Die Duftnäherin
- Weltbild
- Erschienen: Januar 2013
- 3
- Weltbild, 2012, Titel: 'Die Duftnäherin', Originalausgabe
Teilweise vorhersehbare Flucht eines Mädchens vor dem Vater
Kurzgefasst:
Deutschland im Jahre 1349. Endlich bietet sich der sechzehnjährigen Anna die Gelegenheit zur Flucht vor ihrem gewalttätigen Vater. Sie macht sich auf den Weg nach Bremen, in die Heimatstadt ihrer verstorbenen Mutter, begleitet von dem jungen Gawin. Hier kommt Anna bei einer Seifensiederin unter. Sie wird Schneiderin und lässt sich etwas ganz Besonderes einfallen: In die Säume der Kleider näht sie Seife ein und erzeugt so wundervolle Düfte. Bald finden ihre außergewöhnlichen Kreationen Anklang bei den hochstehenden Damen der Stadt. Die zwischen Anna und Gawin aufkeimende Liebe muss zunächst geheim bleiben - schließlich haben sie sich als Geschwister ausgegeben.
Lünen in der Mitte des 14. Jahrhunderts. Die junge Anna lebt bei ihrem Vater und führt im den Haushalt. Er ist bekannt für seine Gewalttätigkeit und als er für ein paar Tage ins Gefängnis muss, nutzt sie die Gelegenheit, um zu fliehen. Geschickt legt sie eine falsche Spur nach Köln, obwohl sie nach Bremen gehen will, ist sie sich doch sicher, dass ihr Vater sie suchen wird.
Unterwegs trifft sie auf den Waisenjungen Gawin und sie beschließen, gemeinsam weiterzureisen und sich als Geschwister auszugeben. In Bremen - dahin will Anna reisen, weil ihre verstorbene Mutter von dort stammt - treffen die beiden jungen Menschen auf Leute, die ihnen wohlgesinnt sind und ihnen weiterhelfen. So scheint es, als wäre ihre Zukunft gesichert - bis Anna erfährt, dass ihr Vater ihre Spur aufgenommen hat und es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis er sie findet...
Rasantes Erzähltempo
Caren Benedikt hat mit ihrem Debütroman Die Feinde der Tuchhändlerin schon unter Beweis gestellt, dass sie spannend und kurzweilig erzählen kann. Eckte es in diesem Roman auch noch ab und zu an der Veranschaulichung des historischen Umfelds, so lässt sich in diesem Buch sehr wohl eine positive Entwicklung erkennen.
Von Beginn an erzählt Benedikt spannend und hält dies auch durch bis zum Schluss. Wenngleich sich der Verlauf der Geschichte ziemlich voraussehen lässt, wird der Leser aber durch den ständigen Szenewechsel und die vielen Ereignisse stets bei Laune gehalten. Es stehen nicht immer nur Anna und ihr Weggefährte Gawin in der Mitte des Geschehens, denn geschickt lenkt die Autorin den Fokus auch auf Annas Vater, dessen schändliches Tun man in einem zweiten Erzählstrang begleitet. So bestehen nicht nur die beiden jungen Leute ihre Abenteuer, die man detailliert präsentiert bekommt, sondern lernt noch eine Menge anderer Figuren im Laufe der Geschichte kennen, die den beiden nicht immer wohlgesonnen sind. So wechselt man vom Schauplatz Köln nach Bremen und in beiden Städten bieten Caren Benedikts Figuren ein unterhaltsames Treiben. Geschickt gesetzte "Cliffhanger" lassen den Leser das Buch kaum aus der Hand legen.
Protagonisten kindlich jung
Etwas irritierend ist nicht unbedingt das Alter der Protagonistin Anna, die mit ihren 16 Jahren in der damaligen Zeit schon als junge Frau galt, sondern viel mehr das ihres Begleiters Gawin, der mit seinen 15 Lenzen sicher auch damals noch nicht als junger Mann gesehen werden konnte. Das doch kindliche Alter Gawins ist für so manchen Leser doch ziemlich befremdlich, sodass man sich oft in einem Jugendbuch statt in einem historischen Roman für Erwachsene wähnt. Ob dies nun als Manko gesehen wird, ist aber wohl mehr Geschmacksache denn ein Kritikpunkt.
Viele Nebenfiguren
Waren in Benedikts Erstlingswerk die Figuren noch extrem schwarz-weiß gezeichnet, so kann man zwar nicht behaupten, dass sich dies in diesem Buch wirklich geändert hat, aber man spürt dennoch das Bemühen der Autorin, die Figuren mit mehr als nur einen prägenden Charakterzug auszustatten. Anna und Gawin stehen natürlich unantastbar auf der guten Seite, wogegen Annas Vater Helme den Part des absolut Bösen einnimmt. Doch gibt es noch eine ganze Menge an Nebenfiguren. Da ist auch Margrite, die mit einer kleinen Gruppe nach Bremen unterwegs ist, durch Zufall auf Helme stößt, der seine Tochter sucht und den sie instinktiv in eine falsche Richtung schickt und sich so schon unbekannter Weise auf Annas Seite stellt.
Aber das sind bei Weitem noch nicht alle Darsteller. Man trifft auf unehrenhafte und böse Mönche, gutgläubige Kaufmänner, großherzige Juden, einen schauspielerisch talentierten Advokaten, loyale und verlässliche Freunde, psychopatische Mörder, vom Alzheimer betroffene Handwerksmeister und noch viele mehr.
Manches läuft zu glatt
Wenn man auch einige Punkte in der Geschichte findet, mit denen man vielleicht nicht ganz so "glücklich" ist, so kann man aber beim besten Willen nicht sagen, dass das Buch in irgendeiner Weise Langeweile aufkommen lässt. Benedikt hat jede Menge Ereignisse in ihre Erzählung gepackt und diese durchaus geschickt miteinander verknüpft, sodass diese alle schlüssig sind. Anna, die auch auf Spurensuche ihrer verstorbenen Mutter ist, findet letztendlich auch ziemlich rasch was sie sucht - vielleicht etwas zu rasch und alles etwas zu beschönigt. Als Margrite letztendlich Anna begegnet, nimmt sie für sie so etwas wie die Mutterrolle ein und um das Glück vollkommen zu machen, hat natürlich auch Gawin Glück und bekommt in Bremen eine Lehrstelle bei einem angesehenen Schnitzer.
Wie schon in ihrem Debütroman bietet Benedikt auch in der Duftnäherin am Schluss wieder einen anschaulichen Gerichtsprozess, den man ohne weiteres als einen der Höhepunkte im Roman ansehen kann. Den verbalen Schlagabtausch, den sich hier Ankläger und Verteidiger mit den Zeugen liefern, wird man mit dem größten Vergnügen folgen, aber auch bedauern, dass man nicht mehr davon geboten bekommt.
Im Gesamten ist Die Duftnäherin sicher kein literarisches Highlight - was auch sicher nie so geplant war - bietet aber gute und kurzweilige Unterhaltung. Wenn auch das Fiktive die Geschichte dominiert, so sind historische Begebenheiten der damaligen Zeit gekonnt mit eingewoben und vermitteln Authentizität und Glaubwürdigkeit. Die flüssige Sprache und der gute Erzählstil lassen einen die gut 600 Seiten unmerklich schnell lesen, sodass man überrascht ist, schon das Ende erreicht zu haben. Man darf gespannt sein, was die Autorin dem Leser als nächstes Spannendes präsentiert.
Caren Benedikt, Weltbild
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