Drachenboot
- Heyne
- Erschienen: Januar 2012
- 2
- Heyne, 2009, Titel: 'The White Raven', Originalausgabe
Beschwerliche Rückkehr zu Attilas Schatz
Herstring, Ostgotland, 972 n. Chr. Orm und der kümmerliche Rest der Eingeschworenen sind nach dem Fund von Attilas Schatz in ihr Heimatdorf zurückgekehrt und Orm will nie wieder dorthin zurück. Doch ihr Dorf wird überfallen, und glücklicherweise haben sie zuvor ihr Drachenboot wieder instand gesetzt, denn damit können sie fliehen und schwören ihren Feinden Rache.
Durch List und Trug werden sie gezwungen, sich ein zweites Mal ins Reich der Rus zu begeben, um dort den Schatz Attilas zu bergen. Dabei retten sie auch einem kleinen Jungen das Leben, der sich als Königssohn ausgibt und tatsächlich Olaf Tryggvesson ist, der Krähenbein genannt wird und trotz seiner Kindlichkeit viele Geschichten zu erzählen weiß, die immer Bezug auf die anwesenden Personen oder die Situation haben, in der sie sich befinden. Und da Männer gerne Geschichten hören, glauben sie sie auch.
Die Eingeschworenen fahren mit dem Drachenboot bis Nowgorod, von wo aus sie sich trotz Winter auf dem Weg ins Reich der Rus machen und dabei so manchen Verlust erleiden. Zudem werden sie immer noch vom Mönch Martin begleitet, der zwielichtig ist und bleibt und hinter der Lanze des Heiligen Georg her ist, die sich in Orms Besitz befindet. Und auch Wladimir, ein Fürst der Rus, und eine Gruppe von Amazonen sind auf den Schatz Attilas aus. Orms Eingeschworene werden noch so manches Mal ihr Schwert ziehen müssen, um aus dieser Hölle zu entkommen.
Rache
Der dritte Teil der Eingeschworenen-Reihe von Robert Low besticht, wie bereits seine beiden Vorgänger Raubzug und Runenschwert, vor allem durch seine Detailverliebtheit, nicht nur, was Kämpfe angeht. Robert Low ist ein packender Erzähler, der seinen Lesern nichts erspart und der sie deshalb ganz nah ans Geschehen holt und sie damit prächtig unterhält.
Orm erzählt aus seiner Ich-Perspektive, woran man sicher sein kann, dass zumindest er überleben wird, aber wie die beiden Vorgängerromane gezeigt haben, kann man sich bei allen anderen eigentlich nie so sicher sein. Wer wann wieso vielleicht die Seiten wechselt und sich somit dem Schwur der Eingeschworenen widersetzt, wer wen hintergeht und betrügt und wer auf wessen Seite steht, das ist nicht immer klar, aber das macht den Roman auch spannend. Natürlich ist nicht jeder Freund auf einmal ein Feind, aber Vorsicht ist allemal geboten.
Ein Geschichten erzählendes Kind
Über weite Strecken des Romans wird dieses Mal gereist, und der Autor ergeht sich in Beschreibungen der kargen Landschaft. Da das aber zurecht zu langweilig zu werden droht, gibt es Überfälle und vor allem Geschichten, die von dem jungen Königssohn Krähenbein erzählt werden. Diese haben immer eine besondere Pointe, sei sie humorvoll oder nachdenklich, philosophisch oder erschreckend, und Orm mag sie auch irgendwann nicht mehr hören, womit er aber ziemlich allein ist. Der Junge ist etwas zwielichtig, niemand weiß genau, warum er in seinen jungen Jahren schon solche Geschichten zu erzählen weiß. Einige Geheimnisse werden auch in diesem Roman nicht gelöst, aber die Reihe hat ja noch zwei weitere Teile, wer weiß, was da noch alle geschieht.
Trotz der Spannung, die Low wohl aufzubauen weiß, passiert während der Reise nicht wirklich viel aufregendes und spektakuläres. Ein paar Streitereien, ein paar Kämpfchen, aber nichts wirklich seitenfüllendes, und die Geschichten Krähenbeins sind zwar unterhaltend, aber auch teilweise recht lang, und somit tritt der Roman gelegentlich auf der Stelle. Er ist und bleibt unterhaltsam, aber er hat nicht so viel Handlung, die diesen Namen verdient, wie die anderen Romane.
Frauen
Neben alten Bekannten wie dem Mönch Martin, dem Orm lieber heute als morgen sein Schwert zwischen die Rippen rammen würde und sich jedes Mal wieder vorwirft, es doch nicht getan zu haben, treten auch neue Figuren auf. Zu ihnen zählen auch eine Reihe Amazonen, die gegen die Eingeschworenen kämpfen und die sich wundern, auf einmal Frauen erschlagen zu müssen.
Es waren Frauen. Es waren tatsächlich die Männerhasser-Weiber, und der Schreck darüber lähmte uns alle noch mehr als die Kälte. Mit einem wolfsartigen Heulen rasten sie auf ihren kleinen, mageren Steppenponys zwischen uns hindurch. Ich zog mein Schwert und verwünschte den Umstand, dass mein Schild schon seit Langem auf dem Wagen lag, weil er mir beim Reiten zu beschwerlich war; ein Mann ohne Schwert ist noch immer ein Krieger, aber ein Mann ohne Schild ist nichts weiter als ein Ziel.
Was bleibt, ist ein Roman, der das Leben der Wikinger und vor allem ihre Traditionen beeindruckend darstellt und der mit Witz und Spannung punkten kann. Überhaupt gehen die Männer teilweise recht zotig miteinander um, und für einen Spaß mit unduhne Galgenhumor sind alle immer zu haben. Und wenn dann einer in Hel eintreten muss, wird er mit dem Schwert zu Odin entlassen, wie es sich für richtige Kämpfer gehört.
Wenn am Ende das Ziel erreicht ist und das Grab Attilas ein zweites Mal gefunden wurde, kommt es zum Showdown, wo nicht klar ist, wer hier wen hinters Licht führt und wer wie viel von dem Silber mitnehmen kann und wer den Ort nicht lebend verlassen wird. Robert Low versteht es, die Spannung aufrecht zu erhalten, und indem er seine Charaktere eben nicht nur schwarz und weiß zeichnet, bleibt diese Spannung auch bis (fast) zur letzten Seite.
Spannend
Warum der Roman allerdings den deutschen Titel Drachenboot bekommen hat, wissen die Götter. Das Boot kommt nur am Anfang und auf den letzten Seiten vor und spielt sonst überhaupt keine Rolle. Der englische Originaltitel "The White Raven”, zu deutsch "Der Weiße Rabe” wäre da schon aussagekräftiger gewesen und hätte noch einen Schwung Wikingermystik mit in den Titel gebracht. Schade, dass der Verlag hier unflexibel ist und bei der Reihe unbedingt bei Titeln mit nur einem Wort bleibt.
Eine Karte zu Beginn des Romans, ein Glossar und ein interessantes Nachwort des Autors ergänzen den Roman, der wieder rundum gelungen ist, allerdings in der Mitte ein paar Längen aufzuweisen hat und somit nicht ganz so spannend ist wie die beiden ersten Teile, aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Auch wenn der Roman somit zum bislang schwächsten der Reihe wird, bleibt er doch hervorragende Unterhaltung, der Lust auf die beiden Nachfolger weckt. Es sollte generell mehr Wikinger-Romane geben.
Robert Low, Heyne
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