der Roman keinerlei Anhänge wie Personenverzeichnis, Anmerkungen oder Karten, die einem den Inhalt des Romans noch näher gebracht hätten. Doch dies tut dem gelungenen Roman keinen Abbruch, wer sich für Astronomie oder auch nur für die Zeit interessiert, der sollte hier ohne schlechtes Gewissen zugreifen. Ob es einen weiteren Roman gibt um Johannes Kepler, dessen Leben ja noch nicht zu Ende erzählt ist, steht noch in den Sternen, aber wünschenswert wäre es. Man kann schon dem Himmel verfallen bei der Lektüre des Romans, und vielleicht steht es ja auch schon in den Sternen geschrieben, wer weiß...

Dem Himmel verfallen

Thomas Hoeth, Silberburg

Dem Himmel verfallen

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