Tanausú, der letzte König der Kanaren
- Piper
- Erschienen: Januar 1991
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- Piper, 1991, Titel: 'Tanausú, der letzte König der Kanaren', Originalausgabe
Geschichtsunterricht mit Pfiff
Kurzgefasst:
1492, im gleichen Jahr, in dem Kolumbus nach Amerika aufbricht, erobert der Spanier Alonso de Lugo die Kanareninsel La Palma. Dort kämpfen die Ureinwohner unter ihrem heldenhaften König Tanausú um ihre Freiheit. Zur gleichen Zeit sieht man auch die menschenverachtende Mission der katholischen Kirche, verkörpert in der Figur des Pater Innozenz, und das brutale Vorgehen der Konquistadoren ...
1492: An der Küste von Las Palmas landen spanische Schiffe. Férnandez de Lugo will die Insel für die spanische Krone erobern. Er ist nicht der erste, der es versucht. Vor etlichen Jahren wurde nahezu die gesamte Besatzung eines Schiffes bei ihrem Eroberungsfeldzug durch die Guanchen vernichtet. Doch Férnandez de Lugo ist auf die Kriegstaktik der Ureinwohner vorbereitet. Ihm spielen auch die Ereignisse auf der Insel in die Hände: Denn der umsichtige Hochkönig Madango ist eben erst gestorben, ein neuer Hochkönig kann die einzelnen Stämme nicht voll hinter sich vereinen. De Lugo bleibt der ganze große Triumph aber verwehrt - sein Gegenspieler Tanausú setzt ihm eine Kraft entgegen, die der spanische Eroberer nicht zu brechen vermag.
Unbekannte Welt
Mit seiner Erzählung präsentiert der Autor Harald Braem eine Welt, die vielen Leserinnen und Lesern bis dorthin unbekannt war. Die Guanchen tauchen kaum je in einem historischen Roman auf, ebenso findet die Eroberung der kanarischen Inseln nur wenig Aufmerksamkeit. So vermag es Braem, die Geschichte einer Inselwelt, die viele von unbeschwerten Urlaubstagen kennen, in einem Roman aufzuarbeiten, der eine gute Mischung zwischen Fakten und Fiktion bietet. Die Welt der Guanchen bringt Braem durch die gelungenen Protagonisten den Lesern näher. Nicht nur der Tod von Hochkönig Madango gibt ihm Gelegenheit, die Gebräuche der Völker näher zu erläutern. Mit den völkergeschichtlichen Details geht der Autor sehr umsichtig um. Er schafft es, eine Art lebendigen Geschichtsunterricht zu gestalten, der nicht in Langeweile abkippt. Obwohl stark in den Überlieferungen verankert, wirken die einzelnen Protagonisten überzeugend agil.
Distanz überbrücken
Trotz allem fehlt es Braems Roman etwas an Nähe. Der Autor bleibt gegenüber den Ereignissen leicht distanziert und vermeidet es, allzu viel Tempo oder Emotionen aufkommen zu lassen. Hier hätte er durchaus noch stärker ins Detail gehen dürfen. Es mag dem Wunsch geschuldet sein, den Roman nicht über eine mit gut 300 Seiten recht überschaubare Größe hinaus wachsen zu lassen, dass der Autor auf eine üppigere Ausschmückung verzichtet hat. Dennoch hätte er hier noch erheblichen Spielraum gehabt. Dass das Potential für eine detailreichere Erzählung vorhanden gewesen wäre, lässt Harald Braem mühelos erkennen: Seine Figuren sind schlüssig und gut gezeichnet, die Handlung überzeugt und der historische Hintergrund ist spannend.
Nette Beigaben
Abgesehen vom Cover aus dem Zech-Verlag, das man zunächst nicht richtig einzuordnen weiß, vermag der Roman auch in seiner Gestaltung zu überzeugen. Die Zeichnungen zwischen den Kapiteln sind stimmig und das Kartenmaterial zu Beginn des Buches gibt eine hervorragende Basis, um der Erzählung Braems folgen zu können. Perfekt abgerundet hätte den Roman ein Personenregister mit den exotischen Namen der Guanchen. Darauf ist leider verzichtet worden. Störend ist jedoch einzig die mitten im Buch auftauchende Leseempfehlung, die wirkt, als habe man in letzter Minute einen Satzfehler, beziehungsweise eine übersehene weiße Seite kaschiert.
Nicht nur wer die kanarischen Inseln kennt und mag, wird Tanausú als anregende Lektüre zu schätzen wissen. Harald Braem weckt Interesse und vermittelt ein kaum bekanntes Kapitel der Eroberungsgeschichte.
Harald Braem, Piper
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