Café Größenwahn
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- Erschienen: Januar 2007
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- , 2007, Titel: 'Café Größenwahn', Originalausgabe
Der Mörder, der ein Theaterstück schreibt
Hinter dem zweiten Band um den Kriminalwachtmeister Hermann Kappe steht die Autorin Sybil Volks. Sie legt ihre Geschichte in den Winter 1912. In Berlin ist es kalt, als Eugen Hoffmann sein Erbe in der Tasche in der Hauptstadt ankommt. Eigentlich möchte Eugen nichts anderes, als ein erfolgreicher Schriftsteller und Theaterautor sein. Aber er merkt schnell, dass ihm das wenige Geld durch die Finger gleitet und er als ein Niemand aus der Provinz kaum eine Chance hat, einen Verleger zu finden. Zunächst legt sich Eugen einen neuen Namen zu, beginnt, sich eine völlig andere Identität aufzubauen. Seine Beobachtungsgabe hilft ihm dabei, in eine neue Rolle zu schlüpfen. Eugen legt sich die passende Kleidung zu und wird zum Hochstapler. Immer stärker gerät er auf die schiefe Bahn, denn auch wenn bei vielen das Geld locker sitzt, so muss er doch zusehen, wie er sich über die Runden bringen kann. Die Liaison zur mondänen Maxi ist für Eugen nicht nur Eintritt ins Café Grössenwahn, sondern auch der Zugang zu den Künstlerkreisen, die dort verkehren. Als Eugen einen Mord begeht, nimmt er diesen als Motiv für sein Theaterstück. Ein Stück, das tatsächlich auch Erfolg hat. Bei der Erstaufführung ist aber auch Kriminalwachtmeister Hermann Kappe anwesend - und dem fallen ein paar Parallelen auf.
Flüssiger Schreibstil
Sybil Volks nimmt den Faden wieder auf, den Horst Bosetzky mit dem ersten Band gesponnen hat. Kappe ist nun schon eine Weile in Berlin, seine Beziehung zu Klara hat sich gefestigt. Auch Kappes Stellung bei der Polizei ist von Wohlwollen geprägt. Der junge Kriminalwachtmeister ist gegenüber dem Debüt reifer geworden. Das liegt hauptsächlich an der Figurenzeichnung, ein wenig aber auch an der Geschichte an sich. Hier zeigt sich, dass Sybil Volks leichtfüßiger erzählt als etwa Bosetzky. Sie verzichtet auf ausufernde Schilderungen und lässt der Geschichte mehr Raum, um sich zu entwickeln. Allerdings pflegt auch sie den Stil, dass der Ermittler verhältnismäßig spät tatsächlich ins Geschehen eingebunden ist. Zwar spielt er schon etwas vorher eine untergeordnete Rolle, doch scheint es, als müsste Sybil Volks erst mal Bekanntschaft schließen mit dem Kriminalwachtmeister, um ihn dann zu seiner tatsächlichen Größe anwachsen lassen zu können.
Schöne Szenerie
Es ist ein gelungener Mix aus Atmosphäre und Geschichte, den die Autorin ihrem Publikum präsentiert. Sie schildert zum einen den gravierenden Unterschied der verschiedenen Schichten, die 1912 in Berlin leben. Während viele mit dem wenigen Geld, das sie mit harter Arbeit verdienen, kaum leben können, geben sich andere dem Müßiggang hin und treffen sich zu ausschweifenden Festen in den Lokalen. So eben auch im Café Grössenwahn, das als Schauplatz der Künstlerszene treffend gewählt worden ist. Sehr geschickt schildert Sybil Volks die Situation im Café Grössenwahn, zeichnet ein farbenprächtiges und lebendiges Bild von Berlin und den Menschen, die zwischen Lebenshunger und abgrundtiefer Verzweiflung zu finden sind. Immer wieder blitzt wenn auch nur als Nebenfigur ein spezieller Charakter durch, der der Geschichte noch eine besondere Würze verleiht.
Eine ganz besondere Rolle kommt Eugen zu. Er ist zunächst eine Figur, mit der man sofort warm werden kann. Eugens erste Erlebnisse in Berlin wecken den Beschützerinstinkt. Der Leser beginnt zu hoffen, dass er es schafft, sich zu erhalten, auch wenn er zunächst so naiv erscheint, dass der Untergang schon vorbestimmt ist. Mit der Veränderung schleicht sich dann auch das Gefühl ein, dem Protagonisten nicht mehr ganz so gewogen zu sein und je weiter Eugen Hofmann mit seiner kriminellen Energie geht, desto mehr wendet sich der Leser von ihm ab. Sybil Volks hat hier ganze Arbeit geleistet: Sie setzt einen so ambivalenten Charakter ein, dass der Leser sich nicht einfach zurücklehnen und die Sache mal verfolgen kann. Er wird auf der Gefühlsebene gefordert. Das bei einem Krimi, der durchaus gut aufgebaut ist, allerdings noch einen etwas strafferen Spannungsbogen vertragen könnte.
Sybil Volks, -
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