Im dunklen Tal

  • Rosenheimer
  • Erschienen: Januar 2013
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  • Rosenheimer, 2013, Titel: 'Im dunklen Tal', Originalausgabe
Im dunklen Tal
Im dunklen Tal
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Rita Dell'Agnese
901001

Histo-Couch Rezension vonMär 2013

Ein Krug Milch für den Lehrer

Kurzgefasst:

Im Jahr 1742 fallen die Panduren im bayerischen Niederwessen ein, plündern und morden. Am abgelegenen Puchberger-Hof werden sechs Leichen gefunden. Die einzige Überlebende ist die 11-jährige Amrei, die fortan stumm bleibt. Sie wächst bei einem Bauern im Dorf zu einer hübschen, freundlichen Frau heran. Der junge, lebensfrohe Schulmeister Korbinian kommt aus München in das Dorf. Dank ihm beginnt Amrei sich mitzuteilen. Kurz darauf wird Amrei mehrmals bedroht. In Korbinian wächst der Verdacht, dass der Anschlag auf den Puchberger-Hof einst nicht von den Panduren begangen wurde. Eine spannende Verfolgung inmitten von Intrigen, Gewalt und dem ersten Aufkeimen junger Liebe beginnt.

 

Es sind unspektakuläre Momente, die den Roman Im dunklen Tal von Angeline Bauer so zauberhaft machen. Das Poltern der Jungen, die die Stube von Lehrer Korbinian betreten und ihm ein Stück Holz, einen Krug Milch oder ein Ei mitbringen. Die Buben aus dem Dorf Niederwessen stehen für ganze Generationen von Schulkindern, die in den privaten Räumen des jeweiligen Lehrers unterrichtet wurden - dann, wenn die Jahreszeit die Abwesenheit der Kinder überhaupt zuließ. Denn nahezu jeder hatte auf dem Hof mit anzupacken und mitzuhelfen, die wenigen Wochen Sommer zu nutzen, um Ernten einzubringen, die die Familie über den Winter bringen mussten. Diese Situation stellt die Autorin Angeline Bauer in ihrem Roman eindrücklich dar. Sie schildert es mit solch eindrücklichen einfachen Worten, dass es ihr mühelos gelingt, die beengende Atmosphäre der Stube vor dem geistigen Auge des Lesers entstehen zu lassen. Noch näher kommt die Autorin den Lesern mit ihrer Figur des strengen Vikars Balthasar Winterhollers, der den aufmüpfigen Schüler Vitus Schmidthauser zur Strafe auf einem dreikantigen Scheit knien lässt.

Hervorragend gezeichnete Charaktere

Generell hat Angeline Bauer sehr viel Sorgfalt auf die Ausarbeitung ihrer Charaktere gelegt. Dadurch schafft sie es, der Dorfgemeinschaft eine große Glaubwürdigkeit zu verleihen und den Leser in diese recht homogene Gruppe von Menschen einzuschließen. Etwas, das dem neuen Lehrer Korbinian Hecht so gar nicht gelingen will. Denn wie es nicht nur den Berglern im 18. Jahrhundert eigen war, wird der Fremde zunächst mit Argwohn und Ablehnung bedacht. Immerhin bringt er eine Neuerung ins Dorf und stellt damit eine Gefahr für die überlieferten Werte dar. Dass Korbinian Hecht überall, nur nicht in Niederwessen sein möchte, ahnt kaum jemand. Denn der neue Lehrer hängt nicht an die große Glocke, dass er nach einer unglücklichen Liebschaft zu einer verheirateten Frau ins Bergdorf strafversetzt wurde. So lernt also der Leser nach und nach die tragenden Figuren der Dorfgemeinschaft kennen und erlebt, wie sie dem Fremden begegnen. Auffällig ist dabei die junge Amrei, die seit einem Überfall, bei dem ihre ganze Familie starb, stumm ist.

Spannungsbogen vermag zu überzeugen

Angeline Bauer hat nicht nur einfach einen Heimatroman geschrieben, dessen Schlichtheit eine große Faszination birgt, sie hat auch einen Kriminalroman geschaffen, der sehr nah an der Realität bleibt. Denn je mehr sich Amrei dem neuen Lehrer öffnet, desto häufiger ist sie Überfällen ausgesetzt, die sie nur durch Zufall überlebt. Niemand kann sich einen Reim darauf machen, weshalb Amrei plötzlich Opfer von unbekannten Vaganten wird. Einzig Korbinian Hecht, der der jungen Frau mehr als nur zugetan ist, ahnt, dass diese Angriffe etwas mit der Vergangenheit Amreis zu tun haben könnten. Denn anders als die Bevölkerung sieht er die Ereignisse mit dem Blick des Außenstehenden. Immer stärker zeichnet sich ab, dass der verstockte und hasserfüllte Halbwüchsige Vitus etwas mit den Überfällen zu tun haben könnte. Nach einem Brand ist die Dorfgemeinschaft so aufgewühlt, dass sie bereit ist, den Jungen ohne Gerichtsverfahren zu lynchen. Die Autorin hat den Spannungsbogen so aufgebaut, dass er von Beginn weg überzeugt und zu keinem Zeitpunkt in sich zusammen fällt, aber auch keine großen Ausreißer nach oben mit sich bringt. Damit erzählt sie mit schöner und überzeugender Konstanz eine Geschichte, die viel Hintergrund bietet.

Nahe am Leser

Einmal mehr kann Angeline Bauer den Leser auf eine Reise in die Vergangenheit mitnehmen, die wesentlich mehr bietet als nur ein paar Stunden Lesevergnügen. Was die Autorin in Im dunklen Tal schildert, haben viele ansatzweise wohl schon aus den Erzählungen ihrer Großeltern kennen gelernt. Das Eintauchen ins einfache Leben des Bergdorfes, die anschaulichen Schilderungen der Lebensumstände und das sichtbar machen der gesellschaftlichen Strukturen verleiht dem Roman eine wunderbare Tiefe. Angeline Bauer versteht ihr Handwerk und legt im Genre "Historische Romane" einmal mehr eine kleine erzählerische Perle vor, die sehr nahe am Leser bleibt und auf jede Form von übertriebenen Heldenstücken verzichtet.

Im dunklen Tal

Angeline Bauer, Rosenheimer

Im dunklen Tal

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