Der Zauber eines frühen Morgens
- Lübbe
- Erschienen: Januar 2013
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- Lübbe, 2012, Titel: 'The Promise', Originalausgabe
Liebeswirren im Ersten Weltkrieg
Kurzgefasst:
England 1914. Wer an Belles schönem Hutsalon vorbeikommt, ahnt nichts von der düsteren Vergangenheit seiner Besitzerin: Nach qualvollen Jahren endlich aus der Prostitution entkommen, hat sich Belle nun ihren Traum vom Hutladen erfüllt und ist glücklich verheiratet. Doch der Erste Weltkrieg wirft seine Schatten voraus. Belle wird bald als Krankenschwester nach Frankreich geschickt - und trifft dort inmitten der Kriegswirren auf Etienne, ihre unvergessene große Liebe. Zerrissen zwischen verbotener Leidenschaft und aufrichtiger Treue, wird Belle erneut vom Schicksal geprüft.
London 1914: Die junge Belle hat sich ihren Traum erfüllt und einen Hutsalon eröffnet. Inzwischen ist sie zudem glücklich mit Jimmy verheiratet, der seinerzeit geholfen hat, sie aus der Prostitution zu befreien. Ihre mütterliche Freundin Mog hat wiederum Jimmys Onkel Garth geheiratet, der weiterhin sein Gasthaus führt.
Eines Tages steht plötzlich Etienne in Belles Salon - der attraktive Franzose mit der zwielichtigen Vergangenheit, der Belle einst in ihr erstes Bordell in New Orleans brachte. Schon damals fühlten sich die beiden zueinander hingezogen, doch Etienne blieb seiner Frau treu. Mittlerweile sind Etiennes Frau und Kinder bei einem Brand gestorben - und der Franzose will seine kriminelle Vergangenheit endgültig hinter sich lassen. Das Wiedersehen mit Belle löst gemischte Gefühle bei ihm aus: Einerseits ist er froh, sie glücklich zu sehen, andererseits ist er eifersüchtig auf ihren Ehemann.
Belle wühlt unterdessen nicht nur die Begegnung mit Etienne auf, sondern auch der bevorstehende Weltkrieg. Etienne zieht wie viele andere Männer freiwillig in den Krieg, Belle dagegen fürchtet sich vor dem drohenden Leid. Jimmy will zunächst bei ihr bleiben, doch um nicht als Feigling zu gelten schreibt er sich ebenfalls ein. Unterdessen wird Belle in ihrem Hutladen Opfer eines brutalen Überfalls mit schlimmen Folgen. Zur Verarbeitung geht sie mit ihrer neuen Freundin Miranda nach Frankreich, um dort verwundete Soldaten zu pflegen. Dort kommt es zum erneuten Treffen mit Etienne - und Belle fühlt sich hin- und hergerissen zwischen ihrer Leidenschaft für Etienne und ihren Gefühlen für Jimmy, während sie um das Leben beider Männer bangen muss ...
Dramatische Fortsetzung von Belles Schicksal
Nach Du wirst nie vergessen setzt Lesley Pearse die Geschichte um die junge Engländerin Belle nicht minder aufregend fort - auch in diesem Band erwarten die inzwischen neunzehnjährige Ex-Prostituierte wieder leidenschaftliche Gefühle und gefährliche Entwicklungen. Die Kenntnis des ersten Bandes wird dabei vorausgesetzt, auch wenn die wichtigsten Geschehnisse im Verlauf der ersten Kapitel kurz angesprochen werden.
Die Handlung knüpft mehr oder weniger direkt an die Ereignisse aus dem Vorgängerband an. Es sind nur ein paar Monate verstrichen, seit Belle mit Hilfe des jungen Jimmy, ihrer mütterlichen Freundin Mog, dem Journalisten Noah und dem verwegenen Etienne aus den Fängen der Zwangsprostitution befreit wurde. Belle und Jimmy sind inzwischen glücklich verheiratet. Sie hat ihren Traum wahr gemacht und einen eleganten Hutsalon eröffnet, in dem sie mit großen Erfolg ihre charmanten Kreationen verkauft. Belle hat ihre oft schmerzliche Vergangenheit so gut es geht hinter sich gelassen. Sie ist dankbar, dass Jimmy nie ein Wort über ihr früheres Leben als Prostituierte verliert, das sie zeitweise immerhin auch genossen hat.
Diesmal ist es der Erste Weltkrieg, der ihr Leben erneut aus den Fugen wirft. Nach anfänglichem Zögern meldet sich auch Jimmy als Freiwilliger und bald darauf findet sich auch Belle als Krankenschwester in Frankreich ein. Wie schon im ersten Band gelingt es der Autorin sehr gut, den Leser zum Mitfiebern einzuladen. Die Schrecken des Ersten Weltkrieges und seine Folgen für Menschen aller Gesellschaftsschichten werden anschaulich und bewegend dargestellt. Belle ist schockiert über das Leid der Soldaten und wird mit schwersten Verletzungen konfrontiert. In all dem Elend bemüht sie sich, den Männern etwas Hoffnung zu schenken und ihren Teil beizutragen, das Grauen des Krieges so erträglich wie möglich zu halten. Der historische Hintergrund zum Ersten Weltkrieg wird dabei nur knapp beleuchtet; der Leser sollte nicht erwarten, dass politische Ereignisse fokussiert werden - der Schwerpunkt beim Kriegsgeschehen liegt eindeutig auf den bewegenden Szenen im Lazarett und der Arbeit der freiwilligen Hilfspflegerinnen wie Belle und Miranda, auch wenn hin und wieder zu Etiennes und Jimmys Erlebnissen an der Front geschaltet wird.
Gelungene Charaktere
Erneut präsentiert sich Belle als sympathische Protagonistin, die viel Raum für Identifikationsmöglichkeiten lässt. Belle ist liebenswert, hilfsbereit und gütig, ohne jemals zu perfekt zu erscheinen. Ihre Sorgen, Wünsche und (Fehl-)Entscheidungen sind nachvollziehbar und so auch ihre Gefühle für zwei Männer, die gegensätzlicher kaum sein könnten: Auf der einen Seite steht der liebenswerte rothaarige Jimmy; voll jungenhaften Charmes, fürsorglich, zielstrebig und Belle in allen Lebenslagen ein zuverlässiger Freund. Auf der anderen Seite steht dagegen der verwegene Etienne, ein ausgesprochen attraktiver und eleganter Mann mit düsterer Vergangenheit und einem verletzlichen Kern unter einer verschlossenen Fassade. Belles Herz weiß nur zu gut, wie viel Jimmys Liebe und Treue wert sind und doch kann sie sich nicht gegen die Gefühle wehren, die Etienne in ihr anklingen lässt.
Diese Konstellation einer Frau zwischen dem soliden Ehemann und dem leidenschaftlichen Abenteurer mag altbekannt sein; trotzdem wirkt dieses Szenario nicht klischeehaft oder langweilig. Etienne war bereits im vorangegangenen Band einer der interessantesten Charaktere und schon damals wurde angedeutet, dass die Geschichte zwischen den beiden noch nicht beendet ist. So unterschiedlich Jimmy und Etienne auch sein mögen, beide lieben Belle aufrichtig. Dabei ist auch lange Zeit nicht absehbar, für wen sich Belles Herz am Ende entscheidet - nicht einmal, dass beide Männer den Krieg überleben werden, ist gesichert. Für besonderen Reiz in dieser Konstellation sorgt die Tatsache, dass sich Etienne und Jimmy kennen lernen und sympathisch finden - wobei allerdings nur Etienne weiß, um wen es sich bei seinem Gegenüber handelt, während Jimmy nichts von der gemeinsamen Verbindung zu Belle ahnt. Kritisieren lässt sich hier jedoch, dass Etiennes Gefühle hin und wieder ein wenig übertrieben wirken, er etwas zu selbstlos und aufopferungsbereit erscheint, wenn er Belle beispielsweise verspricht, ewig auf sie zu warten
Eine neue Nebenfigur ist die junge Miranda, die zu Belles bester Freundin wird. Miranda Forbes-Alton stammt aus höheren Kreisen, ist aber weit vom Snobismus ihrer Mutter entfernt. Mit Feuereifer beschließt sie gemeinsam mit Belle, als Hilfspflegerin nach Frankreich zu gehen. Die lebenslustige Miranda ist eine sympathische Figur, die dem Leser rasch ans Herz wächst.
Schicksalsschläge
Noch weniger als im Vorgängerband scheut die Autorin davor zurück, Belle Schicksalsschläge erleben zu lassen. Bereits der Überfall in ihrem Laden hat fatale Folgen und macht schnell deutlich, dass der Roman nicht zwingend auf ein süßliches Happy End hinauslaufen muss. Belle wird im Verlauf der Handlung wichtige Menschen verlieren und an ihre Grenzen gebracht werden; auch ihre Vergangenheit als Hure holt sie schließlich in ihrer Heimat ein und ruiniert ihren Ruf.
Unterm Strich ist Der Zauber eines frühen Morgens gewiss keine große Literatur, sondern bietet in erster Linie eine unterhaltsame Geschichte über Liebe und Leidenschaften. Der Tenor ist durch den Hintergrund des Ersten Weltkrieges ernster als im Vorgängerband, doch es gibt zweifellos Werke, die sich qualitativ hochwertiger mit einem solchen Szenario befassen - an die Intensität und Nachhaltigkeit eines Vom Winde verweht etwa reichen die Schilderungen nicht heran. Zielgruppe des Romans sind in erster Linie Frauen, die wissen wollen, wie es mit Belles Schicksal weitergeht und die sich gerne von emotionale Verwicklungen fesseln lassen. Das Werk ist keine oberflächliche Kost, kann allerdings nicht ganz die Klasse des Vorgängers erreichen - dennoch definitiv lesenswert.
Lesley Pearse, Lübbe
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