Die Stadt der schwarzen Schwestern
- Rowohlt
- Erschienen: Januar 2013
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- Rowohlt, 2013, Titel: 'Die Stadt der schwarzen Schwestern', Originalausgabe
Ein geheimnisvolles Buch, ein wenig Liebe und viel Historie
Es ist das ausgehende 16. Jahrhundert: Die Menschen in Oudenaarde müssen sich damit abfinden, dass ihre Stadt von den Spaniern eingenommen wurde. Die Besatzer kennen keine Gnade mit den bisherigen Machthabern. Sie töten alle Ratsherren, lassen einzig den alten Weber Marx am Leben. Das führt bei den anderen Stadtbewohnern zu Spekulationen. Sie misstrauen Marx, was ihm und seiner Familie das Leben vergällt. Auch Griet, die junge Schwiegertochter von Marx und bereits Witwe, leidet darunter. Als Marx mit seiner Familie die Stadt verlassen will, muss sich Griet entscheiden. Schließlich aber bleibt sie mit ihrem kleinen Sohn in der Stadt seines Vaters. Obwohl Griet - Tochter einer niedrigen Adelsfamilie aus Brüssel - sich in der Tuchweberei auskennt, muss sie sich ein anderes Einkommen suchen. Denn durch eine Behinderung ist sie gegenüber anderen Frauen stark benachteiligt. Es gelingt der unerschrockenen Griet, sich vom spanischen Stadthalter das Privileg zu erkämpfen, Sicherheitsbriefe auszustellen. Was sich zunächst als lukrativ präsentiert, treibt die junge Frau aber bald in den Ruin. Denn sie versichert die Rückreise der schwarzen Schwestern, die aus ihrem Ordenshaus geflohen waren. Die Schwestern erreichen ihr Ziel aber nicht - sie verschwinden auf der Reise spurlos. Da macht sich Griet auf der Suche nach den Schwestern und nach der Wahrheit. Sie stößt dabei auf ein geheimnisvolles altes Buch. Auch einer der Spanier, Don Luis, scheint nach den Schwestern zu suchen. Er unterstützt Griet, scheint aber über die Maßen an ihrer Herkunft interessiert zu sein.
Kaum bekannte Hintergründe
Guido Dieckmann wendet sich in seinem Roman einem wenig bekannten Thema zu. Schon der Schauplatz, eine niederländische Kleinstadt, sticht aus der Masse der historischen Romane hervor. An sich thematisiert der Autor eine spezielle Begebenheit im Bereich der Religionskriege. Hier geht es darum, dass die Spanier bei ihrer Besetzung des Ortes vor allem dem Calvinismus, der sich in der Stadt ausgebreitet hatte, den Kampf ansagen und die Bevölkerung zum katholischen Glauben zurück bringen wollen. Dazu sind sie auch bereit, ungewöhnliche Wege zu gehen. Durch die Heirat von spanischen Edelleuten mit Niederländerinnen, vor allem Töchter aus Kaufmanns-Familien, kommt es zu einer Vermischung der beiden Völker. Hier zeigt sich die Recherche, die Dieckmann betrieben hat: Er schildert nur wenig bekannte Fakten und eröffnet den Leserinnen und Lesern eine neue Welt.
Starke Protagonistin
Bei der Figurenzeichnung setzt Guido Dieckmann klar auf die junge Griet, die nicht nur das Verschwinden der Nonnen ergründen will, sondern auch bereit ist, ungewöhnliche Ideen zu entwickeln, um nicht von den Schwiegereltern abhängig zu sein und unter deren Einfluss bleiben zu müssen. Hier geht der Autor klar an Grenzen. Griet ist unerschrocken und clever - aber ihr Handeln ist nicht unbedingt typisch für eine Frau in ihrer Situation und zu ihrer Zeit. Griet ist wohl etwas zu stark als Heldin skizziert. Da die Figurenzeichnung jedoch generell recht lebendig geraten ist und dadurch eine spannende Handlung möglich wird, mag man darüber hinwegsehen. Auch die Tendenz zum "gut" und "böse", die bei einzelnen Charakteren auszumachen ist, ist angesichts der schön geschriebenen Geschichte verzeihlich.
Historischer Krimi
Die Stadt der schwarzen Schwestern hätte gut auch als historischer Krimi geführt werden können. Die verschwundenen Schwestern und das geheimnisvolle Buch, aber auch der undurchsichtige Don Luis, sind Elemente, die jedem Krimi zur Ehre gereichen. Unabhängig davon, wie man den Roman bezeichnen mag: Guido Dieckmann hat mit dieser Geschichte für spannende Unterhaltung gesorgt, er bietet ungewöhnliche Schauplätze und überzeugende Charaktere. Was wünscht man sich von einem gelungenen historischen Roman mehr.
Guido Dieckmann, Rowohlt
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