Eine Liebe in den Tagen des Lichts

  • Osburg
  • Erschienen: Januar 2013
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  • Osburg, 2011, Titel: 'Besøk på Ekely', Originalausgabe
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Carsten Jaehner
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Histo-Couch Rezension vonSep 2013

Eindrucksvolle Romanbiografie um Edvard Munchs letzte Jahre

Kurzgefasst:

Als im Kriegsjahr 1942 endlich der Frühling kommt, erwacht der launische und von Bronchitis heimgesuchte Maler Edvard Munch aus dem Winterschlaf. Eigentlich hat er keinen Grund zum Klagen. Zu Zeiten seiner großen Erfolge hat er sein Geld klug angelegt und lebt mit Personal auf seinem Gut Ekely am idyllischen Oslofjord. Wenn da nicht dieser Vorwurf wäre: Sein Werk gilt als »entartet«. Da taucht plötzlich die 23-jährige Studentin Doffy auf. Sie stellt sich als grenzenlose Bewunderin des eigensinnigen Meisters vor und bietet ihm an, für ihn Modell zu sitzen. Er willigt ein. Die fiebrige Atmosphäre rund um die junge Frau bestimmt fortan sein Leben und seine Kunst. Doffy weckt in ihm feinste Seelenregungen und unheilvolle Fantasien.

 

Oslo, 1942. Der Maler Edvard Munch ist 79 Jahre alt und lebt zurückgezogen auf seinem Grundstück Ekely am Rande der Stadt. Oslo ist von den Deutschen besetzt, man pflegt ein Art Koexistenz. Alle Nahrungsmittel sind rationiert, weshalb Munch sich glücklich schätzt, neben seinem Nutzgarten, wo er eigenes Gemüse und Obst anbaut, auch eine Kuh, ein Schwein und Hühner zu haben.

Eines Tages meldet sich die Jura-Studentin Dorothy, genannt Doffy, bei ihm. Sie hat gerade ihre Nebenerwerbsstelle verloren und möchte Munch gerne Modell sitzen. Sie weiß, dass er gerne Akte malt und übt mit ihrer Freundin Kari das Ausziehen und Nacktsein.

Schließlich willigt der scheue Munch in die Sitzungen ein und bestellt Doffy zu sich. Langsam tasten sich die beiden aneinander heran und man vereinbart von nun an wöchentliche Treffen. Mit der Zeit lernt man sich besser kennen, und Munch beginnt, aus seiner Lethargie zu erwachen, was auch seine Haushälterin Fräulein Berg mitbekommt.

Der Maler und sein Modell

Espen Haavardsholm beschreibt in seinem Roman Eine Liebe in den Tagen des Lichts die letzten gut eineinhalb Lebensjahre des Malers Edvard Munch. Dabei wird niemals sein Name genannt, er selbst wird immer nur als "M." bezeichnet, was eine gewisse Distanz zum Leser schafft. Trotz dieser Distanz erfährt der Leser viel über ihn, denn es werden immer wieder Rückschauen auf sein Leben gehalten.

Der Roman wechselt in der Erzählperspektive zwischen Munch und Doffy, wenn es sich nicht gerade um eine ihrer Sitzungen handelt. Dabei lernen die beiden sich kennen und erzählen auch voneinander. Immerhin geht es um Aktmalerei, da fällt man nicht mit der Tür ins Haus. Doffy ist eine 23jährige Jurastudentin, die sich zusammen mit ihrer Freundin Kari für Malerei interessiert und die auch gemeinsam zeichnen und Ausstellungen besuchen. Doffy hat ihren Job in einer Kanzlei verloren, eine Einsparungsmaßnahme wegen der Kriegszeiten. Um sich ein wenig Geld zu verdienen, wagt sie es, bei Munch anzufragen, ob sie Modell sitzen darf.

Kammerspiel

Munch selbst ist 79 Jahre und hat sein Leben eigentlich hinter sich. Er ist ein berühmter Mann, der einen Psychatrieaufenthalt hinter sich hat und nun seinen Lebensabend auf seinem Landgut am Rande von Oslo verbringt. Seine Haushälterin Fräulein Berg umsorgt ihn, der eigentlich gar nicht mehr malen will. Doch als er Doffy kennen lernt, blüht er wieder auf und verlässt sogar wieder das Grundstück.

Dies alles wirkt schon fast wie ein Kammerspiel, wenn da nicht im Hintergrund die Deutschen Nationalsozialisten als Besatzungsmacht einen Teil von Munchs Landgut Ekely besetzt hätten. Doch sie lassen Munch in Ruhe, der sich durch seinen Garten, und somit unabhängig von Lebensmittelrationen, eine kleine Insel geschaffen hat. Diese Insel verlässt er nur ungern und lässt auch nicht viele Menschen auf diese Insel kommen. Er hat nicht viele Freunde, und einzig Doffy erhellt in dieser Zeit sein Leben. Doch will er vielleicht zu viel und gesteht ihr seine Liebe, woraufhin sie die Sitzungen abbricht. Ein loser Kontakt bleibt, und es wird nicht einfacher zwischen den beiden.

Ruhig und eindrucksvoll

Haavardsholm versteht es, durch seine einfache Sprache trotzdem stets die richtigen Worte zu finden. Nichts wird umschwärmt oder beschönigt, alles bleibt recht sachlich, und doch fühlt man irgendwie mit Munch mit und kann auch die jungen Damen verstehen, die sich natürlich darüber austauschen, was da so gerade passiert. Der Roman ist angenehm zu lesen, ruhig und doch voller Emotionen, und fast mag einem der alte Maler Leid tun. Zwar schafft er noch einige Bilder, und doch lebt er zurückgezogen und vom Leben enttäuscht allein und ohne Familie auf seinem Gut. Die Sitzungen mit Doffy werden zu kammerspielartigen Szenen, die ihn aus diesem Muster ausbrechen lassen, seine Lichtblicke sind die sonntäglichen Momente mit ihr.

Haavardsholm hat einen eindrucksvollen, ruhigen Roman geschrieben, der nicht nur den Leser in das Seelenleben Edvard Munchs eintauchen lässt, sondern auch einen kleinen Einblick in das Oslo während der Nazibesatzung gibt. Das Leben wäre viel schöner, ohne überwacht zu werden und rationiert zu werden. Zwar treten die Nazis nie persönlich auf, aber irgendwie sind sie doch immer im Hinterkopf und auf der anderen Seite des Zauns.

Ein Glossar und eine Nachbemerkung des Autors ergänzen einen gelungenen Roman, der den Leser gerne aus dem Alltag entfliehen lässt. Besonders im Gedächtnis haften bleibt der Umstand, dass die Mutter des Autors die Freundin Doffys, Kari, war, sodass man biografische Informationen aus zweiter Hand erhält, die vielleicht sonst keine Biografie Munchs liefern kann. Dieser stille Roman ist eine Empfehlung nicht nur für Kunstfreunde, sondern vor allem auch für die, mal nicht über Auswanderer oder Mord und Totschlag lesen wollen. Eine wundervolle Abwechslung im Bücheralltag und tatsächlich ein lesenswertes Ereignis.

Eine Liebe in den Tagen des Lichts

Espen Haavardsholm, Osburg

Eine Liebe in den Tagen des Lichts

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