Die verlorenen Spuren
- Diana
- Erschienen: Januar 2013
- 5
- Diana, 2012, Titel: 'The Secret Keeper', Originalausgabe
Dramatische Zeiten und ihre Geheimnisse
Kurzgefasst:
England, Greenacres Farm 1961: Während einer Familienfeier am Flussufer beobachtet die junge Laurel, wie ein Fremder das Grundstück betritt und ihre Mutter aufsucht. Kurz darauf ist der idyllische Frieden des Ortes jäh zerstört. Erst fünfzig Jahre später gesteht sich Laurel beim Anblick eines alten Fotos ein, dass sie damals Zeugin eines Verbrechens wurde. Doch was genau geschah an jenem lang zurückliegenden Sommertag?
Als Laurel nach langer Zeit anlässlich des neunzigsten Geburtstags ihrer Mutter Dorothy in ihr Elternhaus zurückkehrt, holen sie schon bald verdrängte Erinnerungen ein. Der Gedanke an den geheimnisvollen Fremden, der fünfzig Jahre zuvor Unheil über ihre Familie brachte, lässt sie nicht mehr los. Sie ist entschlossen, endlich das Rätsel um die Vergangenheit ihrer Mutter zu lösen. Ein Foto aus dem Jahr 1941 scheint der Schlüssel zu sein: Es zeigt Dorothy in London, Arm in Arm mit einer Frau namens Vivien. Warum zerbrach die Freundschaft der beiden Frauen? Und wer ist Jimmy, den Dorothy wohl sehr liebte und doch vor der Familie verbarg? Auf der Suche nach Antworten muss Laurel erfahren, dass sie sich immer in ihrer Mutter getäuscht hat ...
Als Teenager wird Laurel Nicolson im Jahr 1961 Zeugin einer Tat, die sie nicht versteht: ein Fremder sucht Laurels Mutter auf, spricht kurz mit ihr und wird von ihr getötet. Der Polizei erzählt Laurel den Vorgang, wie ihre Mutter ihn zuvor geschildert hat. Der Fremde habe Dorothy und Baby Gerald bedroht, sie habe ihn in Notwehr erstochen. Danach spricht die Familie nie mehr über den Vorgang, Laurel bemüht sich, ihn zu vergessen.
Fünfzig Jahre später, 2011, steht die gebrechliche Dorothy vor ihrem neunzigsten Geburtstag, und Laurel will ihre vielleicht letzte Möglichkeit nutzen, endlich die Wahrheit über das herauszufinden, was 1961 geschah. Sie braucht die Sicherheit, dass ihre Erinnerungen an eine glückliche Kindheit nicht auf einer großen Lüge beruhen. Da Dorothy ihrer Tochter keine klaren Auskünfte gibt, recherchiert Laurel bis zurück in die Zeit der Jugend Dorothys. Anhaltspunkte hat sie nur wenige: ein Foto, auf dem Dorothy mit einer anderen Frau zu sehen ist, ein altes Buch, das eine Vivien Dorothy gewidmet hat, den Namen des Fremden, Henry Jenkins, den Dorothy 1961 getötet hat. Laurel muss herausfinden, wer Dorothy war, bevor sie ihre Mutter wurde.
Drei Zeiträume und ihre Erzählstränge
Die verlorenen Spuren und die drei vorhergehenden Romane Kate Mortons folgen grob einem erfolgreichen Muster. Eine Frau in der Gegenwart klärt ein Familiengeheimnis auf. Eine oder zwei Zeitebenen in der Vergangenheit werden mit dieser Aufklärung verknüpft. In Das geheime Spiel liegt das Geheimnis 75 Jahre zurück, in Der verborgene Garten 92 Jahre, in Die verlorenen Spuren nur noch ein halbes Jahrhundert, wie auch in Die fernen Stunden, der ebenfalls eine im Zweiten Weltkrieg angelegte Handlungsebene aufweist.
Die Heldin gerät immer an die benötigten Hinweise für ihre Reise in die Vergangenheit, seien es nun Tagebücher, die sich wie ein Roman lesen, oder Fotografien, auf deren Rückseite wichtige Informationen stehen, die vielleicht erst noch entschlüsselt werden müssen, seien es Postkarten oder Briefe, die sie aus einem Gegenstand, gerne einem Buch, auffordern, zur Kenntnis genommen zu werden. Schließlich findet sich immer wenigstens eine Person aus der alten Zeit, die über Wissen verfügt, das der Heldin hilft.
Kate Mortons Stärke liegt jedoch nicht in der Wiederkehr des Gleichen, sondern in ihrer atmosphärischen Rekonstruktion einer vergangenen Zeit. Die Leserinnen fühlen sich unter den Figuren heimisch, haben das Gefühl, mit ihnen durch die Handlungsorte zu streifen und gemeinsam mit ihnen die Ereignisse zu durchleben.
Die Erzählung der Kriegsjahre setzt Laurel nach und nach aus Erinnerungen und den Ergebnissen ihrer Arbeit als Amateurdetektivin zusammen. Diese Erzählung gehört Dorothy, der Verbindung von Dorothy und der australischen Waise Vivien, deren Ehemann Henry Jenkins und Dorothys Liebhaber Jimmy. Dorothy ist eine komplexe Figur, die versucht, sich von ihrer im Krieg gewachsenen Angst zu befreien und eine lebenswerte Zukunft zu schaffen. Jimmy ist die moralische Instanz in dieser Zeit. Der Schriftsteller Henry Jenkins, dessen Erfolgszeit schon einige Jahre zurückliegt, ist Alkoholiker und wird von manchen Menschen für wahnsinnig gehalten, seit seine Frau Vivien 1941 bei einem Bombenangriff auf London ums Leben kam.
Laurels Leben als Schauspielerin ist in der Geschichte höchstens am Rand und dort als Metapher von Bedeutung. Die Wechsel zwischen den Zeiten um 1941, 1961 und 2011, sowie die Verschmelzung der verschiedenen Handlungsstränge verleihen der Geschichte vordergründig eine stärkere Dynamik.
Fazit: Eine Heldin will ein Mysterium aus der Vergangenheit aufklären und begibt sich auf die Suche nach der Wahrheit und der eigenen Identität. Wer die Erwartungen entsprechend ausgerichtet hat und Mortons Bücher liebt, der wird auch von ihrem vierten Roman nicht enttäuscht sein.
Kate Morton, Diana
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