Rose von Bakut

  • Triga
  • Erschienen: Januar 2012
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  • Triga, 2012, Titel: 'Rose von Bakut', Originalausgabe
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Annette Gloser
731001

Histo-Couch Rezension vonNov 2012

Aus Raum und Zeit gefallen

Kurzgefasst:

Mecklenburg in den 1920er Jahren. Das Schicksal zweier Adelsgeschlechter verknüpft sich auf dramatische Weise. Im Mittelpunkt der Geschehnisse steht die junge Baronesse Rose von Bakut, deren Leben während eines Sommerfestes auf Schloss Loban durch einen schrecklichen Vorfall eine traurige und unabänderliche Wendung nimmt. Zudem verliert Roses Vater durch eine raffinierte Intrige auch noch den gesamten Familienbesitz an den charakterlosen, habgierigen Grafen von Loban. Indes gerät die gräfliche Familie in geheimnisvolle Verstrickungen, die ihr schließlich zum Verhängnis werden. In späteren Jahren kann Baronesse Rose wieder nach Bakut zurückkehren. Zweimal klopft die große Liebe an ihre Tür. Aber immer lauern im Hintergrund die Geister der Vergangenheit.

 

Bakut liegt irgendwo in Mecklenburg, Genaueres ist leider nicht zu erfahren. Ein fiktives Gut, mitten im Wald. Ebenso fiktiv das Nachbargut Loban.  Von den Roaring Twenties des 20. Jahrhunderts scheint in Bakut nicht viel anzukommen. Ernst Baron von Bakut arbeitet in seinem Sägewerk wie ein ganz normaler Angestellter, seine Frau Marianne ist unzufrieden mit dem Lebensstandard, der ihr geboten wird, seine Tochter Rose fühlt sich wohl in der Waldeinsamkeit. Aber ein Sommerfest auf dem benachbarten Gut Loban wird in diesem einfachen, aber durchaus idyllischen Leben zur dramatischen Wende. Die Baronin verschwindet spurlos, Baronesse Rose von Bakut erwartet ein Kind und der Baron sieht sich gezwungen, seinem Nachbarn, dem Grafen von Loban, ein von diesem lange begehrtes Waldstück zum Kauf anzubieten. Stattdessen jedoch macht der Graf seinem ärmlichen Nachbarn ein ganz anderes Angebot: Rose soll Bertram von Loban heiraten, den Sohn des Grafen. Dafür muß Baron Ernst allerdings das gesamte Baronat Bakut an den Grafen überschreiben. Rose darf nicht im Schloß leben, ihr Kind wird niemals den Besitz der Lobans erben, aber ihr wird die Schande erspart, als unverheiratete Mutter durchs Leben zu gehen.

Wie betrügerisch dieser Handel eigentlich ist, merken Rose und ihr Vater erst sehr viel später. Ernst von Bakut verliert seinen gesamten Besitz an den Grafen und Rose muß feststellen, dass man eine Scheintrauung inszeniert hat und sie juristisch gesehen überhaupt nicht verheiratet ist. Als ihr Kind spurlos verschwindet, findet sie Mittel und Wege, sich aus dem Zugriff des Grafen zu befreien. Rose weiß nicht, dass ihr Sohn Oskar nicht das einzige Kind ist, das in dieser Familie spurlos verschwand. Sie beginnt ein neues Leben, weit weg von Bakut und Loban.

Auch Ernst von Bakut, der seine Heimat verlassen musste, findet Möglichkeiten, ein neues Leben anzufangen. Auf Loban allerdings kämpft Bertram vergeblich gegen den finanziellen Ruin, denn sein Vater ist der Spielsucht verfallen und die Schulden häufen sich. Skrupellos geht der Graf seinen Weg, gleichgültig gegen jede menschliche Regung. Und mit ihm geht sein Adlatus Hugo von Saldern, dem zunächst keine andere Wahl blieb, als sich dem Grafen auszuliefern und gehorsam seine Forderungen zu erfüllen. Aber Hugo findet einen Weg, um sich zu befreien. Seine über Jahre angesammelte Wut auf die Grafenfamilie ist jedoch so groß, dass er alles tut, um das Geschlecht der von Lobans untergehen zu lassen.

Fernab der Politik

Gislinde Maxeiner führt ihre Leser in eine Welt, die auf den ersten Eindruck hin eher unwirklich erscheint. Fiktive Orte, fiktive Protagonisten. Schwerin ist vermutlich die einzige Stadt, die sich auf einer Karte finden läßt. Alle Dörfer, durch die die Helden dieser Erzählung kommen, bleiben namenlos, liegen irgendwo im Nirgendwo der Mecklenburger Weiten. Nachbarn leben jahrelang nebeneinander ohne sich zu sehen, geschweige denn zu kennen. Und auch die Realitäten der Zeit dringen nur sporadisch zu den Protagonisten durch. Zwar wird immer wieder von "harten Zeiten" oder schlechter Wirtschaftslage geschrieben, aber Geldscheine behalten jahrelang ihren Wert, während in ganz Deutschland die galoppierende Inflation die Menschen um ihre Ersparnisse bringt. Kapp-Putsch, Regierungswechsel, Auseinandersetzungen zwischen Faschisten und Kommunisten - nichts von alledem findet Eingang in diesen Roman. Erst im Schlußdrittel taucht die SA auf, um eine wichtige Rolle zu spielen. Mit ihr wird die Rassenverfolgung der Nazis ein Thema im Roman. Und selbst dann leben die Menschen weit weg von der Tagespolitik, lesen gelegentlich die Zeitung und haben kein Radio. Sogar Marianne und Rose von Bakut, über denen das Damoklesschwert der Deportation schwebt, scheinen dies nur nebenbei wahr zu nehmen. Man lebt in einem Mikrokosmos, der von der Realität Mecklenburgs weit entfernt zu sein scheint.

Auch Fahrräder scheint es nicht zu geben. Man läuft oder fährt mit der Kutsche, später mit dem Auto, gelegentlich mit dem Zug. Dabei gab es in den Zwanziger und Dreißiger Jahren in Mecklenburg nur ganz wenige Menschen, die kein Fahrrad besaßen. Man fuhr viele Kilometer damit, zum Einkauf, zum Amt, zum Schwofen, zur Beerdigung. Und in den Dörfern, auf den Gütern, war es überlebenswichtig, die Nachbarn zu kennen. Sie mussten sich nicht mögen, aber kennen mussten sie sich. Schließlich konnte man nie wissen, wann man auf den anderen angewiesen sein würde. Und selbst die letzte Klitsche irgendwo im Wald, jedes noch so abgelegene Vorwerk, alles war den Menschen, die dort in weit entfernter Nachbarschaft lebten, bekannt.

Sachlich und zurückhaltend

Insofern erscheint das Szenario, das die Autorin für ihren Roman erschaffen hat, tatsächlich wie aus der Zeit gefallen, und auch aus dem Raum, in dem die Handlung eigentlich stattfinden soll. Und dennoch bietet dieser Roman sehr viel Realismus. Er findet sich in den Charakteren der Protagonisten, in ihrem Denken und Fühlen, in ihren Handlungen. Hier gibt es keine schnulzigen Liebesszenen, keine schluchzende Unschuld am Brunnen. Es gibt Menschen, die in den ihnen von der Gesellschaft und der eigenen Persönlichkeit vorgegebenen Zwängen agieren, die versagen oder gewinnen, die an ihren Problemen wachsen oder an ihnen zugrunde gehen. Es gibt Schuld und Laster, Ehrlichkeit und seelische Nöte. Das macht das Buch nicht nur lesens- sondern auch bemerkenswert.

Die Autorin lässt einzelne Protagonisten selbst ihre Geschichte erzählen. So ergeben sich unterschiedliche Sichtweisen. Zwischenzeitlich berichtet immer mal wieder ein Kapitel über den Fortgang der Geschichte und bietet Raum für Reflektionen. Die Berichte der einzelnen Personen über ihre Lebensgeschichte unterscheiden sich nicht im Sprachduktus. Das ist einerseits schade, gibt die Autorin doch hier ein wichtiges Hilfsmittel zur Charakterisierung aus der Hand. Andererseits muß der Leser sich mit Beginn eines neuen Kapitels nicht umstellen, was recht angenehm sein kann.

Die Erzählweise bleibt sachlich, fast nüchtern, wie ein Rückblick aus weiter Ferne auf ein dramatisches Erlebnis. Keine überschäumenden Emotionen, dafür sehr viel Grüblerisches. Dennoch hat der Leser die Chance, in die Gefühlswelt der Protagonisten einzutauchen, mit ihnen zu leiden oder sich mit ihnen zu freuen, denn alle berichten sehr offen über ihr Schicksal. Leider baut die Handlung auf vielen Zufällen auf und wirkt dadurch recht konstruiert. Die Botschaft des Romans wird dadurch jedoch nicht beeinträchtigt und die erzählte Geschichte durchaus bewegend.

Die Autorin baut ihren Spannungsbogen auf den ersten Seiten auf und schafft es auch, ihn bis fast auf die letzten Seiten zu halten. "Die Dinge des Lebens entstehen aus unsren Entscheidungen.", schreibt sie auf dem Vorblatt des Buches. Und es ist durchaus eindrucksvoll zu lesen, welche Dinge des Lebens aus den Entscheidungen der Protagonisten entstehen.

Für stille Stunden

Rose von Bakut bietet keine reißerische Action. Der Roman kommt nicht laut daher sondern hat seine Stärken eher in der Ruhe und der Gelassenheit. Und er ist über weite Strecken fesselnd und kann die Leser in den Bann schlagen. Eigentlich ist das Buch ein Geheimtip für Leser, denen es weniger auf historische Details sondern mehr auf Psyche und Schicksale ankommt.

Der Triga-Verlag hat das Taschenbuch passend zum Inhalt mit einem Fotocover versehen. Auf den ersten Blick recht idyllisch, bei genauerem Hinsehen jedoch scheint das abgebildete Haus eine Menge Geheimnisse zu haben. Sehr passend zu diesem Buch.

Rose von Bakut

Gislinde Maxeiner, Triga

Rose von Bakut

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