Die Farben der Freiheit
- Gmeiner
- Erschienen: Januar 2013
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- Gmeiner, 2013, Titel: 'Die Farben der Freiheit', Originalausgabe
Historisch überragend - kriminalistisch schwächelnd
Kurzgefasst:
Baden, Mitte des 19. Jahrhunderts. Mit Begeisterung verfolgt der junge Joseph Victor von Scheffel die Freiheitsbestrebungen seiner Heidelberger Kommilitonen. Doch als die Revolution Baden schließlich ins Chaos stürzt, muss er erkennen, dass politische Ideale, Freundschaft und Liebe mit der Realität nicht zu vereinen sind. Während Freunde sich den bewaffneten Truppen anschließen, besteht sein eigener Kampf darin, den Glauben an ein geeintes Land und eine bessere Zukunft nicht zu verlieren.
Süddeutschland in der Mitte des 19. Jahrhunderts: unter dem Eindruck der revolutionären Bewegung in Frankreich und den napoleonischen Versprechungen von Freiheit und Republik schwelt auch in Deutschland politische Unruhe. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, so erschallt es vor allem in Studentenkneipen. Nur wenige Jahre nach dem "Hambacher Fest", bei dem erstmals schwarz-rot-goldene Fahnen wehten und Bürgerrechte eingefordert wurden, keimt auch in Heidelberg der Samen der revolutionären Bewegung.
Zu den Studenten, die sich für die Freiheit begeistern, gehört auch Joseph Victor von Scheffel, Student der Rechtswissenschaften. Mit seinen Freunden frönt er den Freuden des Studentenlebens und diskutiert über Deutschlands Zukunft. Unter ihnen ist auch Max Fuß, dessen Forderungen besonders radikal sind. Von Scheffel ist ihm in Freundschaft verbunden, insbesondere seit er zärtliche Gefühle für Fuß' Schwester Henriette hegt. Doch viele stellen sich gegen die revolutionären Bewegungen, und bald muss sich Joseph entscheiden, zwischen Freundschaft, politischer Überzeugung und Liebe. Und dann ist da noch der unaufgeklärte Mord in Heidelberg, mit dem Max Fuß in Verbindung zu stehen scheint.
Stiefmütterlich behandelte Epoche grandios dargestellt
Die Revolutionsbewegungen rund um das Jahr 1848 gehören zu den stiefmütterlich behandelten Epochen in der großen Weite der historischen Romane. Der beginnende Nationalismus, das düstere Scheitern der Revolution - das alles mag für viele Verlage abschreckend sein. Umso schöner, wenn die wenigen Werke, die diese Epoche darstellen, in dieser Hinsicht so gut gelingen.
Dem Autorenduo Birgit Erwin und Ulrich Buchhorn gelingt es, ein farbenfrohes Bild der Epoche zu zeichnen. Stimmung, Mentalität, bürgerliche Gepflogenheit - all das wird so stimmig dargestellt, dass der Leser wahrlich eintauchen kann. Die Stammkneipe des Protagonisten ist genauso greifbar wie die Frankfurter Paulskirche. Die Autoren verstehen es exzellent, politische Zusammenhänge quasi "im Vorbeigehen" zu erklären und schaffen auch für den Leser ohne Vorkenntnisse ein verständliches historisches Gemälde.
Die historischen Fakten sind soweit stimmig, Abweichungen erklären die Autoren im Anhang und sind alleine dem dramatischen Element geschuldet. Das Leben des historischen von Scheffel wird spannend und unterhaltsam dargestellt, verwoben mit fiktiven und realen Figuren.
Der Stil des Romans ist eingängig und unterhaltsam, ohne platt zu wirken. Lebendigkeit und Anspruch gehen miteinander einher, und insbesondere die Dialoge zwischen den Studenten zaubern dem Leser ob ihres Humors und ihrer Scharfzüngigkeit ein verschmitztes Lächeln ins Gesicht.
Spannende Charaktere mit Tiefe und Facetten
Ein weiteres großes Plus in diesem Roman sind die Figuren: Haupt- und Nebenfiguren sind in allen Facetten gezeichnet, wirken greifbar und realistisch. Insbesondere von Scheffel, dessen Entwicklung man über einen größeren Zeitraum nachvollziehen kann, wird dem Leser zum liebgewonnenen Begleiter durch das revolutionäre Deutschland. Er reift, ebenso wie seine politischen Ideen, er wankt, liebt und zweifelt - und bleibt vor allem menschlich in den Wirren der 40er Jahre des 19. Jahrhunderts.
Historische Figuren wie der Bundestagsabgeordnete Carl Theodor Welcker ergänzen fiktive Figuren wie die Familie Fuß, wobei letztere meist symbolisch für eine bestimmte Strömung und einen bestimmten Stand stehen. Dies komplettiert das von den Autoren gezeichnete Bild der Epoche, die ihren Namen - Biedermeier - einer Figur des hiesigen Protagonisten verdankt.
Ein Kriminalroman? - Leider nicht
Leider verspricht das Buch einen "historischen Kriminalroman", so die Titulierung. Kriminalistisch ist dieser Roman leider nicht: zu Beginn taucht eine Leiche auf, und die Lösung des Mordes gerät völlig in den Hintergrund. Ganz nebenbei erfährt der Leser, was denn wirklich geschah - doch vor den großen Geschehnissen in und um Heidelberg wirkt der Kriminalfall eher gezwungen, als müsse noch eben eine Leiche eingearbeitet werden, um aus dem "Historischen Roman" einen "Historischen Kriminalroman" zu machen. Hier büßt der Roman leider vieles ein, weil er Erwartungen enttäuscht.
Als historischer Roman uneingeschränkt empfehlenswert
Leider drückt die nahezu fehlende Kriminalhandlung die Bewertung des Buches. Wäre Die Farben der Freiheitals historischer Roman angepriesen worden: er wäre in den obersten Punkterängen gelandet. So bleibt dieser Roman historisch zwar beeindruckend, jedoch eine kriminalistische Enttäuschung.
Erwin Ulrich, Gmeiner
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