Der Luftspringer
- Gmeiner
- Erschienen: Januar 2013
- 0
- Gmeiner, 2013, Titel: 'Der Luftspringer', Originalausgabe
Vom Aufstieg eines Artisten
Arcangelo Tuccaro, genannt Gelo, ist Artist, der zusammen mit seinem Vater und seinen beiden jüngeren Zwillingsschwestern auf dem Hochseil balanciert. Doch in L’Aquila in Italien geht der Familie 1565 das Publikum und somit auch allmählich das Geld aus. Doch Gelo hat seit zehn Jahren heimlich noch etwas anderes geübt: Das Springen. Als er seinem Vater die Veränderung vorschlägt, auch ob des fortschreitenden Alters des Vaters, wirft dieser ihn raus, und Gelo muss allein sehen, wo er bleibt.
Gelo schlägt sich durch und trifft auf dem Gauklerplatz in Ancona auf Rufino Bocconcello, einen weltgewandten Philosophen, der ihn unter seine Fittiche nimmt und ihm alles beibringt, was wer weiß. Durch sein Springertalent werden bald andere auf ihn aufmerksam und er bekommt eine Stelle als Erster Kaiserlicher Hofspringer beim Hof in Wien angeboten. Dort setzt sich ausgerechnet die Prinzessin Elisabeth für ihn ein, die bald nach Paris verheiratet werden soll.
Gelo fällt weiter die Karriereleiter hinauf, von seinen Kollegen und so manchen hohen Hofangestellten mit Argusaugen beobachtet. Für Elisabeth will Gelo einen besonderen Sprung wagen: den Salto Mortale, bei dem er einen Salto über einen stehenden Menschen machen will. Dieser Sprung ist neu und gewagt und würde ihm grosses Renomee bringen. Doch dann ertappt er zufällig bei einem Fest in Augsburg die Kaiserinmutter mit ihrem Liebhaber, und Gelo muss aus dem Weg geräumt werden...
Kraftvolle Sprache
Axel Goras Abschluss seiner Renaissance-Trilogie entführt den Leser nicht nur in den Stand der Gaukler, sondern mit Artisten wie Seilgehern und Luftspringern, oder, wie man heute sagen würde, Seiltänzern und Akrobaten, in eine bislang nicht häufig beschriebene Welt. Anhand der realen Figur des Luftspringers Arcangelo Tuccaro beschreibt er auf der einen Seite die unbekannte Lebensweise der fest am Hof angestellten Akrobaten, auf der anderen Seite sind aber Schacherei und Intrigen am Hof nicht neu, wenngleich immer wieder - zumindest für den Leser - recht erbaulich. Dabei sind alle drei Teile der Trilogie unabhängig voneinander zu lesen, da sie inhaltlich nichts miteinander zu tun haben.
Goras Sprache ist saft- und kraftvoll und eine Freude für jedes interessierte Leserauge. Er ist stets Herr der Lage und weiß dem Leser seine Reisen, Übungen und Menschen treffend zu beschreiben und zu charakterisieren. Eine Fülle von Personen, gerade beim Hofpersonal, wird zum Leben erweckt, und Gelo, zwischen pfiffig und naiv, geht seinen Weg.
Viele Personen
Doch nicht nur Gelo wird von Gora mit einem menschlichen Charakter ausgestattet, auch alle anderen, die ihn begleiten oder sonst wie seinen Weg kreuzen, bilden eine bunte Charakterschar. Nachdem er es auch durch seinen ersten Mentor Rufino Bocconcello geschafft hat, entdeckt zu werden und den Weg an den Kaiserlichen Hof in Wien nimmt, wird er dort von der Prinzessin gefördert, die des Kaisers Lieblingskind ist und der er nichts abschlagen kann. Natürlich weckt das Neider, und derer gibt es am Hofe nicht zu wenige.
Ob es nun Gregorius Mayentracht ist, der ihn entdeckt, oder der Zwerg Baldur, der die Aufsicht über den Schlafsaal der Artisten hat, bis hin zu Luca Bonaldi, dem Hoftanzmeister und vor allem den Hofarzt Girolamo Mercuriale, der nicht nur medizinisch wichtig für Gelo ist, sondern der auch ein Buch über das Luftspringen verfasst hat, das für Gelo ein Vorbild ist. Gelo wird Erster Hofspringer, und erstaunlicherweise gibt es von seinen beiden Mitturnern nichts wesentliches zu berichten, außer dass sie auch turnen, hier wäre vielleicht mehr Konkurrenz zu erwarten gewesen, aber Gelo hat auch so genügend mit den anderen Herren zu schaffen.
Als er sich in Augsburg in die Schauspielerin Maria verliebt, gibt es auf einmal einen neuen Aspekt in seinem Leben, den er vorher nicht eingeplant hat. Zudem will er immer noch den Salto Mortale springen, den Überschlag über einen stehenden Menschen, doch immer wieder misslingt der Sprung oder er landet unglücklich, sodass er gezwungen ist, durch seine Blessur den Sprung erst einmal wieder ad acta zu legen. Vorbild für Gelo in seinen Sprüngen und auch früher in seiner Seillaufkunst waren Katzen, die so exakt wie möglich nachzuahmen versucht, und hierin findet er auch letztlich die Lösung für sein Problem...
Vielschichtige Handlungsstränge
Axel Gora gelingt in seinem Roman ein Einblick in das Artistenleben der Renaissance, das einige Aspekte aufzeigen dürfte, die so manchem Leser unbekannt sein dürften. Sein Aufstieg führt ihn an den Hof in Wien, und so lernt der Leser noch mehr über die Standesunterschiede, aber auch über deren gelegentliche Vermischung. Launige Dialoge der Höflinge untereinander und eine gewisse Frechheit in Gelos Ansichten sorgen für gute Unterhaltung.
Gelos Traum von einem Buch aus seiner eigenen Hand ist Wirklichkeit geworden, wenngleich die Hofschranzen ihn als Mann des niederen Standes dafür natürlich schief angesehen haben. Dies und mehr erfährt man im interessanten Nachwort des Autors, das neben dem beim Gmeiner-Verlag obligatorischen, zum Buch graphisch passenden Lesezeichen einzige Ergänzungen sind. Ein Personenverzeichnis hätte, gerade bei dem Getummel vieler Personen bei Hofe, geholfen, wird aber leider vermisst.
Dennoch ist der Roman ein launiges Schmankerl im Genre des historischen Romans, das neben der Gauklergeschichte und dem Ausschnitt der Renaissance auch ein Ansätzen eine Art Kriminalfall bietet, bei dem Gelo als Zeuge eines Seitensprungs ermordet werden soll, und das ein überraschendes Ende bereit hält. Man darf sich hoffentlich auf mehr aus der Feder des Autors freuen.
Axel Gora, Gmeiner
Deine Meinung zu »Der Luftspringer«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!