Krupps Katastrophe
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- Erschienen: Januar 2013
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- Oktober, 2013, Titel: 'Krupps Katastrophe', Originalausgabe
Wie starb Friedrich Alfred Krupp?
Kurzgefasst:
Herbst 1902, Margarethe Krupp spricht beim Kaiser höchstpersönlich vor, um die Entmündigung ihres Gatten zu erwirken. Doch da ist der Skandal längst eskaliert. Im sozialdemokratischen "Vorwärts" steht zu lesen, dass der "reichste Mann Deutschlands mit den jungen Männern der Insel Capri dem homosexuellen Verkehr" fröne und anrüchige Festivitäten ausrichte. Eine Woche später ist Friedrich Alfred Krupp tot. Gemäß offizieller Lesart: Opfer eines plötzlichen Hirnschlags. Seine Leiche wurde jedoch nie einer Autopsie unterzogen. Und so halten sich die Gerüchte hartnäckig, der deutsche Stahl-Tycoon sei über den §175 in den Selbstmord gestolpert, während Kaiser Wilhelm es sich nicht nehmen lässt, den Nachruf auf einen ehrenwerten Mann zu halten, der auf der Streckbank sozialistischer Nestbeschmutzer hingerichtet worden sei. Aber was ist aus dem Foto geworden, das viele fürchten und niemand kennt?
Margarethe Krupp beauftragt den Detektiv Julius Fahrenhorst, ihren Mann Friedrich Alfred in dessen Urlaub auf Capri zu beobachten. Aus gutem Grund, wie sich schnell herausstellt, denn Krupp vergnügt sich in der "Grotta di Fra Felice" mit jüngeren Männern; darunter - als einzige weitere Deutsche - sein Ingenieur Gernot sowie der Maler Christian Wilhelm Allers. Als die Orgie langsam ihrem Höhepunkt entgegen kommt, gelingt Fahrenhorst ein kompromittierendes Foto, welches Krupp im Kreise seiner Liebsten in eindeutiger Pose zeigt. Krupp will das Foto unbedingt in seinen Besitz bringen und so kommt es zu einem heftigen Handgemenge, in dessen Verlauf der junge Capreser Giovanni erstochen wird. Fahrenhorst sieht sich zum Rückzug gezwungen und stürzt dabei über eine Klippe. Zuhause angekommen muss Fahrenhorst feststellen, dass nur eine Filmplatte erhalten blieb, auf der Giovannis Mörder zu sehen ist. Doch was wurde aus dem Bild, welches Krupp belastet?
Zurück in der Villa Hügel überschlagen sich die Ereignisse, denn sowohl Gernot wie Allers, aber auch ein gewisser Roland Schwarz, erpressen Krupp. Sollte der mächtige Wirtschaftsboss über § 175 des Reichsstrafgesetzbuches stolpern, wonach "Unzucht zwischen männlichen Personen" zu einer Haftstrafe führen kann? Margarethe bittet in ihrer Not den Kaiser höchstpersönlich, Friedrich Alfred zu entmündigen, doch der Kaiser ordnet stattdessen kurzerhand Margarethes Einweisung in eine Nervenheilanstalt an; schließlich benötigt er weiterhin Kanonen von Krupp. Am 22. November 1922 stirbt Friedrich Alfred Krupp. War es ein Suizid, eine natürliche Todesursache oder sollte es gar noch eine dritte Möglichkeit geben?
Dann die zweite These: Suizid. Ein Gerücht, das - scheint's - nicht aus der Welt zu bringen ist. Zumal als bekannt wurde, dass Krupps Ärzte in wissenschaftlich durch nichts zu rechtfertigender Großzügigkeit von einer Autopsie seiner Leiche absahen und ruckzuck den Sarg zunagelten. Und eben die dritte Variante - aber die nur unterm Siegel der Verschwiegenheit!
Ein reales Rätsel
In Krupps Katastrophe geht es um das bis heute nicht geklärte Ableben des "letzten Krupp". Der fiktive Journalist Fahrenhorst erzählt Ende der 1960er Jahre seinem Enkel seine Erlebnisse. Dieser wiederum schreibt diese rund 40 Jahre später auf und verweist wiederholt darauf, dass mitunter höchst fraglich sei, ob die Erinnerungen seines Onkels allesamt zutreffen. So liest man abwechselnd über die damaligen Geschehnisse sowie die dazu passenden Kommentierungen. Dies ist zunächst gewöhnungsbedürftig und teilweise etwas sperrig, wird aber letztlich zu einer spannenden Geschichte zusammengeführt.
Da das geneigte Lesepublikum sich immer noch nicht von der Lektüre hat abbringen lassen, wollen wir an dieser Stelle noch einmal - allerdings letztmalig - die obige Warnung wiederholen, dass es hier und später kaum möglich sein wird, die historische Wahrheit herauszudestillieren aus diesen Hirngespinsten eines, als er sie zum Besten gab, hochbetagten, als er sie erlebte, greenhornjungen Mannes. - Also bitte sehr! Und sagen Sie nachher nicht, man hätte Sie auf die im weiteren Verlauf des Traktats unumgängliche Irritation nicht nachdrücklich hingewiesen!
Neben der Fragestellung, wie und gegebenenfalls durch wen Krupp zu Tode kam, steht die Villa Hügel sowie der § 175 Reichsstrafgesetzbuch im Mittelpunkt dieses Romans. Die Sozialdemokraten schüren im "Vorwärts" eine Woche vor Krupps Tod den Verdacht auf dessen homosexuelle Neigungen, was dem Kaiser naturgemäß höchst ungelegen kommt. Schließlich ist Krupp nicht irgendwer, sondern ein wichtiger Waffenlieferant. Zwar machen sich auf unterschiedliche Weise vor allem die Herren Allers, Schwarz und Gernot verdächtig, doch werden sicherlich einige Leser unter einem "Krimi" etwas anderes verstehen. Der Aufbau ist eben gewöhnungsbedürftig; man muss sich ein wenig in das Buch hineinarbeiten.
Unterhaltsam und informativ
Sei's drum: Wer sich für die Historie Anfang des 20. Jahrhunderts oder speziell für die spannende Familiengeschichte der Krupps interessiert, findet hier ein ebenso unterhaltsames wie informatives Buch. Wie bei der im Oktober-Verlag erscheinenden Serie "Mord und Nachschlag" üblich, folgen am Ende des Werkes noch etliche Seiten mit Rezepten (dem besagten Nachschlag). Deren Bewertung soll jedoch den Kolleginnen und Kollegen der Kochbuch-Couch vorbehalten bleiben.
Ulrich Land, Oktober
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